Das kreative Rückgrat der Stadt
Düsseldorf ist eine Kunststadt. Das sieht man allerdings…
Im Transgenderzentrum des Gerresheimer Sana Krankenhauses werden geschlechtsangleichende Operationen vorgenommen. Wöchentlich werden dort sechs bis acht Transpersonen operiert. Der Weg bis zu diesem Punkt ist allerdings langwierig.
Seit rund zwei Jahren gibt es im Sana Krankenhaus in Gerresheim das Transgenderzentrum Düsseldorf. Damit ist die Klinik eine von nur ganz wenigen in Deutschland, die geschlechtsangleichende Brustoperationen durchführen. Das Zentrum arbeitet interdisziplinär, also immer
in Vernetzung mit den Fachbereichen Psychologie, Psychotherapie, Endokrinologie, Urologie und Gynäkologie. Der Leiter des Zentrums, Dr. Andreas Wolter, Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie, verfügt über eine mehr als zehnjährige Expertise und entsprechende Routine in diesem Bereich. Zu ihm kommen Frau-zu-Mann transidente Menschen, die sich eine Mastektomie, also die Entfernung der – in diesem Fall weiblichen – Brustdrüse, wünschen, genauso wie Transfrauen, deren Ziel mittels operativem Brustaufbau das Erreichen einer weiblichen Brustform ist. Darüber hinaus berät und operiert der 42-Jährige non-binary-Personen, also Menschen, die sich nicht ausschließlich als männlich oder weiblich identifizieren, damit sie der von ihnen gefühlten Identität nahekommen und Personen, die zur Zweitmeinung oder Korrektur nach bereits auswärts durchgeführter Operation vorstellig werden.
Herr Dr. Wolter, warum haben Sie sich für diesen Bereich der Plastischen und Ästhetischen Chirurgie entschieden?
Ich bin während meiner Facharztausbildung am Florence-Nightingale-Krankenhaus der Düsseldorfer Diakonie im Jahr 2010 zum ersten Mal mit Transpersonen in Berührung gekommen und beschäftige mich seitdem mit dem Thema. Für mich sind die Begegnungen mit den Betroffenen nicht nur beruflich, sondern auch persönlich überaus bereichernd. Es ist immer sehr emotional, wenn eine Transperson nach der Operation mit leuchtenden Augen in den Spiegel schaut, weil sie endlich so aussieht, wie sie sich seit langer Zeit fühlt. Mir ist es sehr wichtig, den Menschen, die in meine Sprechstunde kommen, offen und wertschätzend zu begegnen. So frage ich beispielsweise eine non-binary-Person, wie sie angesprochen werden möchte, und nehme sie damit in ihrer Identifizierung wahr.
Aktuell scheinen Transpersonen eine deutlich höhere Wahrnehmung zu haben als noch vor zehn Jahren – welche Erfahrungen machen Sie?
Ich kann diesen Eindruck durchaus bestätigen. Es kommen jedes Jahr mehr Transpersonen zu uns, so operiere ich jede Woche im Durchschnitt sechs bis acht Transgenderpatientinnen und -patienten, und meine wöchentliche Sprechstunde, die immer mittwochs stattfindet, ist bis September ausgebucht. Im Vergleich zu den 1980er-Jahren hat sich übrigens die Anzahl derer, die offen als Transmenschen leben, insbesondere unter Jugendlichen, ungefähr verzehn- bis verzwanzigfacht.
Kommen mehr Männer oder mehr Frauen zu Ihnen, die sich eine geschlechtsangleichende Operation wünschen, und wie alt sind Ihre Patientinnen und Patienten in der Regel?
Ungefähr 70 bis 80 Prozent sind Transmänner, also Frau-zu-Mann transidente Menschen, und etwa 20 bis 30 Prozent Transfrauen, also Männer, die sich als Frau identifizieren. Es kommen grundsätzlich Menschen aller Altersgruppen, aber bei den Transmännern sind die meisten etwa 18 bis 25 Jahre alt, bei den Transfrauen liegt das Durchschnittsalter ungefähr bei Anfang 30. Aber es gibt natürlich auch Ausnahmen, manche meiner Patienten waren bereits Anfang 60.
Wie aufwendig sind denn die jeweiligen Operationen und welche Voraussetzungen müssen für eine solche Operation erfüllt sein?
Das Ziel der Mastektomie bei Transmännern und non-binary-Personen ist es, eine männlich aussehende Brust, also einen männlichen Oberkörper, zu erreichen – im Idealfall mit empfindsamer, natürlich wirkender Brustwarze und unauffälligen Narben, wobei Form und Größe der
Brustwarzen und auch der Narbenverlauf natürlich jeweils von der Ausgangssituation und dem Wunsch der Transperson abhängig sind – das wird alles vorher ganz ausführlich und individuell besprochen. Das Ziel der Operation bei Transfrauen ist die Erreichung einer weiblichen Brustform, in der Regel durch ein Silikonimplantat oder alternativ auch durch abgesaugtes Eigenfett von einer anderen Körperstelle, also beispielsweise vom Bauch oder von den Oberschenkelinnenseiten. Damit die Krankenkassen die Kosten für geschlechtsangleichende Operationen
übernehmen, muss in der Regel eine 18-monatige psychotherapeutische Behandlung vorausgehen, zudem wird meistens eine Hormontherapie, also mit Testosteron oder Östrogenen, gefordert. Und bei minderjährigen Patienten und Patientinnen brauchen wir, zusätzlich zu einer
noch umfänglicheren psychologischen Abklärung, natürlich das schriftliche Einverständnis der Erziehungsberechtigten.
Hatten Sie schon Patienten, die ihre Entscheidung später bereut haben?
Für die meisten transidenten Menschen bedeutet die geschlechtsangleichende Operation eine große Erleichterung, sie sind anschließend sehr glücklich und auch dankbar, weil sie endlich dort angekommen sind, wohin sie schon immer wollten. Die Anzahl der sogenannten Regretter, also Menschen, die ihren Entschluss im Verlauf revidieren, liegt bei unter einem Prozent.
Nun gehören zu einer Geschlechtsangleichung für viele Betroffene sicher auch irgendwann das Thema Sexualität und die Anpassung der Genitalien – diese Operationen machen Sie aber bisher nicht.
Wir besitzen die plastisch-chirurgische Expertise und werden zunehmend auch von Patientinnen und Patienten danach gefragt. In Zukunft sind auch eine Penoidkonstruktion beziehungsweise Vaginoplastik an unserem Standort in interdisziplinärer Zusammenarbeit geplant. Derzeit werden bereits in gynäkologischer Kooperation mit der Sana Klinik Benrath die Eierstock- und Gebärmutterentfernung durchgeführt. Das Thema Sexualität spielt in meiner Sprechstunde grundsätzlich eine untergeordnete Rolle. Ich frage nicht nach der sexuellen Orientierung
von Transpersonen, so wie ich es auch bei allen anderen Patienten und Patientinnen nicht tue. Darum geht es auch gar nicht, es geht um Wahrnehmung, Wertschätzung, Akzeptanz und letztlich Erreichung von Lebensqualität.