„Wir müssen uns dem Konkurrenzkampf stellen“
Auf die Frage, wie die ersten Wochen im…
Nach mehr als 155 Jahren Stadtwerkegeschichte ist erstmals eine Frau Mitglied des Vorstands: Dr. Charlotte Beissel. Eingestiegen während Corona kam nach kurzer Verschnaufpause schon die nächste Herausforderung: die aktuelle Energiekrise. Das Top Magazin sprach mit der Frau, die für eine größere berufliche Gestaltungsfreiheit ihren Beamtenstatus aufgab, in die männerdominierte Energiebranche einstieg und jetzt kein geringeres Ziel hat als die digitale Transformation und damit einen massiven kulturellen Wandel in einem Traditionsunternehmen.
Die erste Frau im Vorstand der Stadtwerke Düsseldorf: Dr. Charlotte Beissel
Frau Dr. Beissel, sicher ist ein Jurastudium eine gute Voraussetzung für eine Karriere wie Ihre. Wollten Sie immer schon Juristin werden?
Nicht unbedingt, aber die Vernunft hat nach dem Abitur über die Leidenschaft gesiegt. Ich hätte sehr gern Geschichte studiert und hatte mich dafür auch bereits in Freiburg beworben. Gleichzeitig konnte ich aber über die damalige ZVS ein Jurastudium in Bayreuth beginnen. Ich habe es mit Jura versucht und schnell festgestellt, dass mich Verfassungsrecht und öffentliches Recht sehr interessieren. Aus diesem Grund habe ich während meines Referendariats in der Bundestagsverwaltung in Berlin gearbeitet. Das war großartig, denn dort hatte ich die Möglichkeit, in ganz viele Bereiche der Juristerei hineinzuschauen. Außerdem hatte ich den Wunsch, sinnvoll und gemeinwohlorientiert zu arbeiten – diese Möglichkeit ergab sich nach meinem Examen beim Bundesverband Deutscher Stiftungen in Berlin. Dort habe ich mit großer Freude Stiftungsgründungen begleitet. Meiner Leidenschaft für Geschichte und Kunst gehe ich weiterhin privat sehr gerne nach.
Anschließend haben Sie dann mehr als sieben Jahre für die Stadt Düsseldorf gearbeitet, sich dort von der juristischen Tätigkeit weg und hin zum Personalmanagement orientiert. Auch bei den Stadtwerken waren Sie zunächst Leiterin Personal und sind heute als Vorstandsmitglied unter anderem für diesen Bereich zuständig. Wie kam es dazu?
Das hat sich erfreulicherweise so entwickelt. Ich glaube, mein Werdegang ist dadurch geprägt, dass ich immer schon gerne etwas Neues aufgebaut habe und dafür die Extrameile gegangen bin. Vielfach habe ich Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Fachbereichen zusammengebracht und Projekte erfolgreich gesteuert. Das hat dann im Ergebnis auch zu der erforderlichen Sichtbarkeit geführt. So hat mich irgendwann der damalige OB eingeladen, mich für die Personalamtsleitung zu bewerben, und alles nahm seinen Lauf. Gute Personal- und Führungsarbeit ist für die Unternehmensentwicklung von entscheidender Bedeutung, wie ich inzwischen aus eigener Erfahrung weiß. Für die digitale Transformation zum Beispiel ist die Arbeit mit Menschen ebenso wichtig wie moderne Technologie. Intelligente Prozesse und Geschäftsmodelle werden schließlich von Menschen gestaltet. Das heißt, Unternehmen müssen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Veränderung öffnen, sie befähigen und für die Digitalisierung weiterqualifizieren. Personalarbeit ist aktuell eine herausfordernde und reizvolle Aufgabe.
Was hat Sie denn damals bewogen, zu den Stadtwerken zu wechseln und dafür sogar Ihren Beamtenstatus aufzugeben?
Das ist mir nicht leichtgefallen, weil ich eine erfüllende Aufgabe mit Perspektive bei der Stadtverwaltung hatte. Gelockt hat mich, dass die Personalleitung bei einem der größten Stadtwerke Deutschlands noch mal andere Gestaltungsmöglichkeiten versprach. Natürlich brauchte ich damals auch Mut für diesen Branchenwechsel, aber für mich war schnell klar, dass ich diese Chance nutzen will.
Als Vorstandsmitglied ist Ihr Gestaltungsspielraum ja nun noch deutlich größer geworden. Was sind Ihre Hauptaufgaben in dieser Position?
Als Vorstandsmitglied für Personal und IT habe ich unter anderem die Aufgabe, strategische Unternehmensziele mit dem Gesamtvorstand festzulegen und dann gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus den Fachbereichen umzusetzen. Aktuell gehört in meinem Geschäftsbereich dazu, eine strategische Personalplanung, die Positionierung als attraktiver Arbeitgeber und die digitale Transformation voranzutreiben. Unternehmensintern haben wir uns einen kulturellen Wandel zum Ziel gesetzt, schaffen neue Arbeitswelten und stärken unsere bereichsübergreifende Zusammenarbeit. Darüber hinaus – und das ist mir sehr wichtig – bin ich als Arbeitsdirektorin die Vertreterin der Arbeitnehmerinteressen im Vorstand. Dazu gehört unter anderem, für eine gute interne Kommunikationskultur zu sorgen.
Gelingt Ihnen das?
Das Feedback ist sehr positiv, worüber ich mich natürlich freue.
Wie ist es, als Frau in einer Führungsposition in einem Traditionsunternehmen wie den Stadtwerken zu arbeiten?
Zunächst einmal bin ich sehr herzlich aufgenommen worden. Seit meinem Start im Jahr 2017 hat sich einiges verändert und wir sind diverser aufgestellt. Wir haben Kolleginnen in Führung hinzugewonnen; sowohl die Spitze des Betriebsrats als auch der Aufsichtsratsvorsitz ist inzwischen mit Frauen besetzt. Für mich sind diverse Teams und sich ergänzende Kompetenzen stets ein großer Gewinn in der Zusammenarbeit. Zudem habe ich die Erfahrung gemacht, dass sich Herausforderungen und Krisen in gemischten Teams besser bewältigen lassen.
Was raten Sie Frauen, die Karriere machen wollen?
Frauen sollten mutig sein, die Abenteurerin in sich selbst zulassen, auch einfach mal etwas ausprobieren und – ganz wichtig – sich jederzeit des eigenen Werts bewusst sein.
Und wie geht es Ihnen nun nach einem Jahr als Vorstandsmitglied?
Sehr gut – auch wenn ich mir das Jahr vorher sicher etwas anders vorgestellt hatte. Nach dem ersten Abebben der Coronapandemie hatten wir uns zunächst darauf konzentriert, neue Arbeitswelten und hybrides Arbeiten zu etablieren. Seit dem Beginn des Ukrainekriegs mit seinen Auswirkungen auf die Energiewirtschaft hat sich das Tagesgeschäft erneut verändert. Im Vorstand und mit unserem eigenen Krisenstab konferieren wir wöchentlich, um für Versorgungssicherheit zu sorgen, für unsere Kundinnen und Kunden einigermaßen verträgliche Lösungen zu finden und gleichzeitig die Stabilität des Unternehmens zu gewährleisten. Im Krisenmanagement schätze ich mein juristisches Studium sehr, denn es muss ja oftmals Ermessen ausgeübt oder ein Interessensausgleich geschaffen werden – und dafür wird man ausgebildet. Selbstverständlich lässt die aktuelle Situation niemanden von uns im Vorstand kalt – Empathie zu zeigen und sich sozial zu engagieren, ist uns sehr wichtig.
In dieser Situation weiten Sie Ihr persönliches Engagement für verschiedene gemeinnützige Organisationen noch einmal aus – neben Ihrem Ehrenamt im Präsidium des Deutschen Roten Kreuzes Düsseldorf werden Sie die Bürgerstiftung Düsseldorf als Botschafterin unterstützen. Warum?
Ehrenamtlich engagiert habe ich mich immer schon, war beispielsweise bereits als Jugendliche mehrere Jahre Schülersprecherin. Kurzzeitig habe ich bürgerschaftliches Engagement sogar zum Beruf gemacht, als ich für den Bundesverband Deutscher Stiftungen in Berlin tätig war. Die Arbeit der Bürgerstiftung verfolge ich dementsprechend schon lange und finde es sehr gut, wie eine solche gemeinnützige Organisation gerade in Krisenzeiten schnell und unbürokratisch vor Ort helfen kann. Deshalb habe ich mich über die Anfrage gefreut, für ein Jahr Botschafterin der Spendenaktion „Düsseldorf setzt ein Zeichen“ zu sein und unterstütze die Bürgerstiftung sehr gerne.
Sie haben einen herausfordernden Job und engagieren sich ehrenamtlich. Da bleibt sicher nicht viel Zeit für Familie und Freizeit. Was machen Sie, wenn Sie nicht arbeiten?
Ich bin ein großer Berlin-Fan und liebe diese Stadt und ihren rauen Charme. Mindestens zweimal im Jahr muss ich unbedingt ein paar Tage dort verbringen und Hauptstadtluft schnuppern. Zudem sind mir Kunst und Kultur ganz wichtig. Das Angebot – auch für Kinder – ist in Düsseldorf besonders vielseitig, das schätze ich an meiner Heimatstadt sehr. Und wann immer ich Zeit habe, freue ich mich über Gäste – ich bin von Herzen gern Gastgeberin.
Das Interview führte Beate Werthschulte.
Beate Werthschulte