Begeistert für Düsseldorf
Warum brauchte es 1989 einen Zusammenschluss wie die…
Das Ballett am Rhein ist ein Kosmos für sich. Aus 45 Tänzerinnen und Tänzern hat Direktor Demis Volpi seine Compagnie geschmiedet, die 18 Nationen vereint. Kaum angetreten, bremste Corona das Ensemble aus. Doch nun folgt eine Premiere auf die andere, darunter Tschaikowskys Klassiker „Der Nussknacker“. Wir stellen sechs Mitglieder der bunten Compagnie vor.
Seine Mutter war Ballettlehrerin, dennoch fand der Koreaner Dukin Seo (29) erst mit 15 Jahren und über den Umweg Eishockey zum Tanz. Aber dann ging alles ganz schnell. Mit 17 wurde er an der renommierten John Cranko Schule in Stuttgart aufgenommen, kam über Stationen in Portugal und München 2020 nach Düsseldorf. „Für Tänzer ist Europa besonders interessant“, sagt er. „Es werden mehr Geschichten erzählt, hier fühle ich mich freier, meine Gefühle zu zeigen. Speziell bei Demis Volpi. Er unterstützt einen dabei, seinen eigenen Weg zu finden.“ Kulturen müssten sich verbinden, wer in seiner eigenen verharre, bleibe engstirnig, glaubt Dukin Seo. Der Anfang in Düsseldorf sei in der Pandemie und ohne Auftritte natürlich hart gewesen, „aber auch eine gute Gelegenheit, über die Gesellschaft zu reflektieren.“ Privates und Berufliches mag er nicht trennen: „Ob zu Hause beim Kochen oder auf der Bühne – mein Leben ist eine Performance. Ich tanze für mich selbst.“
Auch Elisabeth Vincenti (24) wusste früh, was sie wollte – nämlich tanzen. Für diesen brennenden Wunsch war sie bereit, ihre Heimat im Süden Siziliens mit 14 Jahren zu verlassen. Ganz allein auf sich gestellt ging sie nach Rom und besuchte die Ballettschule. „Es fiel mir nicht leicht, so weit weg von meiner Familie zu sein“, erinnert sie sich. „Aber ich wusste, dass es richtig war.“ Nach ihrer Ausbildung wurde sie in die Compagnie übernommen, blieb drei Jahre, wechselte nach Nizza. Und spürte nach zwei Jahren: „Ich will meine Entdeckungsreise in der Welt des Balletts fortsetzen. Dort, wo ich noch mehr erreichen kann.“ Es wurde Düsseldorf, engagiert hat sie Demis Volpi nach einer Audition. Dass bis zum richtigen Start eine harte Geduldsprobe erforderlich war, konnte Elisabeth Vincenti verschmerzen: „Es half, dass so viele Tänzer neu im Ensemble waren. Ich mag die Stadt und konnte sie in dieser Zeit gut kennenlernen.“
Malen, schwimmen, Fußball spielen – der Brasilianer Gustavo Carvalho (25) probierte alles aus, was ihm Spaß machte. Bis er in seiner Klavierklasse zufällig Tänzer auf dem Flur sah und wusste: „Das will ich auch. Meine Mutter richtete ihr gesamtes Leben nach mir aus, um mir
meinen Traum zu erfüllen“, sagt er. Dazu mussten sie ihre Kleinstadt verlassen. Sie verkaufte ihre Läden, vermietete ihr Haus und zog für Gustavos Ausbildung mehrmals mit ihm um, „sonst wäre mir das Tanzen verwehrt geblieben“. Er dankte es ihr mit Fleiß und Ehrgeiz, probte
wie besessen, war mit 17 schon Solist und gewann Preise. Nach fünf Jahren in Uruguay zog es ihn nach Europa. „Hier passiert alles, was mir beim Ballett wichtig ist“, sagt er, selig, endlich wieder vor Publikum auftreten zu können. Sein Heimweh dämpfen sechs weitere brasilianische
Tänzer in der Compagnie und vier aus seiner ehemaligen Truppe in Uruguay.
„Mit fünf Jahren sah ich meine ältere Schwester immerzu tanzen“, sagt Paula Alves (24), „das wollte und durfte ich auch. Und ich liebte es!“ Bald war die erste Schule in Sao Paulo für das talentierte Mädchen nicht mehr gut genug. Sie bekam eine bessere Ausbildung, begann zu reisen und wusste früh: „Das ist mein Leben, nichts anderes will ich machen.“ Ihren ersten Vertrag erhielt die blutjunge Brasilianerin in den USA. „Dort wurde mir klar: Ich bin Tänzerin, ich lebe meinen Traum.“ Dann ging es zurück in die Heimat. „Es war ein tolle Erfahrung, meine Karriere im eigenen Land und nah bei der Familie fortzusetzen. Doch dann lockte mich Europa. Ich war vorher schon mal da und wusste, ich würde es mögen.“ Der mühsame Start am Rhein ist unvergessen: „Wir waren voller Erwartungen und konnten nichts machen. Jetzt tut es gut, auf der Bühne zu sein und die Energie zu spüren. Darum machen wir das ja.“ In Düsseldorf hat sich Paula Alves inzwischen gut eingelebt. „Ich mag die Stadt“, sagt sie. „Klar, der Winter ist heftig. Aber dafür ist Weihnachten das Schönste überhaupt. Ich habe meiner Mutter gesagt: ,Du musst unbedingt herkommen‘.“
Mit japanischer Mutter und italienischem Vater wuchs Maria Luisa Castillo Yoshida (24) in Perugia auf. Als Kind übte sie sich in Kung Fu und im Klavierspiel, liebte es, zu singen und zu tanzen. „Mit neun Jahren wollte ich es unbedingt mit dem Ballett versuchen“, erzählt sie. „Schon bald erwuchs daraus der Wunsch, Profitänzerin zu werden.“ Auch für Maria Luisa war die John Cranko Schule die Eintrittskarte in die Ballettwelt. Mit einem Stipendium setzte sie ihre Studien in London an der Royal Ballet Upper School fort, wurde übernommen und landete über Barcelona in Düsseldorf. „Ich nehme jetzt Deutschstunden“, sagt sie. „Der Verzicht im Lockdown war nicht so schlimm. Dafür habe ich etwas anderes gewonnen, zum Beispiel Freunde in der japanischen Community.“ Was dominiert bei ihren asiatisch-europäischen Wurzeln? „Ich bin eine wirkliche Mischung“, glaubt sie. „Aber Disziplin und eine leichte Reserviertheit sind sicher mein japanisches Erbe.“
„Ich konnte als Kind nie stillsitzen, war immer draußen und probierte jeden Sport aus“, erzählt Rashaen Arts (31). Da war seine Familie schon von der Karibikinsel Jamaika nach Amsterdam gezogen, wo er zu tanzen begann. Erst Jazz und Street Dance, dann klassisches Ballett. Eine anstrengende, aber hochenergetische Zeit. An die Deutsche Oper am Rhein kam er 2013 in der Ära Martin Schläpfer, wurde mit der Compagnie mehrfach ausgezeichnet. Als der Direktor 2020 ging, beschloss Rashaen Arts, zu bleiben. „Ich war bereit für etwas Neues“, sagt er. Und hat es nicht bereut: „Mein Blick auf die Compagnie veränderte sich komplett. Viele stehen noch am Anfang ihrer Karriere. Sie sind begierig zu lernen und schauen auf dich. Ich fühle mich dadurch verantwortlich für die jungen Tänzer.“ Das passt zu seinem Part im „Nussknacker“, wo sich Rashaen Arts als Pate Drosselmeier um die Kinder kümmern muss.