„Wir müssen uns dem Konkurrenzkampf stellen“
Auf die Frage, wie die ersten Wochen im…
Happy Birthday! Im November 1922 lächelte die Werbefigur für Persil zum ersten Mal von einer Plakatwand. Henkel war ein Coup gelungen, der Werbefachleute bis heute ins Schwärmen geraten lässt.
1922 gelingt Henkel mit Einführung der Weißen Dame ein echter Marketing-Coup.
Sie scheint von einer Windböe überrascht worden zu sein. Ihr weißes Kleid schwingt, und den Hut auf ihrem Kopf hält sie mit einer eleganten Bewegung am Platz. Geradewegs blickt die blonde Frau ihrem Gegenüber in die Augen, fast so, als habe sie eine Geschichte zu erzählen. In diesem Jahr feiert sie ihren 100. Geburtstag: die Weiße Dame von Persil. „Diese Anmut“: Wer den Düsseldorfer Werbefachmann und Träger des Deutschen Mediapreises Thomas Koch nach der Weißen Dame fragt, der erlebt, wie er ins Schwärmen gerät. Es habe in den 1920er-Jahren Millionen Zeichnungen von Frauen gegeben. „Aber diese Anmut“, sagt Koch. Sie sei einmalig – auch nach 100 Jahren.
Es ist wahrscheinlich das Gesicht von Erna Muchow, das Werbegeschichte schreibt. Die 18-Jährige lebt Anfang der 1920er-Jahre in Berlin zusammen mit dem Künstler Kurt Heiligenstaedt. Der hat sich mit Zeichnungen im politischen Satiremagazin „Simplicissimus“ einen Namen gemacht. „Der Auftrag von Henkel hat aber keine politische Dimension“, ist sich Thomas Koch sicher. Ganz im Gegenteil. Es sei üblich gewesen, dass in den 1920er-Jahren namhafte Künstler für Plakatreklame im Einsatz waren.
Das Düsseldorfer Unternehmen beauftragt den Berliner Künstler damit, eine Werbefigur für sein Waschmittel zu erschaffen. Dieses sorgt bereits seit 1907 für Furore, weil die Hausfrau mit dem revolutionären Waschmittel zum ersten Mal nicht mehr reiben, schwenken und kneten muss, um der Flecken in der Kleidung „Frau“ zu werden. Das neue Waschmittel sorgt dafür, dass beim Kochen der Wäsche fein perlender Sauerstoff freigesetzt wird, der den Schmutz ganz ohne kräftezehrende Arbeit entfernt. Das Produkt hatte sich also auch ohne Werbefigur schnell einen Namen gemacht.
Anfang der 1920er-Jahre beginnt nun aber die große Zeit der Plakatwerbung – und Kurt Heiligenstaedt soll dem Produkt ein Gesicht geben. Also geht er mit seiner Freundin Erna Muchow in ein Modehaus am Berliner Alexanderplatz und kauft ihr ein weißes Kleid von der Stange, dazu einen Florentiner Hut. In seinem Atelier steht die junge Frau ihm Modell – mit einem Persil-Karton im Arm: Die Weiße Dame ist geboren. In den kommenden Jahrzehnten erlebt sie einen unvergleichlichen Triumphzug. Sie lacht von Plakaten und riesigen Werbewänden, von Persil-Uhren, die im ganzen Land zu beliebten Treffpunkten werden.
„Henkel hat damals eine Figur für die Ewigkeit geschaffen“, sagt Koch. Das Geheimnis des Erfolgs liege vor allem darin begründet, dass Henkel die Figur über Jahrzehnte eingesetzt habe. „Damit macht man etwas zur Ikone“, sagt der Werbefachmann. Auch heute noch habe jeder das Gefühl, die Dame zu kennen. „Keiner weiß so genau, woher“, sagt Koch, „aber das muss man erst mal schaffen.“ Henkel schafft es. Wer die Weiße Dame künftig auf einem Plakat oder auf einer Uhr entdeckt, der verbindet sie mit Persil – auch 100 Jahre nach ihrer „Geburt“. Sie brauche das Mittel nicht einmal in der Hand zu halten, sagt Koch. „Die Dame wird mit dem Produkt verbunden“, sagt er, „das ist eine Kunst, die verloren gegangen ist.“ Langlebige Kunstfiguren in der Werbung gebe es heute nur noch selten. „Dabei steckt in diesen Figuren so viel Kraft“, betont der Werbeprofi, „das ist ganz und gar nicht altmodisch.“
Zumal die Weiße Dame mit der Zeit geht: Schon vier Jahre nach dem ersten Plakat entsteht ein zweites. Die selbe Dame im selben Kleid hält blonde Zwillinge an den Händen – mit weißen Socken, schwingenden Kleidchen und grünen Persil-Schachteln in den Armen. 1930 reicht das weiße Kleid der Dame nicht mehr über die Knie, die Haare sind etwas dunkler geworden, der Kragen steht etwas höher, der Hut ist verschwunden. Und auf dem Plakat, mit dem das Düsseldorfer Unternehmen 1950 wirbt, trägt die Weiße Dame ein figurbetontes flottes Kleid und hat forsch eine Hand in die Hüfte gestemmt. „Natürlich muss sich die Zeichnung einer Frau verändern, so wie sich auch die Welt verändert“, sagt Thomas Koch, „sonst fällt sie aus der Zeit. Aber die Weiße Dame ist erkennbar geblieben. Henkel hatte den Mut, ihr treu zu bleiben.“ Der Mut wird belohnt: Die Bildsprache kommt auch 30 Jahre nach der Geburt der Weißen Dame an. „Im Grunde kaufen doch auch heute noch junge Frauen und Männer Persil, weil ihre Mütter Persil gekauft haben“, sagt Koch, „Persil ist Persil geblieben. Und genauso ist es der Weißen Dame ergangen.“
Henkel gelingt noch ein weiterer Coup: Bereits seit 1925 grüßt die Weiße Dame die Menschen in Deutschland auch von großen Standuhren in den Innenstädten. Denn in vielen deutschen Metropolen stellt Henkel die massiven 5,50 Meter hohen Uhren auf und macht sie zum Treffpunkt für die Menschen. Auch am Firmenstandort Düsseldorf finden zeitweise bis zu zehn Persil-Uhren ihren Platz – wie auf der Königsallee. „Das hat etwas Geniales“, sagt Thomas Koch, „die Figur wird in das reale Leben der Menschen geholt, sie gehört selbstverständlich dazu. Etwas Besseres konnte den Uhren gar nicht passieren.“ Im Krieg werden viele Exemplare zerstört, aber dank einer großen Kampagne zum Persil-Jubiläum kehren in den 1980er-Jahren die Persil-Uhren in viele große deutsche Städte zurück – wie an den Burgplatz in Düsseldorf. 1984 enthüllen der damalige Oberbürgermeister Josef Kürten und Konrad Henkel gemeinsam eine neue Uhr. Bis heute hängen viele Düsseldorfer an ihren Persil-Uhren. Sie sind zum zeitgenössischen Zeichen für die industrielle Geschichte der Stadt geworden. Als die Uhr mit der Weißen Dame in Holthausen im August 2016 verschwindet, klingelt in der Bezirksverwaltung gleich mehrfach das Telefon. Des Rätsels Lösung: Ein Autofahrer hat die Uhr auf dem Kamper Acker, ganz in der Nähe des Henkelwerks, angefahren. Aber die Weiße Dame kehrt schließlich repariert zurück. Auch als die Persil-Uhr in Oberkassel wegen des Baus des Hochbahnsteigs am Luegplatz vorübergehend abgebaut werden muss, protestieren die Düsseldorfer. Inzwischen ist die Weiße Dame zurück an ihrem Platz.
100 Jahre, ungezählte Plakate, einen Fernsehspot und viele Persil-Uhren später hat Henkel die Weiße Dame in den wohlverdienten Ruhestand geschickt. Neue Gesichter bekommt die Werbe-Ikone schon seit den 1960er-Jahren nicht mehr. „Ich wünsche mir, der Weißen Dame wieder öfter zu begegnen“, sagt Thomas Koch, „die Idee funktioniert immer noch.“ Dann lacht er, blickt auf die Plakate aus den 1920er-Jahren und ergänzt: „Herzlichen Glückwunsch, Weiße Dame!“
Bürgermeister Josef Hinkel
„Ich bin mit fünf Geschwistern aufgewachsen – da war Wäsche immer ein großes Thema. Die Weiße Dame war sehr präsent und für uns das Aushängeschild von Persil. Heute ist sie für mich vor allem eine schöne Erinnerung an meine Kindheit. Manchmal begegnet sie mir noch im Stadtbild. Ich wünsche der Weißen Dame zum 100. Geburtstag alles Gute. Sie soll immer so frisch und duftend bleiben – wie unsere Wäsche.“
Intendantin des Düsseldorf Festivals Christiane Oxenfort
„Die Weiße Dame und vor allem die Persil-Uhr sind für mich mit unserem Düsseldorf Festival verbunden, denn auf dem Burgplatz steht ein Exemplar. Richtig bewusst ist mir nicht, seit wann ich Persil mit der Weißen Dame in Verbindung gebracht habe, gefühlt aber schon seit meiner Kindheit. Und natürlich steht da noch diese Blechdose auf meiner Waschmaschine. Ich gratuliere unserem Düsseldorfer Unternehmen Henkel ganz herzlich zu diesem Jubiläum und der immer noch funktionierenden Marketingidee.“
Igedo-Geschäftsführerin Ulrike Kähler
„Wenn ich an die Weiße Dame von Persil denke, bin ich sofort wieder im Garten meines Elternhauses: Wir hatten eine große Wäschespinne, an der regelmäßig die weißen Tischtücher und Stoffservietten hingen, und daneben stand immer eine große Persil-Tonne mit der Werbe-Ikone drauf. Diese Tonnen wurden aber nicht weggeschmissen, sondern weiterverwendet, etwa für Spielzeug oder Lego. Die Weiße Dame hat mich nicht nur die ganze Kindheit über begleitet, ich fand sie auch immer wunderschön und elegant. In diesem Sinne: Alles Gute zum 100. Geburtstag, Weiße Dame!“
Theresa Demski