Begeistert für Düsseldorf
Warum brauchte es 1989 einen Zusammenschluss wie die…
Schon Philosophen wie Platon oder Seneca diskutierten Luxus als etwas zwischen identitätsstiftender Kraft und Instrument zur sozialen Trennung. Klar ist: Die Definition von Luxus unterliegt dem Zeitgeist. Welche Faktoren aktuell eine Rolle spielen und welche Auswirkungen das auf Düsseldorf hat, darüber sprachen bei der ersten Top Magazin-Gesprächsrunde: Ulrike Kähler (Geschäftsführerin Igedo), Frank Burbach (Geschäftsführer Ferrari Düsseldorf), Thomas Koch (Werbe-Ikone und Preisträger „Deutscher Mediapreis“) und Stephan Schneider (Inhaber Brauksiepe Goldschmiedemanufaktur).
Luxus ist so stark gefragt wie noch nie, börsennotierte Luxusgüterhersteller berichten über hervorragende Ergebnisse. Fördert die Pandemie die Nachfrage nach Luxus?
Ulrike Kähler: Aus dem Blickwinkel der Mode kann ich sagen: Die Pandemie hat alles beschleunigt. Viele Firmen hatten zu Beginn der Pandemie schon Vorerkrankungen, die jetzt erst rausgekommen sind. Dadurch hat eine Marktbereinigung gerade im mittleren Segment stattgefunden. Die Pandemie ist nicht unbedingt der Grund, ganz sicher aber der Beschleuniger dafür, dass das mittlere Segment stagniert oder wegbricht und der Luxus durch die Decke geht.
Frank Burbach: Wir bei Ferrari können drei Treiber feststellen: 1. Die aktuelle Zinspolitik mit ihren Strafzinsen. 2. Die Pandemie an sich mit der Fragestellung: „Wie lange lebe ich noch?“ Und 3. Die Angst vor der Inflation, Stichwort „Panikinvestition“. Aktuell sind es die Millennials, die zu uns kommen. In den nächsten 30 Jahren werden 68 Milliarden Euro an sie vererbt, da ist der Hang zu Luxus unaufhaltsam, auch weil sie diese absolute Differenzierung suchen. Die jungen Leute haben ganz andere Vorstellungen vom Investment als noch ihre Eltern. Sie möchten mit Kunst oder Fahrzeugen ihre Renditen machen. Wir konnten so im Neuwagenbereich die Durchschnittpreise um 14 und bei Gebrauchtwagen um 35 Prozent erhöhen.
Stephan Schneider: Aus der anfänglichen Pandemie-Schockstarre ist ein Bewusstsein geworden, und wir haben unser Leben neu sortiert. Wir haben gelernt, dass es trotz allem auch schöne Dinge im Leben gibt, Dinge die uns ein gutes Gefühl geben. Und jetzt ist die Zeit, sich damit zu schmücken oder auch anderen eine Freude zu bereiten. Dieses Prinzip, sich mit etwas Schönem zu belohnen, haben wir alle als Kinder schon gelernt, zum Beispiel mit Geld für gute Noten oder auch, mit einer Belohnung über schwierige Dinge hinwegzukommen.
Thomas Koch: Die Aktienmärkte, auch in Asien, erwarten vom Luxussegment noch höhere Renditen als in der Vergangenheit. Die Pandemie hat das Luxussegment also befeuert. Das liegt leider daran, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich noch deutlicher gespreizt hat. Psychologisch aus Sicht des Werbers interessant: Luxus kaufen? Ja! Aber Luxus als Statussymbol zeigen? Ich glaube fest daran, dass das nachlässt, vielleicht gerade auch wegen der Spreizung. Es war ja auch nie Sache der Deutschen, ihren Luxus zu zeigen. Bei Breuninger zum Beispiel habe ich übrigens das Gefühl, dass der Laden oft leer ist, weil sie ihre Kollektionen nicht mehr für den inländischen Markt auslegen, sondern zunehmend für die russischen und asiatischen Kunden, derer wir hier viele haben.
„Wir sind kein Autohaus, sondern eine
Luxury-Lifestyle-Boutique.“
… was bedeuten würde, dass Luxus kein Selbstläufer nur aufgrund des Preises ist. Was macht denn dann eine Marke erfolgreich?
Burbach: Es ist die Story hinter der Marke, das Storytelling, das Erlebnis. Die Leute erleben nichts mehr. Wenn sie zu einer Luxusbrand kommen, haben sie ein Erlebnis – und zwar aus einer anderen Welt. Man beschäftigt sich mit dem Kunden, man ist auf Augenhöhe, da entsteht eine Freundschaft. Ich zum Beispiel bekomme Urlaubsbilder gezeigt, werde zur Hochzeit eingeladen, ich werde zum Teil dieser Luxusstory. Dann funktioniert das Thema Luxus.
Schneider: Wir haben uns als Goldschmiede vor zehn Jahren in einem Hinterhof in Essen-Kettwig in sehr ländlicher Atmosphäre selbstständig gemacht. Meiner Frau und mir war sofort klar, dass harte Arbeit und unsere persönliche Anwesenheit nicht reichen würden, uns gegen Top-Brands wie Cartier, Bulgari oder Chopard zu positionieren. Man muss die Firmenphilosophie leben, vom Auszubildenden bis zum Eigentümer, das merken unsere Gäste. Dazu haben wir immer bewusst aktiv im klassischen Printbereich geworben. Auch während des
Lockdowns, und zwar mit Vollgas. Das war wahrscheinlich der Schlüssel zum Erfolg, man hat uns wahrgenommen. Außerdem merken wir, dass Gäste, die schon oft Markenartikel konsumiert haben, sich jetzt nach Individualität sehnen. Dafür sind sie bereit, Geld auszugeben.
Kähler: Das habe ich auch bei der Ausrichtung der Messen gemerkt. Viele Mode-Veranstaltungen haben aus Sorge nicht mehr stattgefunden. Ich dagegen habe weiter für verantwortungsvolle Veranstaltungen gesorgt. Wir von der Igedo waren verlässlich für unsere Kunden die ganzen zwei Jahre da, mit dem Ergebnis, dass auch schon weitere Messen komplett ausgebucht sind. Das Credo „Immer für den Kunden da sein“ zahlt sich auch bei uns aus. Diese Beständigkeit, die wir mit unserem Unternehmen bieten können und durchgehalten zu haben, das sehe ich auch als Luxus.
Das zeigt eindrucksvoll, dass hinter jedem Erfolg harte Arbeit steckt. Trotzdem muss ich ja darauf hinwiesen, also dafür werben, dass ich besonders gute Produkte habe …
Koch: Es gibt bei Luxusgütern ein ganz erstaunliches Phänomen, was Werbung und Imageauftritte betrifft: Die Menschen hassen Werbung, damit hat die Werbung immer leben müssen. Das ist im Luxussegment anders: Die Luxusshopper wünschen Werbung, sie suchen Inspiration in Onlineshops und gehen auf die Markenwebsites. Diese Marken üben mit ihren extravaganten Geschichten, die völlig andere Storys erzählen und Traumwelten schaffen, in die ich mich hineinbegebe, eine unglaubliche Anziehungskraft aus. Luxusaffine Menschen wünschen mehr Werbung.
Burbach: Bei Ferrari heißt übrigens einer der ersten Schulungsbausteine „Selling the Dream“. Wir verkaufen also Träume. Ich wehre mich auch gegen dieses Wort „Autohaus“. Wer das zu mir sagt, den korrigiere ich für gewöhnlich höflich, dass wir kein Autohaus sind, sondern eine Luxury-Lifestyle-Boutique.
„Düsseldorf sollte sich endlich wieder auf seine Werte
besinnen, die es wirklich hat.“
Die Welt ist gerade sehr im Wandel. Werden die Themen Nachhaltigkeit oder Digitalisierung das Thema Luxus pushen oder sind sie eine Gefahr?
Schneider: Ich glaube, dass alle Luxusbrands immer schon das Thema Nachhaltigkeit gelebt haben. Zum Beispiel durch Wertbeständigkeit. Wir leben in einer extremen Wegwerfgesellschaft, Luxusgüter wirft man aber nicht mal eben weg, im Gegensatz zu massenhaft gekaufter Mode im Niedrigpreissegment. Oft wird auch vergessen, dass noch eine ganz andere Branche vom Luxus lebt: nämlich die Secondhandbranche, durch die die Luxusartikel eine noch längere Lebensdauer bekommen. Das ist ein Markt, der sicher noch expandieren wird.
Burbach: Bei Ferrari sind mittlerweile 50 Prozent der Fahrzeuge hybrid. Wir sind gerade dabei, Carports mit Solardächern zu bauen, um unsere Fahrzeuge klimaneutral zu laden. Solche Themen spielen aus Vernunftgründen eine berechtigte Rolle. Alle Luxusbrands, die ich kenne, investieren im Moment in diese Themen. Trotzdem glaube ich, dass die Superreichen, die in Saint-Tropez oder Monaco ihrem Luxus frönen und mit ihrer Jacht aufs Meer fahren, sich nicht für Ökobilanzen interessieren. Hier in Deutschland oder auch in Düsseldorf ist das eher ein Thema.
Schneider: Zum Thema Digitalisierung: Das dürfte für Luxusbrands eine große Chance darstellen. Selbst wir hier als kleine Goldschmiede nutzen Social Media als weiteres Schaufenster, mit dem wir die Gäste zu einem Live-Erlebnis bei uns vor Ort einladen. So kann es eine gute Symbiose sein. Der reine E-Commerce-Bereich allein wird uns wieder vor neue Herausforderungen stellen. Wir wissen alle, wie viele Paketlieferanten da draußen unterwegs sind.
„Alle Luxusbrands haben schon immer das Thema
Nachhaltigkeit gelebt.“
Da sind wir beim lokalen Erlebnis: 50 Prozent der Luxusabverkäufe finden in nur 20 Metropolen weltweit statt, acht davon in Asien. Wo steht da die Landeshauptstadt im Moment? Geht da was an Düsseldorf vorbei oder profitiert die Stadt davon?
Kähler: Düsseldorf sollte sich endlich wieder auf seine Werte besinnen, die es wirklich hat. Die Stadt hat es mit dem roten Teppich vor der Türe liegen. Wenn ich in der Welt unterwegs bin, höre ich über Düsseldorf „Das ist doch die Königsallee, da gibt es viel tolle Mode.“ Ich appelliere schon lange sehr offen an die Stadt: „Bleibt bei euren Leisten!“ Wir brauchen keine exotischen Sportevents, wir sind eine Modestadt. Ich würde mir wünschen, dass das zurückkommt, was der Key dieser Stadt ist. Das muss aber auch, unter anderem durch die Stadt, unterstützt werden.
„Luxusaffine Menschen wünschen mehr Werbung.“
Thomas Koch,
Werbe-Ikone
Burbach: Es ergibt sich ja eine ganze Wertschöpfungskette, wenn man sich um dieses Luxusklientel kümmert: Die Hotels, die Gastronomie…
Schneider: Düsseldorf sieht sich selbst gerne als Weltstadt für Luxus mit großer Strahlkraft, übrigens auch zu Recht. Dabei darf man sich der Einflüsse, die von einer neuen Generation kommen, nicht verweigern. Siehe Ökologie. Darum wird das für Düsseldorf ein schwieriger Spagat werden zwischen Tradition und Moderne. Es war mal Thema eines Oberbürgermeisters, die Kö autofrei zu machen. Natürlich bietet das unter ökologischen Gesichtspunkten viele Chancen. Aber das, was die Kö ausmacht ist auch, dass man da gerne flaniert, eben weil dort die Luxusautos stehen. Das ist dieser Puls dieser Stadt, den man spürt, den darf man nicht zerstören.
Koch: Was man nicht vergessen darf: In den Städterankings wie lebenswerteste oder schönste Stadt taucht Düsseldorf immer auf. Unter den lebenswertesten Städten ist Düsseldorf an vierter Stelle, unter den schönsten meistens um Platz zehn herum. Das zeigt, was für eine Strahlkraft dieses kleine Dorf hier hat. Genau das müssen wir weiter nutzen. Und zwar einfach mit dem, was die Stadt ist, wir brauchen nichts hinzuzufügen.
Burbach: Wir haben viele Kunden von außerhalb, die es gerade genießen, hier eine Nacht in einem tollen Hotel zu haben und eine Wahnsinns-Shoppingtour machen zu können, weil wir die ganzen Brands haben, und weil es sich lohnt, über die Kö zu schlendern. In welcher City gibt‘s das in dieser Qualität und mit kurzen Wegen?
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Gespräch führte José Macias.
Text: Suzana Novinscak