Das kreative Rückgrat der Stadt
Düsseldorf ist eine Kunststadt. Das sieht man allerdings…
Wie schafft man es, eine Kanzlei zu leiten, die von der „Wirtschaftswoche“ als Top-Kanzlei gelistet wird, gleichzeitig einen Düsseldorf-Krimi zu schreiben, für den schon die Filmrechte verkauft sind, und rund um die Welt Vorträge zu halten? Ganz entspannt! Ein Porträt über einen, der sich selbst als „Schnittmengentyp“ bezeichnet und nach dem Motto lebt: „Wer in sich ruht, kann gut für andere da sein, ohne selbst zu raumgreifend zu sein.“ Das Raumgreifen übernehmen wir also für Dr. Ingo Bott.
Rückblickend sieht Dr. Ingo Bott seine Zeit bei der Fußballzeitschrift „Kicker“ als gutes Training, um so zu schreiben, dass Menschen es mögen.
Als Jugendlicher wollte er eigentlich Seeräuber werden, und wer ihn zum ersten Mal sieht, könnte denken: „Auch das hat irgendwie geklappt.“ Genauso wenig wie er selbst entsprechen die Räume seiner Kanzlei „Plan A“ in Pempelfort dem kühlen, glatten, rein erfolgsorientierten
Anwaltsklischee. Stuckverzierter Altbau, an den Wänden Street- Art des Düsseldorfer Künstlers Roberto Faoro, den Posten der Empfangsdame besetzt ein sympathischer junger Mann. Das alles wirkt stylish, aber warm. Hier muss man sich nicht anstrengen, um ins Bild zu passen, hier kann man sich fallen lassen. Auftritt Hauptdarsteller. Ingo Bott ganz in Schwarz, sportiver Anzug, dazu weiße Sneakers, die mehr von der Welt gesehen haben als den Weg vom Laden in die Kanzlei. Er strahlt noch immer diese Ruhe und Sicherheit aus, die vor Jahren den Hauptangeklagten im Loveparade-Prozess dazu bewegt hatten, sein ganzes Heer an Anwälten zu entpflichten und zu sagen: „Ich mach‘ das mit dem jungen Langhaarigen.“ Dieser weltweit beachtete Prozess und die Straffreiheit, die er für seinen Klienten erwirkte, machten Bott mindestens in der Anwaltsszene bekannt. Das war auch die Geburtsstunde seiner Kanzlei „Plan A“, damals ein Schreibtisch in seinem Wohnzimmer. Heute bilden seine Mandanten das gesamte gesellschaftliche Spektrum ab – von klassischer Kriminalität bis hin zu Menschen, die nie damit gerechnet hätten, mal einen Anwalt zu brauchen. Auf dem Stuhl ihm gegenüber sitzen Personen, für die es um ihr persönliches Schicksal geht oder um ein ganzes Unternehmen, aber auch Prominente aus Wirtschaft oder Sport, für die seine erste Aufgabe darin besteht, unnötigen Wellengang zu vermeiden, denn oft ist die öffentliche Wahrnehmung vor einer Verhandlung viel schlimmer als das Ergebnis des juristischen Prozesses.
Ein Schnappschuss aus einem echten Urlaub zeigt Bott am Machu Picchu mit dem Laptop auf den Knien, wie er eine berufliche E-Mail beantwortet. „Ich empfinde es nicht als Belastung, sondern als Privileg, dass ich in der Freizeit dort rumspringen und dabei diesen Job ausüben kann. Es ist wichtig, für die Leute da zu sein und das zu lösen, was gerade ansteht.“ Von Botts Mandanten wurde noch nie einer verurteilt. Auch eine Medaille findet sich im Konferenzraum. Für eine Ehrenprofessur einer peruanischen Universität. Coronabedingt kam sie per Post, Antrittsvorlesung und Verleihung fanden nicht im Festsaal vor 200 Ehrengästen, sondern online statt. Als es zum höchstfeierlichen Moment der Übergabe kam, sonst zelebriert wie ein Ritterschlag am königlichen Hofe inklusive Hymne, „hieß es knisternd aus dem Lautsprecher: ,So, es wäre wirklich sehr schön, wenn Sie sich die Medaille jetzt selbst umhängen könnten.‘ Wie bei Videokonferenzen üblich, hätte man dabei nicht mal eine Hose tragen müssen“, scherzt Bott. Die Verbindung in den Spanisch sprechenden Raum ist nicht zufällig. Der gebürtige Raststätter, der seinen Dialekt mindestens so gut im Griff hat wie seinen Bart, hat neben Freiburg (am Lehrstuhl des späteren Bundesverfassungsgerichtspräsidenten Andreas Vosskuhle) auch in Montevideo und in Sevilla studiert. Die knappe Studentenkasse füllte er damals, indem er für den „Kicker“ über den spanischen Fußball schrieb. Er sieht das rückblickend als gutes Training: so zu schreiben, dass Menschen es mögen. Seine ersten Theaterstücke aus dem Jahr 2007 warten zwar noch auf ihren Durchbruch, aber mit „Pirlo – Gegen alle Regeln“, erschienen im S. Fischer-Verlag, hatte er im vergangenen Sommer seinen ersten großen Krimi-Erfolg. Teil zwei der Reihe erscheint im August, und ab und an klingelt das Telefon und jemand vom Verlag fragt: „Schickst du uns bitte ein neues Buch?“ Pirlo hebt sich heraus aus der Masse der üblichen Krimi-Literatur, in der sich die Fälle oft um sich selbst drehen und die Protagonisten einsame Polizisten oder Detektive sind, die bei schlechtem Wetter ermitteln. Pirlo ist ein Strafverteidiger, der im ganz normalen Leben steht, im ganz normalen Chaos, der oft selbst
nicht weiß: „schuldig oder nicht schuldig? Und spielt das überhaupt eine Rolle?“ Das Ganze mit viel Tempo und Witz geschrieben, „Rock‘n‘Roll zum Lesen“, nennt der Verlag das.
Hauptdarsteller der Krimi-Reihe neben dem langhaarigen Anwalt Anton Pirlo ist die Stadt Düsseldorf. „Ich find‘ Düsseldorf super. Die ganze Bandbreite von der Hochfinanz bis zur alternativen Szene. Und du hast hier diese unglaublich charmanten und herzlichen Menschen. Ich finde es schön, hier etwas stattfinden zu lassen. Die Geschichte spielt in Pirlos Wohnzimmerkanzlei in Pempelfort und zieht sich dann einmal quer durch die Stadt. Die ganze Ambivalenz von schäbig bis schick.“ Ähnlichkeiten mit Bott verleiten zu Spekulationen, die er gern schelmisch unkommentiert lässt.
Schick fand das auch Bürgermeister Josef Hinkel, der auf Instagram Werbung für Pirlos Düsseldorf machte und den Ausstrahlungstermin der Serie beizeiten bestimmt ebenfalls dort posten wird. Weniger schick fanden die Düsseldorfer Jonges, dass der Wahldüsseldorfer den traditionsreichen Heimatverein im ersten Pirlo-Band als Karnevalsverein tituliert hatte. Ein Fauxpas? „Die einen sagen so, die anderen so,“ sagt er grinsend. Auch bei der Aufklärung dieses Falls hält er es also spannend. „Präsident Wolfgang Rolshoven persönlich hat mich übrigens unter seine Fittiche genommen und an den Pranger gestellt.“ Zudem musste Bott versprechen, dies in einem der folgenden Bücher richtig zu stellen – berichtete das Vereinsmagazin „Das Tor“. „Ich finde es hat Stil, dass sie zuerst beleidigt sind und dann meine ,Unverschämtheit‘ auch noch in ihrem Magazin feiern.“ Trotz der Liebe zu Düsseldorf hat Bott auch die Heimat nicht vergessen. Mehrmals im Jahr besucht er seine Mutter in Baden und genießt, dass die Uhren dort ganz anders ticken. Natürlich wäre er nicht Bott, wenn er nicht auch den Heimaturlaub mit einem Lehrauftrag, dem für Menschenrechte an der Elite-Universität Karlsruhe, verbinden würde. Ebenso natürlich: Diese Veranstaltungen sind jeweils an einem Wochenende, an dem seine alte Liebe, der Karlsruher SC, zu Hause spielt. Bleibt nur zu hoffen, dass er an dem Tag, wenn der Gast „Fortuna“ heißt, genau weiß, für wen er zu jubeln hat.