„Wir müssen uns dem Konkurrenzkampf stellen“
Auf die Frage, wie die ersten Wochen im…
Volker Bertelmann alias Hauschka ist der lebende Beweis dafür, dass es Sinn macht, seinen Traum zu leben und niemals aufzugeben. Für die Filmmusik zu „Im Westen nichts Neues“ erhielt der Wahl-Düsseldorfer sogar den Oscar. Was ihn umtreibt und warum wir uns auf sein neues Album freuen können, erfuhren wir im persönlichen Gespräch.
Mit Beharrlichkeit hat Hauschka sein Ziel erreicht: Er ist erfolgreicher Profimusiker.
Herr Bertelmann, warum ist Düsseldorf eine künstlerisch inspirierende Stadt?
Seit ich 1990 hierhergezogen bin, gab es immer tolle Bands in Düsseldorf. Es war dennoch überschaubar und kein heilloses Durcheinander. Was mich auch angesprochen hat, war die Nähe der Musik zur Kunst. Mich haben elektronische Künstler oder Formationen wie Kraftwerk immer mehr interessiert als beispielsweise die Heavy Metal-Bands hier. Nichts gegen solche Gruppen – ich habe über die Jahre auch Die Toten Hosen kennengelernt, die natürlich zu Düsseldorf gehören wie kaum etwas anderes – es ist halt nur nicht mein Musikstil.
Sie sind mal mit Tori Amos durch Berlin gefahren. Welche Orte hätten Sie mit ihr in Düsseldorf angesteuert?
Ich wäre mit ihr zum Museum Insel Hombroich gefahren, auch wenn es streng genommen nicht zu Düsseldorf gehört – aus künstlerischer Sicht würde ich es schon der Stadt zuordnen. Wahrscheinlich wäre ich mit ihr in den Grafenberger Wald gefahren, zur Kastanienallee, und ich wäre mit ihr an der Rennbahn spazieren gegangen. Vielleicht hätte ich mit ihr eine Ausstellung in der Galerie Konrad Fischer besucht, eventuell wäre ich mit ihr zum Konzert gefahren. Vielleicht wäre ich mit ihr in den Salon des Amateurs gegangen, auch wenn ich den Altersschnitt dort heutzutage wohl sehr heben würde. Und ich würde wohl im Restaurant Olio mit ihr essen gehen.
Sie haben 2004 damit begonnen, Klaviere zu präparieren. Hatten Sie eine bestimmte Idee im Kopf oder war das ein spontaner Einfall?
Ich wollte elektronische Musik mit einem akustischen Instrument machen. Das hatte zur Folge, dass ich Sounds wie Snare, Hi-Hat oder Ähnliches brauchte. Als ich mein erstes Hauschka-Album in Wales aufgenommen hatte, habe ich mit den Fingern an die Seiten gefasst und festgestellt, dass Obertöne entstehen. Und wenn ich dämpfen kann, dann kann ich auch noch Material auf die Saiten drauflegen. Mit der zweiten Platte waren die Leinen gekappt, und ich konnte alles ausprobieren. Live ist vor allem toll zu erleben, wie gewisse Gegenstände funktionieren – beispielsweise Tischtennisbälle, die beim Anschlag der Tasten hochfliegen. Da spielt der Zufall, das Unerwartete, dann schon eine Rolle. Die Frage, wie man noch etwas Neues entwickeln kann, stellt sich natürlich immer. Und durch das Zusammenspiel der Klänge, durch die Präparationen, entstand vielleicht etwas, das man mit mir in Verbindung bringt.
Viele Musiker legen sich ja eher auf etwas fest, von dem sie wissen, dass es auch Abnehmer finden wird. Dahinter stecken nicht selten Existenzängste. Ist Ihnen so etwas völlig fremd?
Im Gegenteil. Meine ersten 20 Jahre als Musiker bestanden nur aus Existenzängsten. Ich habe angefangen, Medizin zu studieren und das abgebrochen. Ich habe versucht, irgendwelche Ausbildungen zu machen, um das Gefühl zu bekommen, eine Berufsausbildung zu haben. Währenddessen habe ich aber immer Musik gemacht und versucht, auszuloten, wo ich mit meinen Fähigkeiten weit kommen kann. Wenn man nicht mit vier Jahren schon ein Virtuose ist, dann wird es schwer. Aber der Berufswunsch Profimusiker war bei mir immer so stark, dass ich das durchgezogen habe. Oftmals war Mitte des Monats schon das Geld aufgebraucht, sodass ich mir etwas leihen oder kurzfristige Jobs annehmen musste. Aber wenn man kontinuierlich und akribisch an etwas dranbleibt, dann kann man eben auch erfolgreich mit Dingen abseits des Mainstream sein. Es brauchte einfach die Zeit. Aber viele Menschen haben nicht die Geduld dazu, was ja auch absolut verständlich ist.
Sie feiern aktuell Ihre größten Erfolge im Bereich des Soundtracks, haben für die Musik zu „Im Westen nichts Neues“ den Oscar gewonnen. Welche Vorgaben bekommen Sie, um die Bilder musikalisch zum Leben zu erwecken?
Oftmals bekomme ich ein Skript oder die ersten Schnitte einzelner Szenen. Oder einen kurzen Zusammenschnitt. Da bekommt man schnell ein Gefühl für die Art des Spiels oder die Farben. Es gibt auch Filme, bei denen ich frei bin. Aber das ist nur selten der Fall. Oftmals suche ich auch weit im Voraus Instrumente oder Sounds, die ich dann ausprobiere. Am Ende schreibe ich am liebsten für das fertige Bild, also schreibe szenisch. Ich picke mir die dynamischsten Szenen heraus und fange an. Da bekommt man ein Gefühl für den Film und für das Tempo. Manchmal landet Musik für bestimmte Szenen auch an völlig anderen Stellen.
Wie haben Sie das Oscar-Spektakel erlebt? Die Promis, die Partys …
Was ich mag, ist die Situation, in diesem Saal zu sitzen mit dieser Gruppe von wahnsinnig talentierten Menschen, die unglaubliche Dinge erschaffen. Das zeigt mir auch, dass es möglich ist, etwas zu schaffen, woran man glaubt, auch wenn man nicht Klavier oder Musiktheorie studiert hat oder Ähnliches. Was die Partys angeht: Ich war 2017 schon mal nominiert und bin überall hingegangen, wo ich reindurfte. Dieses Jahr hat mich das schon nicht mehr interessiert. Man merkt einfach: Hierbei fühle ich mich nicht gut. Ich würde jetzt lieber mit ein paar Freunden in eine Eckkneipe gehen und drei Bier trinken. Und genau das habe ich dieses Jahr gemacht. Ich bin der Meinung, man muss seine eigene Party starten. In dem Fall haben wir im Hotel auf dem Dach mit dem Filmteam und meiner Familie gefeiert. Dabei habe ich mich viel wohler gefühlt, als mit dieser Statue auf einem roten Teppich herumzustehen. Der Rest ist Fassade. Letztlich läuft es immer nur auf ein Foto hinaus, und dann ist man wieder weg. So was ist für mich völlig langweilig. Ich bin auch jemand, der vergisst, für einen Instagram-Post die Kamera einzuschalten. Das ist einfach nicht in meiner DNA.
Woran arbeiten Sie aktuell?
Ich habe ein neues Album fertig, das am 20. Oktober erscheint. Dann gehe ich auf eine kleine Tour und spiele im nächsten Frühling auch noch ein paar Konzerte. Aktuell liegen Einladungen vor, um in Madrid und Athen aufzutreten. Dann habe ich die Musik für den neuen Film von Edward Berger namens „Conclave“ gemacht. Außerdem stehen noch zwei Serien an, für die viel Musik geschrieben werden muss, was für unser Team aber wirklich gut ist, um Abläufe einzustudieren. Das ist ein wenig wie ein Trainingslager für Musiker.
Wonach wird das neue Material klingen?
Das neue Album heißt „Philantropy“ und beschäftigt sich mit den Aspekten der Menschlichkeit. Dinge wie Ukraine-Krieg, Corona, Klimakrise haben alle mit den aktuellen Umständen und Fragen zu tun, die uns Menschen belasten. Und ich habe mich gefragt, was Menschen machen können, die in solchen Blasen von Krisen stecken. Dabei ist mir klar geworden, dass uns am Ende des Tages nur die Möglichkeit bleibt, einander zu helfen. Man muss sehen, dass auch die anderen Menschen nur ein Leben haben. Alle Stücke auf dem Album haben mit Aspekten der Menschlichkeit zu tun. Es soll eine positive Botschaft mitschwingen, die sagt: Es kann nur gemeinsam klappen.
Das Interview führte Marcus Italiani.