„Wir müssen uns dem Konkurrenzkampf stellen“
Auf die Frage, wie die ersten Wochen im…
Als Bereichsleiterin Events und Netzwerkveranstaltungen bei der Mediengruppe Rheinische Post bereitet sie anderen eine Bühne und lässt ihre Kunden aus Wirtschaft und Politik gut aussehen. Ein Gespräch mit Annemarie Brems über eine Branche im Wandel, Kern-Skills und Wachstum trotz schlechten Kaffees.
Im Büro von Annemarie Brems stehen zwei Bilder, die ihr sehr wichtig sind: Eines repräsentiert ihre Überzeugung, dass nur Teamwork erfolgreich macht und stammt noch aus der Küche ihrer Großeltern. Das andere ist eine Erinnerung an ihre Zusammenarbeit mit Gabor Steingart beim Handelsblatt.
2021 haben Sie den Chefsessel bei der Euroforum GmbH, dem Marktführer für Premium-Veranstaltungen – einer Tochter der Handelsblatt Media Group – gegen den der Bereichsleiterin Events und Netzwerkveranstaltungen bei der Rheinischen Post getauscht. Ein guter Deal?
Ein sehr guter Deal! Ich habe im Vorfeld natürlich genau überlegt: Gehe ich vom Handelsblatt zur Rheinischen Post? Von der nationalen, bedeutsamen Wirtschaftszeitung zu einem „regionalen Blatt“? Ich habe mich dann sehr intensiv mit der RP-Verlagsgruppe auseinandergesetzt und war fasziniert, was alles dahintersteckt, wie vielfältig die Aktivitäten und damit auch die Potenziale sind. Das ist sehr reizvoll für mich, da ich meinen Beruf seit mehr als 20 Jahren mit Leidenschaft ausübe. Das wirklich großartige Handelsblatt überschätzt sich an der einen oder anderen Stelle vielleicht ein bisschen. Das ist auch Teil des Selbstverständnisses. Die ebenso großartige Rheinische Post, auch das ist Teil der Strategie, pflegt dagegen eher ein Understatement. Ich habe jetzt wieder viel unmittelbarer Einfluss auf die Formatentwicklung, auf neue Themen und bin stärker an der Front. Das ermöglicht mir, sowieso gesegnet mit einem absolut starken Team, eine viel intensivere Kontaktpflege mit den Kunden, die für den Standort brennen.
Und mal ohne Understatement: Ein Beispiel, was Sie an Ihrem neuen Arbeitgeber besonders schätzen?
Es ist ein im modernen Sinne konservatives Medienhaus, das mit der starken regionalen Marke berufliche Heimat für viele sehr fähige, offene und liebenswerte Kollegen ist.
„Im modernen Sinne konservativ“, klingt spannend. Bedeutet?
Es hindert uns nicht daran, Dinge anders zu machen, im Gegenteil. Die Marktgegebenheiten ändern sich, die Gewohnheiten der Leser und Kunden, wie Sales heute geht, die Kundenansprache, das alles ist im Wandel, und das Haus wandelt sich mit. Aber trotzdem finde ich es gut, dass es klare Grundwerte und ein verlässliches Bekenntnis zu Qualitätsjournalismus gibt, auch und gerade in anspruchsvollen Zeiten.
Und wie ist das im Event-Business?
Grundsätzlich werden die Aufgaben im Event-Business unterschätzt. Viele denken: Raum mieten, Essen bestellen, Licht einschalten, und dann geht‘s los – das kann doch jeder. Meine Mitstreiter und ich wissen aber, wie anspruchsvoll das Orchestrieren aller Bedürfnisse ist. Das ist ein Handwerk, ein ernst zu nehmendes Business, zumindest, wenn Qualität und monetäres Ergebnis stimmen sollen. Das muss man können.
Welche Kern-Skills sind hier erforderlich?
In gewisser Weise muss man „weiblich“ sein. Kern-Skills wie Organisationstalent, sich zurücknehmen, Kreativität und Strukturiertheit, Menschen gewinnen, Vertrauen schaffen scheinen bei Frauen ausgeprägter zu sein. Ich habe im Laufe der Jahre immer wieder Männer eingestellt, aber – ich sag mal so: Nicht alle sind bei uns glücklich geworden. Ich bin nicht pro Frauen oder contra Männer, wir brauchen alle, die das Business mögen, und vor allem Vielfalt.
„Früher reichte es, als Thema ‚Steuern‘ draufzuschreiben, und schon hatten wir 400 zahlende Teilnehmer in Berlin.“
– Annemarie Brems, Bereichsleiterin Events und Netzwerkveranstaltungen
Hat sich der Bereich im Laufe der Zeit verändert?
Enorm! Als ich angefangen habe, waren einfach gestrickte Zweitageskonferenzen Standard. Jeden Tag sechs Sprecher, Frontalvorträge und eine Kaffeepause fürs Networking. Damit ist Euroforum sehr groß geworden. Das war damals, als die Management-Konferenzen aus Amerika über den Teich schwappten und die Entscheider hier ganz heiß darauf waren. Da reichte es, als Thema „Steuern“ draufzuschreiben, und schon hatten wir 400 zahlende Teilnehmer in Berlin. In eher uninspirierenden Vier- bis Fünf-Sterne-Hotels mit hässlichen Teppichböden, mit schlechtem Kaffee, aber alle waren glücklich, und wir sind enorm gewachsen. Und dann kam das Internet.
Was hat sich dadurch geändert?
Die Kunden haben bei uns circa 20 Prozent fürs Networking bezahlt, 80 Prozent für die Fachinformationen. Diese gab es plötzlich an jeder Ecke im Internet kostenlos. Und dann kamen im Laufe der Zeit verschiedene Wirtschaftskrisen, zuletzt und immer noch Corona. Die Leute haben mehr und mehr hinterfragt, wofür sie vor die Tür gehen und wofür sie Geld ausgeben. Die Branche musste sich neu erfinden.
Wie schlägt sich unter diesen Marktbedingungen der Veranstaltungsbereich der Rheinischen Post?
Das Gute ist, dass unsere Netzwerkformate dagegen weitgehend resilient sind. Der „Ständehaus Treff“ zum Beispiel lebt nicht davon, dass wir einfach einen „Talk senden“, das wäre Maybritt Illner oder Anne Will, das kann man zu Hause gucken. Der „Ständehaus Treff“ und auch unsere sonstigen Netzwerkveranstaltungen bringen Menschen live und in Farbe zusammen. Die Entscheider am Standort wollen sich jenseits des „Kastens“ treffen. Das Netzwerken ist digital nicht zu ersetzen.
Was steht auf Ihrer To-do-Liste, wie machen Sie Ihren Bereich zukunftsfähig?
Die Kerngedanken sind ganz einfach: Ich möchte die bestehenden Formate weiterentwickeln, neue Zielgruppen erschließen und neue Formate entwickeln. Wir arbeiten daran, das Publikum aufzufrischen, bunter, vielfältiger zu machen und damit auch das Potenzial der Events zu steigern. Außerdem wollen wir große, relevante Unternehmen aus der Region, die noch nicht vertreten sind, an Bord holen. Und wenn Unternehmen sich hier neu ansiedeln, ist es für sie ein Muss, beispielsweise beim „Ständehaus Treff“ dabei zu sein, wenn sie ihr Bekenntnis zum Standort einigermaßen ernst nehmen.
Wie sieht es bei den Düsseldorf IN-Veranstaltungen aus?
Bei den IN-Veranstaltungen möchte ich die Netzwerkeffizienz für die Teilnehmer erhöhen. Dazu entwickeln wir gerade eine App. Man kann sich einchecken lassen, man kann sehen, wer noch kommt, man kann sich verabreden. Zum Beispiel: „Ich denke darüber nach, folgendes Projekt zu launchen. Wer kennt sich damit aus?“
Also nicht nur regionale, sondern auch inhaltliche Vernetzung fördern?
Genau. Die IN-Veranstaltungen sind ja letztlich ohne festes Programm, das Netzwerken steht absolut im Mittelpunkt. Ich komme aus einem Medienhaus, das immer sehr viele Inhalte auch auf der Bühne hatte. Ich glaube, es würde auch für die Rheinische Post gut sein, wenn wir mehr solche inhaltlichen Formate hätten. Unsere fachspezifische IN-Veranstaltung „Ärzte im Gespräch“ ist ja sehr erfolgreich, zuletzt im Juni im Areal Böhler mit 600 Gästen, darunter Gesundheitsminister Lauterbach. Das ist ein Indiz dafür, dass sich auch andere spezifische Themen für IN-Veranstaltungen lohnen könnten. Beispielsweise Stichwort Energiewende. Das betrifft alle Branchen. Gerade in NRW mit dem Strukturwandel könnte es Sinn machen, die Player regelmäßig zum Netzwerken zusammenzubringen.
Was gehört noch zu den Aufgaben Ihres Bereichs?
Neben dem Profit Center mit den Netzwerkveranstaltungen machen wir mit dem kleinen, feinen RP-Events-Team alle Live-Aktivitäten vom Rosenmontagsumzug über Druckereibesichtigungen bis zum Berliner Redaktionsempfang. Letzteren zusammen mit unserem Chefredakteur Moritz Döbler und der Leiterin unserer Berliner Politikredaktion Kerstin Münstermann. Sie schreiben im Übrigen, das wissen viele nicht, auch für andere, nicht zu uns in Konkurrenz stehende Regionalzeitungen und erreichen so 1,6 Millionen Leser. Nach der Corona-Pause laden wir jetzt wieder Politik und Wirtschaft in der Hauptstadt ein. Es gibt aktuell Zusagen von Bundeskanzler Scholz, Robert Habeck, Christian Lindner, Christine Lambrecht, Hubertus Heil, Friedrich Merz, Jens Spahn, Volker Wissing und aus NRW zum Beispiel Hendrik Wüst und Mona Neubaur.
Nutzen Sie Ihre organisatorischen Fähigkeiten auch privat?
Ich runde im September und habe im Februar vollmundig 100 Leute eingeladen. Dann habe ich mich erst mal in die berufliche Veranstaltungssaison gestürzt, denn es gibt ja so einen Nachholbedarf. Und das eben auch privat: Die Locations, Caterer, Musiker, alles ist überbucht. Vor wenigen Tagen habe ich meinen Gästen dann eine Rundmail geschrieben: „Ihr Lieben, ich schenke euch ein freies Wochenende. 51 ist auch eine schöne Zahl. Wir feiern das Leben nächstes Jahr.“ Ich hatte meine eigene Party schlichtweg zu sehr vernachlässigt, habe naturgemäß einen hohen Anspruch und dann keine dementsprechende Location mehr gefunden. (lacht)
Suzana Novinscak