„Wir müssen uns dem Konkurrenzkampf stellen“
Auf die Frage, wie die ersten Wochen im…
Raus aus der Nische: Gaming gehört zu den beliebtesten Hobbys und hat sich in Form von E-Sports längst einen realen Platz im Profisport erarbeitet. Es fließt Geld in Millionenhöhe – um neue Spiele zu entwickeln oder als Siegprämie auf E-Sports-Turnieren. Auch in Düsseldorf wird fleißig gezockt.
Volle Konzentration: Bei Turnieren geht es nicht nur um den Sieg, sondern auch um hohe Summen.
Frühjahr 2020, weltweiter Stillstand. Während viele Hobbys schlagartig nicht mehr möglich waren und der Vereinssport größtenteils zum Erliegen kam, zeigte sich eine Gruppe weniger von der Pandemie beeindruckt. Ganz im Gegenteil: Die Gamer-Community wuchs sogar noch an, denn das virtuelle Spielen allein oder mit Freunden ist immer und überall möglich. Wer allerdings unter den Spielern vor allem Jugendliche und Kinder vermutet, irrt gewaltig: Laut game, dem Verband der deutschen Games-Branche, spielt über die Hälfte der Deutschen zwischen sechs und 69 Jahren Computer- und Videospiele, wobei die größte Altersgruppe unter den 50- bis 59-Jährigen zu finden ist. Damit liegt das Durchschnittsalter bei 37,4 Jahren.
Und: Es beschäftigen sich in Deutschland fast so viele Frauen (47 Prozent) wie Männer (53 Prozent) mit Gaming. Auch die Umsätze der Spielebranche zeigen einen deutlichen Trend. Laut einer Erhebung der Markforscher GfK und App Annie, die im August zur Spielemesse Gamescom in Köln vorgestellt wurde, lagen die Erlöse im ersten Halbjahr 2021 bei gut 4,6 Milliarden Euro. Im Vorjahreszeitraum waren es knapp 3,8 Milliarden – ein Anstieg um 22 Prozent. Zum Vergleich: Die Erste Bundesliga erwirtschaftete in der Saison 2019/2020 einen Umsatz von circa 3,8 Milliarden Euro. Erstaunlich ist auch das Ergebnis, wenn man die Branche mit anderen weltweit vergleicht: Die Gaming-Industrie ist mit einem durchschnittlichen Wachstum von zwölf Prozent ein absoluter Höhenflieger. 2019 war sie mit mehr als 148 Milliarden Dollar größer als die Hollywood- und Musikbranche zusammen, also eine echte Goldgrube. Kein Wunder, dass Unternehmen wie die Bochumer Agentur Unitad damit ihr Geld machen wollen. Cinegaming heißt deren neu gegründete Abteilung, die über eine einfach zu bedienende Plattform Kinosäle in mehreren deutschen Großstädten zum Zocken vermieten.
Die im Hafen ansässige Film- und Medienstiftung NRW fördert Projekte für digitale Spiele und interaktive Inhalte. Im November wurden 761.000 Euro für Konzeptentwicklung und Herstellungsförderung vergeben, unter anderem an die Düsseldorfer Digitalagentur Mixup für die Entwicklung des Online-Escape-Rooms „Escape the Universe“ (15.000 Euro) und an das Langenfelder Start-up Rho Labyrinths für die Herstellung des erzählerischen Abenteuerspiels „Mars Vice“ (250.000 Euro).
Wenn die League of Legends- Weltmeisterschaft von Riot Games ausgetragen wird,kommen viele Zuschauer – wie hier zum Finale 2020 in Shanghai.
Das Düsseldorfer UCI Kino im Medienhafen gehört zu den Filmpalästen, die für private Gaming-Sessions gebucht werden können. Für eine Dauer von mindestens zwei Stunden den darf dann nach Herzenslust auf einer Luxus-Leinwand gezockt werden. Ein besonderes Erlebnis, das mit dem heimischen Wohnzimmer kaum zu vergleichen und für Junggesellenabschiede oder Team-Events genau das Richtige ist. Videospiele in einem Kino spielen – das war auch eine der Ideen von Sozialpädagoge Ben Schneider aus Düsseldorf, als es darum ging, was man mit zehn Millionen Euro aus einem Jugendzentrum machen könnte. Auf einer Tagung der evangelischen Kirche, an der er 2018 teilnahm, stellte er das Projekt einfach mal vor.
„Wir haben darüber geredet, wie wir unser Angebot im Jugendbereich noch besser machen können. Ich habe dann meine Chance genutzt und ein Gaming-Zentrum für Jugendliche vorgeschlagen“, erinnert sich Ben Schneider. Sein Vorschlag stieß auf Begeisterung, und das Ergebnis ist das GG E-Sport- und Gaming-Jugendzentrum an der Akademiestraße in der Altstadt. „Im Frühjahr 2020 sind wir zunächst als Popup-Projekt für vier Monate gestartet, doch wir wurden so überrannt, dass wir einfach bleiben mussten.“ Der Grundgedanke ist einfach erklärt: Das GG ist ein Ort für alle zwischen zwölf und 27 Jahren, die gerne spielen, und dient als Begegnungsstätte. Pädagogische Fachkräfte betreuen die Jugendlichen im Zentrum, die bei der Ausleihe von Gaming-Zubehör helfen, aber auch mitspielen. Die Bandbreite an Spielen ist groß, wobei immer die USK-Altersangaben beachtet werden und gewaltverherrlichende Titel tabu sind.
Die Grenzen zwischen Gaming und E-Sport verlaufen übrigens fließend. „Wir haben mittlerweile auch ein eigenes Team aufgestellt, und es gibt unter unseren Besuchern welche, die mit E-Sport Geld machen, aber wir sind eher mit Amateur- oder Nachwuchssport zu vergleichen“, sagt Ben Schneider. Für mindestens fünf weitere Jahre soll das GG eine Anlaufstelle für Gaming-Interessierte sein. Darauf haben sich die evangelische Kirche und die Verantwortlichen bei der Stadt Düsseldorf geeinigt. Nach größeren Räumen wird bereits gesucht, denn das Interesse am Spielen in virtuellen Welten wird wohl auch in den nächsten fünf Jahren nicht abreißen. Und wer weiß, vielleicht wird Fortuna Düsseldorf es in Zukunft Vereinen wie Bayer Leverkusen und Schalke 04 gleichtun und eine E-Sports-Abteilung gründen. Der Nachwuchs haut jedenfalls
jetzt schon ordentlich in die Tasten. Im Amateurbereich hat sich der E-Sport bereits etabliert. Laut game hat knapp jeder fünfte Spielende in Deutschland (18 Prozent) bereits an Wettkämpfen teilgenommen.
Das entspricht rund 7,8 Millionen Menschen. Am häufigsten nehmen Spielende in der Altersgruppe 25 bis 34 Jahre an E-Sport-Turnieren teil. Für den Verband ist es daher höchste Zeit, dass die Politik sich des Themas annimmt und entsprechende Vereinsstrukturen geschaffen und genutzt werden: „Denn ob Medienkompetenz und Nachwuchsarbeit oder Teamgeist, Fairplay und der Leistungsgedanke: All das sind wichtige Werte und Kompetenzen, die der E-Sport besonders gut in Vereinen vermitteln könnte“, sagt game-Geschäftsführer Felix Falk. „Wer dagegen die Gemeinnützigkeit von E-Sport nicht umsetzt, weil er sich ausschließlich auf die Frage konzentriert, ob E-Sport Sport ist, verpasst eine große gesellschaftspolitische Chance. Daher sollte die nächste Bundesregierung dem E-Sport endlich die gesellschaftliche Anerkennung zukommen lassen, die ihm nicht zuletzt aufgrund seiner Bedeutung im Leben von Millionen Menschen in Deutschland längst zusteht“, ergänzt Falk.
Bei Turnieren mit Weltruf wie dem jährlichen „The International“, das vom 7. bis 17. Oktober in Rumänien mit dem Wettkampfspiel Dota 2 ausgetragen wurde, wird um horrende Summen gezockt: Rund 40 Millionen US-Dollar waren als Preisgeld ausgeschrieben. Auch die Stadtsparkasse Düsseldorf hat die Zeichen der Zeit erkannt und im Mai zusammen mit Fortuna Düsseldorf den ersten E-Sports-Cup ausgetragen, bei dem das beliebte Fußballspiel Fifa gespielt wurde.
Beim größten europäischen Sportbusiness-Event „Spobis“, das Anfang September in Düsseldorf mit Vertretern aus dem Profi-Sport stattfand, wurde nicht nur über aktuelle Fragestellungen in der Fußball-Bundesliga, im Bereich Sponsoring und in Sachen Digitalisierung gesprochen. Auch der E-Sport wurde thematisiert. Ein weiteres Zeichen dafür, dass das Wachstumspotenzial der Branche nicht außer Acht gelassen wird. Denn die Grenzen zwischen Spiel, Spaß und Sport bleiben fließend.