„Wir müssen uns dem Konkurrenzkampf stellen“
Auf die Frage, wie die ersten Wochen im…
Die Düsseldorfer Metal Queen feiert in diesem Jahr ihr 40-jähriges Bühnenjubiläum – ihr neues Album nennt sie selbstbewusst „Conqueress Forever Strong And Proud“. Aus diesem Anlass nimmt sie uns mit auf eine vierstündige Tour durch ihre Heimatstadt und an die Orte, wo alles angefangen hat.
In der heutigen Mitsubishi Electric Halle feiert Doro Pesch ihr 40-jähriges Bühnenjubiläum.
Am 8. November 1983 wird ein Erdbeben der Stärke 5,1 in Düsseldorf verzeichnet. Doch viel weitreichender ist das Beben, das eine 1,54 Meter kleine Blondine und ihre Mitstreiter in jenem Jahr in einem Keller an der Ronsdorfer Straße in Lierenfeld verursachen. Warlock heißt die Band, die gelernte Typografin Doro Pesch bekleidet den Posten der Sängerin. Schwermetall mit weiblichen Vocals – seinerzeit eine Ausnahme-Erscheinung. In England erklimmen Girlschool dank der tatkräftigen Mithilfe ihrer Mentoren Motörhead größere Bühnen, in Kanada erschafft Sängerin Lee Aaron ein Werk, dessen Titel einige Jahre später ausschließlich mit der blonden Düsseldorferin verbunden wird: „Metal Queen“.
40 Jahre und mehr als zehn Millionen verkaufte Tonträger später ist Doro immer noch die Königin des Schwermetalls. Und der runde Geburtstag wird am 28. Oktober standesgemäß gefeiert – in der Mitsubishi Electric Halle, die von vielen eingefleischten Musikfans immer noch „Philipshalle“ genannt wird. In jenem damals mintgrünen Bau mit dem Klang, den man sich während des jeweiligen Konzerts selbst erarbeiten musste, wird nicht nur Doros Karriere veredelt – die Halle ist wie ein lebender Organismus. Überall erinnern Plakate und Nachrichten an die vielen großen und kleineren Künstler, deren Schweiß teilweise bereits vor Jahrzehnten auf den Bühnen- oder Backstageboden getropft ist. „Hier habe ich schon als Fan 1980 die ersten Bands gesehen. Das war immer ein unbeschreibliches Erlebnis, und ich habe mir so oft gewünscht, da selbst mal auf der Bühne zu stehen“, sagt Doro voller Ehrfurcht beim Betrachten der historischen Plakate.
In einem Flur des Backstage-Bereichs hängt eine Ehrentafel, auf der die Namen aller Acts verzeichnet sind, die hier bereits musiziert haben. Von den Arctic Monkeys über Black Sabbath, Chuck Berry, Frankie Goes To Hollywood, Marla Glen und Motörhead bis hin zu The Four Tops und Udo Lindenberg war wirklich schon jeder in diesem Kult-Tempel zu sehen und zu hören. „Immer, wenn ich hier bin, dann denke ich an meine beiden besten Freunde, die leider bereits verstorben sind“, sagt Doro mit Schwermut in der Stimme. Die Rede ist von Motörhead-Boss Lemmy Kilmister und Ronnie James Dio. Für Dio eröffnete Doro am 11. November 1987 in dieser Halle mit ihrer Band Warlock einen unvergessenen Konzertabend. Warlock waren mit ihrem Album „Triumph And Agony“, das die Welthits „All We Are“ und „Für Immer“ enthält, auf dem Zenit ihrer Karriere. Dio hatte mit „Dream Evil“ den vierten Solo-Klassiker seiner Schaffensphase veröffentlicht. Das Venue brodelte, beide Bands waren in Höchstform. Natürlich spielte Doro auf diesen Brettern auch mit Lemmy die eine oder andere Show. „Ende 2015 war er ja zum letzten Mal hier. Da sah man ihm schon an, wie schlecht es ihm ging. Etwas später rief mich seine Managerin an und bat mich, nach Berlin zu kommen, weil sich sein Zustand noch mehr verschlechtert hatte. Ich habe sofort alles stehen und liegen lassen und bin zu ihm gefahren, um ein wenig bei ihm zu sein“, sagt sie über die letzten Tage der Rock-Legende, die kurz nach Weihnachten 2015 den allerletzten Atemzug tat.
Natürlich wurde in der Philipshalle auch bereits Doros 20-jähriges Bühnenjubiläum – damals noch mit Lemmy – begangen. Das 40. soll nun noch einen draufsetzen. „Es werden unheimlich viele Gäste da sein und eine riesige Party mit mir feiern.“
Einige „Gäste“ waren auch beim allerersten Gig der Düsseldorferin vor mehr als 40 Jahren am Start. Tatort: ein kleiner Club an der Kiefernstraße in Flingern, heute besser bekannt als „AK47“. „Damals war diese Straße fest in der Hand der Punks. Und Metaller und Punks kamen mal so gar nicht miteinander klar“, erinnert sich Doro. „Ich hatte seinerzeit, es muss um 1980 herum gewesen sein, eine Band namens ‚Snakebite‘. Damals bestand mein Leben wirklich nur aus Arbeiten und Proben. Allerdings waren wir trotz der vielen Proberei noch nie irgendwo aufgetreten. Und dann stand eines Tages dieser Typ namens ‚Spider‘ im Proberaum. Er war Amerikaner und fahnenflüchtig, was wir damals alle voll cool fanden. Daher hatten wir keine Bedenken, als er sagte: ‚Habt ihr Bock, in unserem Club zu spielen? Das ist dasselbe wie im Proberaum, nur vor Leuten.‘ Und wir: ‚Na gut‘. Also schleppten wir unser gesamtes Equipment den guten Kilometer von der Ronsdorfer Straße zur Kiefernstraße, bauten auf und legten los. In dem Laden waren zunächst 30 Metalheads, die das Ganze interessiert verfolgten, bis plötzlich an die 100 Punks auftauchten. Sofort entstand eine Schlägerei. Trotzdem spielten wir. Und die ganze Zeit über zielte so ein völlig betrunkener Punk mit einer Pistole auf mich, egal, wo ich hinging. Irgendwann war der Kerl so voll, dass er einfach auf die Bühne fiel. Ein paar Leute nahmen ihm die Waffe weg und übergaben sie mir feierlich. Daran konnte ich mich allerdings nicht lange erfreuen, weil ein Großteil der Zuschauer beschlossen hatte, dass wir nun lange genug gespielt hätten. Also stürmten sie die Bühne und zerpflückten unser Equipment. Als ihnen irgendwann auch das zu langweilig wurde, meinten sie nur: ‚Jetzt spielt euren Kram endlich fertig.‘ Daraufhin haben wir dann unser Set mit kaputten Gitarren und Trommeln beendet und dachten: So ist das also, wenn man live auftritt, haha.“ Gottlob haben sich die Zeiten geändert. Und bei unserem Besuch auf der Kiefernstraße wurde die Sängerin herzlich empfangen. Metaller und Punks haben das Kriegsbeil offenbar schon lange begraben.
Das merkt man auch auf dem Proberaumgelände an der Ronsdorfer Straße, wo Bands beider Stilrichtungen friedlich nebeneinander lärmen. „Der Geruch ist derselbe wie früher“, freut sich Doro, als sie das leicht modrige Odeur der geschichtsträchtigen Kreativschmiede erschnuppert. „Fehlt noch, dass man wie damals knöcheltief im Hochwasser steht. Aber wow, hier sind ja sogar Toiletten, vor denen man keine Angst mehr haben muss, Wahnsinn!“ In den 80ern war „die Ronsdorfer“ ein Paradies für alle Menschen, die mit Musik hautnah in Berührung kommen wollten. Damals konnte man mal eben an einer Tür klopfen und mit etwas Glück der Probe einer Band beiwohnen, die man aus einem Musikmagazin kannte. „Das waren harte, aber auch gute Zeiten“, sagt Doro. Sieht man, wer sich an den Wänden des Gemäuers mit welchen Sprüchen und Botschaften verewigt hat, so liegt der Gedanke nahe, irgendwann mal ein Musiker-Museum aus dem Gebäude zu machen.
Ähnliches gilt für unsere beiden Stationen in der Altstadt. Da wäre zunächst das „Papidoux“, die unzerstörbare Heavy-Metal-Kneipe an der Liefergasse. Unfassbar, aber selbst die roten Plastikpolster der Sitzgarnituren haben die Amtszeiten von mindestens vier deutschen Kanzlern überstanden. Gegenüber der Theke befindet sich die „Wall Of Death“, eine Wand, an der Bilder verstorbener Ikonen prangen: Dio, Hendrix, Burton und natürlich Lemmy. Im Papidoux kommen die Fans jährlich an Lemmys Todestag zusammen und feiern ihren Helden gebührend. Auch Doro blickt mit Ehrfurcht auf diesen Heavy-Metal-Schrein. „Anfang der 80er war ich das erste Mal im Papidoux. Hier haben wir uns mittwochs und samstags immer nach den Proben getroffen, alle Metaller und sämtliche Düsseldorfer Bands. Hier fand man auch Musiker, wenn man mal jemanden brauchte. Die Atmosphäre war einzigartig. Und daran hat sich unglaublicherweise gar nichts geändert.“
Von dieser Atmosphäre kündet auch „Hitsville“. Der letzte traditionelle Plattenladen der Altstadt an der Wallstraße hat die Zeit überdauert. Immer noch findet man dort in den dicht bestückten Regalen ausgesuchte Klassiker, Neuauflagen und Specials auf Vinyl, Beratung inklusive. Doro stöbert und entdeckt auf Anhieb zwei Motörhead-Scheiben, die sie noch nicht in ihrer Sammlung hat. „Das ist genauso wie früher. Man hat sich stundenlang mit einer Platte beschäftigt, sie immer wieder umgedreht und endlos darüber gesprochen. Was war das schön.“
Ebenso schön wie diese Zeitreise mit Düsseldorfs berühmtester Rock-Röhre, die immer mal wieder gerne etwas an ihre Heimatstadt zurückgibt. So sponsert sie aktuell die in der Fußball-Regionalliga kickenden B-Juniorinnen der DJK TUSA 06 Düsseldorf. „Die Mädels sind super und voller Power, das muss man einfach fördern. Und außerdem soll ja auch der Nachwuchs rocken“, sagt sie augenzwinkernd.