Das kreative Rückgrat der Stadt
Düsseldorf ist eine Kunststadt. Das sieht man allerdings…
Ein Engagement am Schauspielhaus Düsseldorf führte Schauspieler und Drehbuchautor Moritz Führmann 2009 in unsere Stadt. Obwohl er mittlerweile vor allem für Film- und Fernsehrollen wie „Tatort“ engagiert wird, denkt er gar nicht daran, seine Wahlheimat Düsseldorf zu verlassen. Los ging die Tour mit dem Top Magazin in seinem Lieblingscafé „Muggel“ – mit fünf Minuten Verspätung, weil ihm, nun ja … der Fahrradsattel gestohlen worden war. Dafür, dass er sich eigentlich nur mit dem Bike durch Düsseldorf bewegt, nahm es der sympathische Mime angenehm gelassen.
Insgesamt kann ich sagen: Düsseldorf war gut zu mir. Hierher kam ich das erste Mal als Student für ein Gastspiel im FFT Juta. Nach der Vorstellung abends zeigte uns eine Dozentin die Stadt. Ich weiß es noch wie heute, wie ich am Mannesmann-Ufer entlanglief und so bei mir dachte: „Hier spiel ich auch mal.“ Beim Gedanken daran bekomme ich jetzt noch Gänsehaut. Einige Jahre später sollte ich nach einem Vorsprechen am Düsseldorfer Schauspielhaus dann tatsächlich engagiert werden. Zwischen dem Vorsprechen und Vertragsbeginn lagen allerdings anderthalb Jahre, und als ich dann nach Düsseldorf kam, konnte sich zunächst überhaupt keiner mehr daran erinnern. Bei meiner dritten Rolle am Schauspielhaus lernte ich dann meine Frau Anna Schudt auf der Bühne kennen. Aus dem Kaltstart wurde also ein „Von-null-auf-hundert“. Bis auch meine Frau hierher gezogen ist, haben wir eine Fernbeziehung zwischen München und Düsseldorf geführt. Mittlerweile leben wir aber mit unseren beiden Söhnen hier in Oberkassel. Dass wir in Oberkassel gelandet sind, war reiner Zufall: Die Wohnung hat uns einfach sofort gefallen.
Das Muggel an der Dominikanerstraße ist mein Lieblingscafé, weil es eine tolle Geschichte hat: Obendrüber hat zum Beispiel schon Andy Warhol gefeiert. Zum anderen bin ich mit dem Besitzer Alex Esposito mittlerweile richtig gut befreundet. Und wir haben einen gemeinsamen Freund, mit dem ich Drehbücher entwickle. Früher, als ich noch viel Theater gespielt habe, saß ich hier
ganz oft und habe meine Texte vor mich hingebrabbelt. Bei mir geht das mit dem Textlernen immer viel besser, wenn drumherum viel los ist. Außerdem liebe ich das dortige Souterrain-Kino im Keller, ein richtiges „Wohnzimmerkino“. Aus einem Film bin ich mit meiner Frau allerdings mal früher rausgegangen: ein aus unserer Sicht etwas abgedrehter Architekturfilm.
Unsere Lebensmittel kaufen wir gelegentlich auf dem Markt am Barbarossaplatz: Bei Willem Kerssenberg kaufen wir Fisch und bei Gert ter Elst Käse. Beim Film gibt es einen Brauch: Wenn man den zweiten Take der zweiten Einstellung in der zweiten Szene dreht, muss man eine Runde schmeißen, die sogenannte „Schnapsklappe“. Das macht man heute natürlich so nicht mehr. Stattdessen habe ich mal bei Gert eine ganz tolle Käseplatte bestellt, die kam bei den Kollegen sehr gut an. Sowohl Gert als auch Willem sind zwei total liebevoll lustige Typen.
Wenn ich mal Kleidung für besondere Anlässe benötige, geh ich am liebsten zu Andreas Günther ins The Gentleman Side an der Luegallee. Bei ihm bekomme ich tolle italienische Mode.
Andreas hat einen besonderen Blick, und ich habe immer das Gefühl, dass die Kombinationen, die er mir zusammenstellt, auch wirklich etwas mit mir zu tun haben. Und wenn ein Style doch mal etwas „drüber“ ist, können wir uns das gegenseitig offen sagen.
Mit meinem Nachbarn Achim Kröpsch spiele ich hinterm Maxhaus in der Carlstadt sehr gerne Boule. Ich habe zwar kaum eine Chance gegen ihn, weil er oft in der Boulehalle „Sur Place“ mit Deutschen Meistern trainiert, aber es macht trotzdem einfach Spaß. Im August präsentiert er übrigens bei den „Kunstpunkten“ seine Fotokunstwerke.
Am Schauspielhaus bin ich derzeit „Assoziierter Gast“. Ich arbeite jedoch viel für Film und Fernsehen: Während des letzten Lockdowns habe ich in Prag für die ARD-Serie „Bonn“ gedreht, in der ich einen zwielichtigen Agenten spiele.
Eine wahnsinnig tolle Galerie ist für mich das Cosar HMT an der Flurstraße in Flingern von Michael Cosar und Nadja Thiel. Die beiden haben uns anlässlich unseres Michel Houellebecq-Stückes „Karte und Gebiet“ einen fachkundigen und beeindruckenden Einblick in die Welt der Künstler und Galerien gewährt.
Früher war hinter dem alten Bahnhof in Oberkassel die Weinbar Wyno. Als ich noch viel am Theater gespielt habe, bin ich da immer nach der Vorstellung hin und habe so noch die zweite
Halbzeit von Fußballspielen mitbekommen. Dabei habe ich mich mit dem Inhaber Olaf Kölker angefreundet. Mittlerweile ist das Wyno in der Philara, also an der Birkenstraße in Flingern. Fußball habe ich erst kürzlich wieder dort mit einem Freund während der Europameisterschaft geschaut.
Düsseldorf ist eine wirklich angenehme Stadt: Wenn man nach einem langen Urlaub nach München zurückfliegt, ist er innerhalb weniger Sekunden vorbei, weil sich schon am Gepäckband gestritten wird. Wenn man aber nach Düsseldorf zurückkommt, dann schleicht sich der Urlaub erst über die Arbeit aus, weil es nach typisch rheinischer Art oft heißt: „Jo, jo, gehen Se mal vor.“ Oder: Wenn man irgendwo reingeht – sofort hat man ein Gespräch mit jemandem. In der Altstadt in den Brauhäusern lernt man jeden Abend einen neuen besten Freund kennen. Man sieht
sich vielleicht nie wieder, weiß aber wahnsinnig viel voneinander. Die Leute sind einfach superoffen. Das liebe ich! Auch das „alte Düsseldorf“! Ich glaube, Düsseldorf gehört zu den am schlechtesten beleumundeten Städten Deutschlands, weil man mit dieser Stadt nur Kö, Snobismus und Werbeagenturen verbindet. Wenn man aber Düsseldorf kennenlernt, merkt man, wie die Stadt wirklich ist. Als ich vor Jahren mal Schneider Wibbel von Hans Müller-Schlösser gespielt habe, habe ich den Text in einem Brauhaus am Fürstenplatz gelernt.
Am Nebentisch saß eine Kegeltruppe, einem davon habe ich den Text gezeigt und ihn gefragt, ob das Düsseldorfer Platt sei. Da dem nicht so war, hat er mir das ganze Stück übersetzt – mit Ausdrücken wie: „Jetzt mach mich net dat Hemd am Fladdern.“ Oder: „Isch jonn nach Huss, misch hängt der Maren bis op de Fööß.“ Toll finde ich auch dieses Weltmännische an der Stadt und dass es eine Modestadt ist. Es ist eigentlich eine relativ kleine Stadt, die aber alles hat. Das sieht man zum Beispiel auch daran, dass man es im Schauspielhaus schwer hat, mit der Oper, dem Ballett oder der Tonhalle zu konkurrieren. Oder auch die Kunstakademie. Alles, was da ist, hat vielleicht nicht immer Weltrang, aber einen unglaublichen Anspruch. Und die Düsseldorfer selber sind auch so anspruchsvoll, was Kultur betrifft, dass es immer sehr kennerhaft ist, was sie zu Theater sagen. Das ist in meinen Augen für uns Schauspieler ein großes Geschenk. Große Teile meines Lebens spielen sich in Oberkassel ab. Der Weg über die Brücke fühlt sich fast wie eine Weltreise an, es ist halt die andere Rheinseite. Ich bin ja kein gebürtiger Düsseldorfer, ich komme aus Kassel, und obwohl ich hier gerade nur ganz selten auf der Bühne stehe, kommen wir gar nicht auf die Idee, wegzuziehen. Das sagt doch eigentlich alles, oder?