Das kreative Rückgrat der Stadt
Düsseldorf ist eine Kunststadt. Das sieht man allerdings…
Nicht nur Kunst, Kultur und Mode ‒ auch das Altbier ist fester Bestandteil der Düsseldorfer Kultur. Die Hausbrauereien gehören seit 150 Jahren und länger zur Altstadt – und die Zutaten für diese lange Erfolgsgeschichte sind immer gleich geblieben: Hopfen, Röstmalz und Wasser.
Die Brauerei Zum Schlüssel braut etwa 20.000 Hektoliter Altbier im Jahr.
An der längsten Theke der Welt wird ein Bier ausgeschenkt, das kaum über Düsseldorf und den Niederrhein hinaus verkauft wird. Das stimmt so manchen Altbierliebhaber traurig, der sich eben irgendwie arrangieren muss, wenn er auswärts das dunkle Obergärige nicht bekommt. Dass sich das Altbier in anderen Regionen ziemlich rarmacht, schadet seiner Erfolgsgeschichte aber nicht. Die Brauereien, oft noch privat und in Familienhand geführt, haben eine lange Tradition. Gleich mehrere Düsseldorfer Hausbrauereien feiern in diesem Jahr ein besonderes Jubiläum. Ein guter Grund, dank ihres Erfahrungsschatzes auf den Punkt zu bringen, warum Altbier eine ganz besondere Marke ist – und es der Düsseldorfer so gern mag.
Hört man sich in den kultigen Gaststätten der Altstadt um, stimmen alle Gastwirte und Biersommeliers überein: Es ist die alte Brau-Art. Deswegen heißt es schließlich auch Altbier. „Und mit seiner dunklen Farbe hebt es sich von 95 Prozent der anderen deutschen Biere ab“, sagt Dirk Rouenhoff, Braumeister des Schlüssel-Altbiers. Das helle Pils wurde erst durch einen technischen Fortschritt zur echten Konkurrenz, denn erst mit der Entwicklung der Kältemaschine von Carl von Linde ab den 1870er-Jahren ließ sich untergäriges Bier ständig brauen. Denn: Sein Gärprozess muss bei niedrigen Temperaturen stattfinden, was früher eben nur im Winter und in kälteren Regionen möglich war. Zu dieser Zeit wurden in Düsseldorf bereits Schumacher, Uerige, Schlüssel und Füchschen ausgeschenkt. 1873, also vor genau 150 Jahren, wurden dann auch die Brauereien Schlösser und Frankenheim gegründet, die heute im Besitz von Großbrauereien sind.
Viel der Geschichte rund um das Düsseldorfer Altbier liegt heute im Dunkeln. Trotzdem ist einiges belegt, manches mündlich überliefert, anderes vielleicht auch eher eine Legende. Das Stammhaus der Brauerei Zum Schlüssel wurde schon 1632 als „Zu den drei Königen“ erwähnt, die heutige Gaststätte aber erst 1913 eröffnet. Gebraut wurde allerdings schon seit 1850. Auch für das historische Patrizierhaus des Uerige wurde der Grundstein wohl schon um 1600 gelegt, ab 1862 braute dort dann der „uerige Willem“– der „schlecht gelaunte Wilhelm“ Cürten – das am stärksten gehopfte Bier in Düsseldorf mit der bittersten Note.
Das Schlüssel Alt ist im Geschmack da schon etwas gefälliger. „Für Auswärtige ist das Altbier sicherlich gewöhnungsbedürftig. Aber wenn sie es probiert haben, erleben sie in der Regel immer einen schönen Abend“, sagt Braumeister Dirk Rouenhoff.
Beide Brauereien erlebten zwischenzeitlich einen Eigentümerwechsel, die Brauerei Schumacher hingegen wird immer noch von der Gründerfamilie geführt. Sie feiert in diesem Jahr 185. Geburtstag. Chefin Nina Thea Ungermann ist die sechste Generation und wohnte mit ihren Eltern bis zu ihrem siebten Lebensjahr noch im Stammhaus an der Oststraße. Als Kind wuselte sie immer in Gaststätte und Brauerei herum. „Das Familiäre zeichnet die Hausbrauereien aus. Hier kommen Eltern und Großeltern mit den Kindern hin, die dann eine Limo trinken dürfen und später selbst als Erwachsene zu uns kommen und sich daran erinnern, dass sie hier schon mit ihrem Opa gewesen sind“, erzählt Ungermann.
Die Brauerei Im Füchschen feiert 2023 ihr 175-jähriges Bestehen. Die Urgroßeltern des heutigen Inhabers Peter König übernahmen den Betrieb im Jahr 1908. Eine solche Tradition verpflichtet. „Ich habe schon mit vier, fünf Jahren auf die Frage, was ich werden will, geantwortet: Chef“, erzählt er. Damals wusste er sicher nicht, was damit auf ihn zukommen würde. „Letztendlich bin ich aber so erzogen und darauf vorbereitet worden. Weil ich da hineingewachsen bin, ist es für mich wahrscheinlich etwas leichter, für eine solche Tradition verantwortlich zu sein, als für jemanden, der von außen kommt“, sagt König. Andererseits werden die heutigen Chefs irgendwann auch daran gemessen werden, ob die Tradition erhalten geblieben ist. „Das Altbier ist ein Stück Kultur von Düsseldorf, dementsprechend sollte man auch handeln und es in die Welt hinaustragen“, sagt Nina Thea Ungermann. „Ein Fokus liegt darauf, den Betrieb in die nächste Generation zu führen“, sagt Michael Schnitzler, Inhaber des Uerige. Einher gehe damit die Herausforderung, auch als Traditionsbetrieb „die Transformation zur Digitalisierung zu schaffen“.
Aber: Vor allem die mit dem Düsseldorfer Altbier verbundene Ungezwungenheit sollte bewahrt werden. „Altbier wird gerne im Stehen getrunken. Der Kellner geht mit einem vollen Tablett rum und gibt den Gästen so viele Biere, wie sie wollen. Das sieht man sonst nirgends, außer in Düsseldorf“, sagt Hans-Peter Schwemin. Der Gastronom war schon lange in der Altstadt tätig, bevor er 2010 mit dem Kürzer die jüngste Hausbrauerei in Düsseldorf eröffnete. Sie hat das Flair einer Studentenkneipe. Und so sieht man drinnen und draußen vor der Tür auch viele junge Gäste ein Bierchen trinken.
Wird das Alt also gerade unter den Jungen wieder beliebter? Erlebt es gar eine kleine Renaissance? Ein paar Trends lassen sich durchaus erkennen. „Stärker gehopfte Biere werden wieder gefragter“, sagt Michael Schnitzler. „Schade ist aber, dass dieser Trend aus den USA durch neue Biersorten herüberschwappt, obwohl wir die stark gehopften Biere schon immer in Deutschland hatten“, so der Uerige-Chef weiter. Viele Menschen holen sich ihr Altstadterlebnis aber inzwischen auch gerne nach Hause. In den Getränkemärkten sind die Hausbrauereien mittlerweile sehr präsent. „Die Nachfrage ist da, denn der Handel legt inzwischen mehr Wert auf regionale Produkte und Nachhaltigkeit“, sagt Nina Thea Ungermann. Schließlich sei Altbier auch etwas für alle Lebenslagen: „Im Sommer zum Grillen, im Winter zum Karneval“, so Ungermann. Und Peter König vom Füchschen ergänzt: „Die Düsseldorfer stehen zu ihren Hausbrauereien und pflegen eine gewisse Markentreue.“ Und da ist es doch gut, dass die Düsseldorfer Hausbrauereien Kriege und Krisen überstanden haben, aus Ruinen wiederauferstanden sind und bei aller Globalisierung und einem immer schnelleren Wandel der Tradition ihres Altbiers und seiner Bodenständigkeit treu geblieben sind. Eine echte Düsseldorfer Erfolgsgeschichte aus Hopfen, Röstmalz und klarem Wasser.
Zuständige fürs Hausgebraute
Fernsehwerbung
„Es gibt kein Bier auf Hawaii“, sang Paul Kuhn in dem bekannten gleichnamigen Schlager. Das entspricht aber sicher nicht der Wahrheit. Es gibt dort sogar Düsseldorfer Alt, zumindest in der Fernsehserie „Magnum“, die auf Hawaii spielt – und ein Lieblingsgetränk des Protagonisten Thomas Magnum ist Düsseldorfer Altbier. Im Original heißt es Old Düsseldorf, aber die deutsche Synchronisation hat hier gute Arbeit geleistet. So war dies in der kultigen TV-Serie sozusagen ein unbeabsichtigtes „product placement“ … anders als mit dem roten Ferrari.
Altbier international
Die Brauerei Uerige ist unter den Düsseldorfer Altbiermarken besonders umtriebig beim weltweiten Vertrieb. Großhändler, unter anderem aus den USA, Japan und Brasilien, kaufen in Düsseldorf ein. Um es in den jeweiligen Ländern dann zu bekommen, muss man aber Glück haben. So gibt’s Uerige zum Beispiel in New York und Los Angeles, und zwar nicht nur im Handel, sondern auch in Pubs. Allerdings sind die Gaststätten dort, anders als in Deutschland, nicht so fest an bestimmte Brauereien gebunden, sodass ein Uerige frisch vom Fass auch nur ein kurzzeitiges Angebot sein kann. Die Brauerei Zum Schlüssel hatte vor rund zehn Jahren eine Kooperation mit der Creemore Springs Brauerei in Ontario, Kanada, und das Kürzer hat seinen Vertrieb in Japan und in Russland mittlerweile wieder eingestellt.
Das größte Altbierglas der Welt
Ein Baugerüst rund um den Schlossturm in Düsseldorf nutzte die Brauerei Diebels im Jahr 2000 für eine Werbeaktion, indem sie dieses mit einer 20 Meter hohen Plane und bedruckt mit einem übergroßen Altbierglas umspannen ließ. Laut eigenen Angaben hätten dort hinein drei Millionen Liter, also 15 Millionen Gläser Altbier, gepasst.
Das Altbierlied
„Ja sind wir im Wald hier, wo bleibt unser Altbier? Wir haben in Düsseldorf die längste Theke der Welt …“ – das Altbierlied genießt Kultstatus. Komponiert von Hans Ludwig Lonsdorfer wurde es ab 1973 im Karneval gespielt. Zum Gassenhauer wurde es, als ab 1975 die Fans der Düsseldorfer EG das Lied vor jeder Partie aus vollen Kehlen sangen. 1978 gewann Hans Lötzsch damit die Karnevalistische Hitparade im WDR. 1986 veröffentlichen die Toten Hosen eine Version auf ihrem Album „Damenwahl“. Ursprünglich in Auftrag gegeben wurde das Lied übrigens von der Brauerei Schlösser.
Vom Bäcker zum Brauer
Einst war es Bäckern vorbehalten, mit Hefe zu arbeiten, und so schaffte sich mancher ein zweites Standbein als Brauer. Wie Jakob Schweder, der 1850 das Haus „Zum Schlüssel“ erwarb und dort eine Bäckerei und Brauerei eröffnete. 1850 gilt daher als Gründungsjahr der Hausbrauerei. Auch ein Bäckersbursche namens Schlösser wollte von diesem Kuchen etwas abhaben und sattelte um. 1873 eröffnete er seine Brauerei an der Ratinger Straße. Und damit erklärt sich auch der Begriff „flüssiges Brot“.