Begeistert für Düsseldorf
Warum brauchte es 1989 einen Zusammenschluss wie die…
Biochemiker, Start-up-Gründer, Gastronom: Wenn Dr. Shukry Na‘amnieh ein Projekt zum Fliegen gebracht hat, reizt es ihn gleich, etwas Neues aufzubauen – mehr als einmal in einer ganz anderen Branche, aber stets mit der gemeinsamen Konstante, erfolgreich zu sein.
Shukry Na‘amnieh möchte den Menschen, zum Beispiel mit seinem Restaurant Arabesq, die arabisch-orientalische Kultur vermitteln.
Die einen kennen ihn als Biotech Unternehmer, der das auf nachhaltige Thunfischzucht spezialisierte Unternehmen Tuna Tech mitgegründet hat. Anderen ist Dr. Shukry Na‘amnieh als Inhaber von Gastronomiebetrieben bekannt, allen voran das Arabesq in Grafenberg. Doch das ist bei Weitem noch nicht alles.
Wer bei dieser unternehmerischen Vielseitigkeit einen gestressten Manager erwartet, wird überrascht. Na‘amnieh strahlt eine Ruhe aus, die sich wohl am ehesten durch seine persönliche Entwicklung erklären lässt. Er entdeckt in jedem Projekt, das er anpackt, „eine Bereicherung, die etwas mit uns macht, uns verändert“. Denn bei jedem Vorhaben gebe es Probleme und für diese auch Lösungen.
Der Erfolg ist dem in Nazareth aufgewachsenen Palästinenser mit israelischem Pass nicht einfach zugeflogen. Er hat ihn sich hart erarbeitet. In den 90ern kam Na‘amnieh nach Deutschland, um hier zu studieren. Eine erste Hürde war die Sprache – immerhin hatte sich der angehende Student ein anspruchsvolles Fach ausgesucht: In Kassel nahm er ein Bauingenieur-Studium auf.
Das mit der Sprache klappte sehr gut, aber das Fach gefiel ihm nicht. Er hörte, dass in der Biochemie die Zukunft liege. „Das war was Neues, und auch ich wollte etwas Neues machen.“ Na‘amnieh wechselte Fach und Studienort, zog um nach Düsseldorf, studierte hier die neuen verheißungsvollen Technologien. Der angehende Wissenschaftler beschäftigte sich mit Enzymen, die in der Pharmakologie zum Einsatz kommen können.
Im Forschungszentrum Jülich entwickelte der Molekularbiologe während seiner Doktorarbeit ein Produkt, das patentiert wurde. Damit legte er den Grundstein für sein erstes Start-up: 2002 gründete er die Firma X-Zyme, die er allein aufbaute. Auch bei der Finanzierung stand Na‘amnieh allein da. Er wusste, das Geschäftsmodell wird funktionieren. Sogar Start-up-Preise hatte er für seine Ideen bekommen. Aber Banken und Investoren hielten sich zurück. So fuhr Na‘amnieh sogar nachts Taxi, um das Geld zusammenzubekommen für den Kauf der für die Forschung notwendigen Geräte. Nach vier Jahren erlebte der Jungunternehmer mit X-Zyme den Durchbruch.
Diese Erfahrung hat ihn geprägt, und er hat sie immer wieder gemacht: Wer etwas Neues anfängt, muss davon überzeugt sein, auch wenn Geldgeber oder Kunden zunächst abwarten. Man muss sparsam sein und hart arbeiten. Der Wissenschaftler rief weitere Biotech-Firmen ins Leben, die neue Enzym-Technologien nutzten, zum Beispiel Multi Bind Biotec oder Rhein Cell Therapeutics. „Wenn mich etwas reizt, dann handele ich schnell, entschlossen“, erklärt Na‘amnieh. Mit jeder Gründung sammelte er Erfahrungen. Eine GmbH zu gründen ist daher für ihn schon fast Routine.
2015 erfuhr Na‘amnieh von einem Projekt, das ihn fesselte: Wissenschaftler arbeiteten an Konzepten für eine nachhaltige Zucht von Blauflossenthunfischen. Wegen Überfischung zählen Thunfische zu den bedrohten Tierarten. Dem Team gelang der Durchbruch, der bisher noch niemandem gelungen war: Die Tiere laichten in Aquakultur ab. Nun stand der Weg für eine Zucht offen, die dazu beitragen würde, die Bestände zu sichern.
Der Wissenschaftler erkannte das Potenzial, sprach die Forscher an. Gemeinsam bauten sie das Unternehmen Tuna Tech auf, entwickelten in Malta eine Thunfischzucht und richteten in Ägypten Fischfarmen ein. Die Thunfische gehen in den Großhandel, vor allem nach Japan, den größten Thunfisch-Importeur der Welt. Das Düsseldorfer Forscherteam arbeitet daran, die Zucht noch effizienter zu machen, und in Ägypten sind mehr als 40 Mitarbeiter beschäftigt.
Tuna Tech wuchs zum größten Projekt, das Na‘amnieh bis dato angepackt hatte. Er verkaufte einige Unternehmen, konzentrierte sich auf die Thunfisch-Firma, arbeitete aber weiter an dem einen oder anderen Projekt der Enzymtechnologie. Parallel wandte er sich der Gastronomie zu. „Ich koche gerne“, sagt Na‘amnieh. Und er wolle die arabisch-orientalische Kultur den Menschen vermitteln, das Ambiente und die Gastfreundschaft.
All dies hat er 2012 im Restaurant Arabesq umgesetzt. Wer dessen Räume betritt, fühlt sich gleich in die Levante versetzt. Im vergangenen Jahr folgte der Ableger Samaq by Arabesq, ein kleineres Restaurant an der Moorenstraße. Das Wort Samak kommt aus dem Arabischen und bedeutet Fisch. Und natürlich gibt es dort auch Thunfisch: als Bowl, Burger oder im Weinblatt gerollt. Es sind solche Querverbindungen, die ihn erfolgreich machen.
Auch hat Na‘amnieh seine Unabhängigkeit ausgebaut. Das denkmalgeschützte „Jägerhaus“ in Grafenberg, in dem das Arabesq seinen orientalischen Charme verbreitet, hat er gekauft. Investitionen in Immobilien sind übrigens ein weiterer Baustein, die zu seinem Erfolg beitragen. So hat er auch Schloss Garath erworben – und dort wieder etwas Neues aufgebaut: eine Akademie für Hochschulabsolventen, Manager und Führungskräfte aus dem Ausland, die eine Aufgabe in Deutschland suchen. Das neue Projekt startete im Januar.
Dort werden die Akademiker nun auf das Berufsleben hierzulande vorbereitet. Unter ihnen sind Ärzte, BWLer, Ingenieure oder auch IT-Experten. Na‘amnieh möchte ihnen auch einen Zugang zu deutschen Unternehmen vermitteln. Dafür muss er zurzeit noch viel Überzeugungsarbeit leisten. Die Unternehmen kennen seine Einrichtung noch nicht, aber das war bei seinen bisherigen Projekten nicht anders und kein Hinderungsgrund. Als seine Firmen auf der Erfolgsspur waren, kamen Interessenten und Anbieter von sich aus auf Na‘amnieh zu und boten ihre Leistungen an.
Die Akademiker wohnen übrigens zum Teil in Häusern, die Na‘amnieh gehören und werden unter anderem durch seine Gastronomie versorgt – Stichwort Querverbindungen. Das gilt auch für Events, die in seinen Restaurants, zu denen seit vier Jahren auch die Bar Au Quai im Medienhafen zählt, möglich sind – alles ist miteinander verbunden. Zehn Unternehmen hat Na‘amnieh bisher gegründet, zurzeit ist er an sechs Firmen parallel beteiligt oder leitet sie. „Es geht dabei nicht in erster Linie um Geld“, sagt der Unternehmer. „Die Frage lautet: Was kann ich bewegen, verändern?“ Immer wieder Neues schaffen – die Firmen sind für Na‘amnieh Werkzeuge einer Arbeit an sich selbst. „Ich selbst bin das Projekt, das dabei an seiner besten Version arbeitet.“
Jürgen Grosche