„Wir müssen uns dem Konkurrenzkampf stellen“
Auf die Frage, wie die ersten Wochen im…
Städte befinden sich – wie wir alle, wie Unternehmen, Gesellschaften und Staaten – derzeit unter einem Veränderungsdruck wie wohl selten zuvor. Die IHK hat Vorschläge erarbeitet, wie Düsseldorf krisenfest und wandlungsfähig gemacht werden kann.
Ein Blick in die Glaskugel? Mitnichten! Die Vorschläge der IHK und von Raumwerk D sind realistische Zukunftsszenarien, um Düsseldorf für die Herausforderungen der Zukunft zu wappnen. Hier: der Bilker Bahnhof
Die Corona-Pandemie hat den Anpassungsdruck deutlich vor Augen geführt. Ganze Branchen wie Gastronomie, Messewesen oder Verkehr müssen abrupt ihre Kapazitäten herunter- und wieder hochfahren. Homeoffice hat sich neben der Videokonferenz als probate Arbeitsweise etabliert. Menschen kaufen noch mehr online als zuvor.
All das hat Auswirkungen auf die Stadtentwicklung. Immobilien müssen flexi-bler nutzbar sein – heute als Büro, morgen als Wohnraum. Einkaufsviertel müssen auf den Wandel im Kaufverhalten reagieren. Und zum aktuellen Veränderungsdruck kommen Megatrends dazu, die ihrerseits massive Anpassungen verlangen, zum Beispiel der Klimawandel und die Digitalisierung. Wie sieht die Stadt der Zukunft aus, wie sollte sie gestaltet werden? Dazu gibt es bereits einige Initiativen. Düsseldorf hat zusammen mit zahlreichen weiteren Akteuren das „Raumwerk D“ etabliert, ein gesamtstädtisches städtebauliches Entwicklungskonzept. Die IHK Düsseldorf hat im Frühjahr diese Prozesse ergänzt um das Positionspapier „Stadt der Zukunft“ mit Überlegungen, wie es der Stadt gelingen kann, auch künftig ihre Attraktivität als Wirtschaftsstandort zu behalten. Die Wirtschaft will damit einen starken Impuls für die Stärkung der Stadt geben. Es geht um die Resilienz, wie man heute gerne sagt, also darum, schnell auf Krisen zu reagieren, sich anzupassen an Veränderungen. Einige der Vorschläge der IHK und der Unternehmer sind spektakulär, alle aber durchaus umsetzbar. Ein kurzer Überblick.
Versorgung: Aufenthaltsqualität vielfältig gestalten
Unter dem Stichwort „Versorgung“ haben die Initiatoren vieles zusammengefasst. Darunter fallen Konzepte für „Urban Gardening“, also die Nutzung von Gebäuden auch für Bepflanzungen bis hin zur Produktion von Lebensmitteln, hier beispielhaft gezeigt, wie das auf dem Parkhaus am Carlsplatz aussehen könnte.
Insgesamt geht es aber um mehr: Versorgung mit Dienstleistungen, Gastronomie, Gesundheits-, Bildungs-, Verkehrs- und Digitalinfrastruktur oder kulturellen Angeboten. Die Menschen sollen gerne in Düsseldorf leben.
Für Aufenthaltsqualität und Erlebnis gibt es einige Ideen: die Stadt grüner zu gestalten und dazu auch Gebäudeflächen zu nutzen, brachliegende Flächen besser und schneller zu erschließen, Gebäude aufzustocken. Für manche Viertel gebe es schon lange Pläne, die aber bislang nicht umgesetzt worden seien (Friedrichstraße). Die IHK rückt auch die Stichworte Sauberkeit und Sicherheit in den Fokus und verweist auf gute Ansätze wie den Dreck-weg-Tag oder die erhöhte Präsenz von Polizei und Ordnungsdienst in der Altstadt.
Zudem sollten Events gefördert und der Kunst mehr Platz eingeräumt werden. Stadtviertel werden attraktiver, wenn es Verweilzonen gibt. Unter dieser Prämisse stehen Anregungen, mehr Sitzgelegenheiten, Grün und kostenloses W-Lan anzubieten. Immobilien müssten mehr auf Mischnutzung (zum Beispiel Büro und Wohnen) ausgelegt werden, das mache sie auch robuster für den Wandel.
Produktion: Unternehmen stärker vernetzen
Dass Persil aus Düsseldorf kommt, hat sich vielleicht hinreichend herumgesprochen. Doch die Stadt mit einem breiten Branchenmix könnte noch deutlicher zeigen, was alles „made in Düsseldorf“ ist. Die IHK schlägt daher die Gründung einer Wirtschafts- oder Standort-GmbH vor. Sie könnte als Tochtergesellschaft der Wirtschaftsförderung etabliert werden – mit zwei Stoßrichtungen: nach innen und nach außen. Sie könnte die Düsseldorfer Branchen verbinden und so dazu beitragen, dass Produktion in der Region bleibt, dass – wie es in der Broschüre heißt – Wertschöpfungsketten regionalisiert werden. Nach außen könnte sie wirken, indem sie das „Made in Düsseldorf“ vermarktet.
Das Bild zeigt die Vision eines Klimaparks: Die Wirtschaft wünsche sich „Prototypen innovativer Industrie- und Gewerbegebiete“, schreiben die Autoren, mit einem Mix aus Logistik, Produktion, Verwaltung und ergänzenden Nutzungen und mit einer Energiegewinnung vor Ort. Dabei sollten die Nachbarkommunen mit ins Boot geholt werden. Um die Klimaziele zu erreichen, könnten Flachdächer mit Photovoltaik-Anlagen bestückt und Straßen mit Photovoltaik-Asphalt ausgestattet werden. Außerdem könnte man auch in der Stadt Windenergie erzeugen – mit Mikro-Windkraftanlagen.
Mobilität: Verkehrsmittel kombinieren
Viele Maßnahmen werden ja bereits umgesetzt, zum Beispiel Umsteige-Hubs etabliert, der öffentliche Nahverkehr und das Radwege-Netz ausgebaut. Die IHK lenkt den Blick auf den Lastenverkehr und schlägt eine spektakuläre Lösung vor: Güter könnten auch über ein unterirdisches, ringförmiges Transportsystem verschickt werden, ähnlich wie Briefe früher in der Rohrpost in Unternehmen (siehe Grafik). Man könnte mit Pilotprojekten, zum Beispiel im Hafen, beginnen, schlugen die Initiatoren bei der Präsentation des Positionspapieres vor.
Weitere Idee: den Bahnhof Bilk zu einem zweiten Hauptbahnhof ausbauen. Um ein langfristig tragfähiges Verkehrssystem zu erhalten, müsse es gute Alternativen und Ergänzungen zum motorisierten Individualverkehr geben, heißt es in der Broschüre. „Das Rückgrat dabei ist ein guter ÖPNV mit engem Takt, hoher Qualität und dichtem Netz.“
Auch Flugtaxis sehen die Wirtschaftsvertreter in diesem Netz der Verkehrsmittel. Der Lieferverkehr könnte durch Bündelung verbessert werden: Ein Lieferdienst bündelt die Pakete, übernimmt sie von anderen für die Lieferung in die Innenstadt.
Wohnen: Mehr Möglichkeiten nutzen
Die IHK-Broschüre setzt die Liste spektakulärer Vorschläge mit Überbauungen von Straßen oder Schienen fort. Der Platz könnte so sinnvoll genutzt, eine weitere Versiegelung von Flächen vermieden werden. Prototyp könnte ein „wandelbares Stadtquartier in der Messehalle“ oder in einer anderen Großimmobilie sein, die eine neue Nutzung sucht (siehe Grafik). Eine modulare Bauweise soll dazu beitragen, dass Raumangebote für Wohnen, Produktion, Büro und Dienstleistungen austauschbar werden. Wandlungsfähigkeit macht flexibler.
Um generell mehr Wohnraum zu schaffen, schlagen die Wirtschaftsvertreter ein Maßnahmenbündel vor: Eigentumsbildung fördern, Unternehmen unterstützen, die Wohnungen für Mitarbeiter bauen wollen, Wohnprojekte, insbesondere in der Nähe von Bahnhöfen und ÖPNV-Knoten, ansiedeln, Baurecht erleichtern.
Jürgen Grosche