Das kreative Rückgrat der Stadt
Düsseldorf ist eine Kunststadt. Das sieht man allerdings…
„Nachtbrötchen“, ein Kultur-Konzept von André Schnaudt und Mark van der Spek, rückt mit außergewöhnlichen Projekten die Kunst näher an die Menschen. Noch bis Juni läuft eine Schau mit 700 genreübergreifenden Werken im Designer Outlet Roermond.
Der Name „Nachtbrötchen“ hat einen guten Klang in der Kunstszene. Ein in der Krise geborenes Projekt machte die Inszenierungen der Düsseldorfer 2020 weltweit bekannt – aus dem verwaisten Kölner Flughafen-Parkhaus wurde eine Drive in-Galerie.
Könnten doch nur alle Ideen, die aus Langeweile geboren wurden, so kreativ umgesetzt werden, wie es André Schnaudt und Mark van der Spek mit „Nachtbrötchen“ gelungen ist! Dann sähe der Kosmos Kunst noch bunter und vielfältiger aus. Das Projekt hat den Sinn und Zweck, Kunst zu den Menschen zu bringen. Dort, wo man sie gemeinhin nicht vermutet. So wie im Designer Outlet Roermond. Gerade zieht eine Ausstellung mit 700 Werken wöchentlich bis zu 6.000 Besucher an. Die Eigentümer des Centers waren auf den Düsseldorfer André Schnaudt zugekommen. Ganz offensichtlich hatte sich der Ruf von „Nachtbrötchen“ bis in die Niederlande verbreitet. „Eine derart riesige Fläche bekommt man nur selten zur Verfügung gestellt“, sagt der Galerist. „Und auch die Dauer der Ausstellung bis Juni 2022 erschien uns reizvoll.“
Die Bilder, Fotografien, Skulpturen und Videoinstallationen lenken nicht ab von der im Designer Outlet präsentierten Mode. Sie wirken vielmehr als deren Bereicherung. Den Holländern kann dieses herausragende Marketing-Tool nur lieb sein, zumal zusätzliche Attraktionen während der Schau weitere Aufmerksamkeit auf sich ziehen: André Schnaudt strebt mit seinem Konzept stets eine Verquickung der Genres an. Er organisiert nicht nur „Ausstellungen in der Ausstellung“, er bindet auch Theatervorführungen und Musik ein, aus Überzeugung: „Alle diese Künste gehören für mich zusammen, sie können sich gegenseitig befruchten.“ Und dann erzählt er, wie sein „Nachtbrötchen“-Abenteuer begann. Seit 2013 führt André Schnaudt die Düsseldorfer Part2Gallery mit der atmosphärisch feinen Adresse Altestadt 12, unweit der Kunstakademie. „Ich liebe diesen Arbeitsplatz“, schwärmt er. „Er ist die Keimzelle für alle meine Aktivitäten.“ Vor drei Jahren stellte er bei der „Art Innsbruck“ aus und war frustriert von der drögen Stimmung auf der Messe. Also spielte er bei sich Musik, was den Organisatoren gar nicht gefiel. Sie mahnten ihn ab wegen der unwillkommenen Geräuschkulisse, woran er sich jedoch nicht störte. „Bald war mein Stand der Hotspot der Messe“, erinnert er sich lachend. Aus diesem Ereignis erwuchs sein Wunsch nach einem anderen Umgang mit Kunst. Weniger abgehoben, dafür näher an den Menschen. Für seine Idee fand er sofort Mitstreiter. Einen Galeristen aus Straßburg, einen aus Münster. Gemeinsam mietete das Trio an der Düsseldorfer Herzogstraße das Ergo Ipsum und stellte mit drei Etagen voller Kunst das erste „Nachtbrötchen“-Projekt auf die Beine. Das zweite, dann schon mit seinem belgischen Partner Mark van der Spek, vereitelte Corona. Aber die Krise kitzelte den Ehrgeiz von André Schnaudt erst recht heraus. An welchem außergewöhnlichen Ort könnte Kunst auch jüngere Leute anlocken?
Da bot sich 2020 der im Lockdown verwaiste Kölner Flughafen an. Für eine spektakuläre Drive-in-Galerie wurden Gemälde an Gepäck-Trolleys festgezurrt und über die Parkhaus-Etagen verteilt. Im Schritttempo, die Kunst immer im Blick, fuhren die Autos daran vorbei. „Entgegen eigener Erwartungen kam das Konzept hervorragend an“, berichtet André Schnaudt. „Wegen der Versicherung der Kunstwerke blieb es trotzdem eine Zitterpartie.“ Doch der angestrebte Effekt war da. Das Medienecho rauschte um die Welt. Fernsehsender in Japan, China, Indien und den USA griffen die Aktion auf. „Das öffnete viele Türen und gab uns Rückenwind“, bilanziert der Galerist. Davon beflügelt, buchte er im Oktober 2020 die Rheinterrassen für eine umfangreiche Ausstellung. „Keiner traute sich das zu dieser Zeit. Es wurde mit 3.000 Besuchern das größte Event des Jahres in Düsseldorf.“
Und so geht es munter weiter. Demnächst stehen verschobene Projekte in Amsterdam und im belgischen Genk an. Mittlerweile etablierte André Schnaudt in Lierenfeld noch einen Kunstverein, gedacht als Plattform für Künstler ohne eigenen Raum. Der Netzwerker, der aus der Modebranche kommt und früher für Barbara Schwarzer arbeitete, setzt auf Synergien. Er will Menschen begeistern, die zuvor kaum einen Bezug zur Kunst hatten. Von „Nachtbrötchen“ wird man noch hören. „Der Name mag lustig klingen“, sagt er, „aber er hat eine tiefere Bedeutung: Kultur verstehe ich auch als geistige Nahrung.“