Mit seinem vielseitigen Werk hat Heinz Mack die Kunstszene der Nachkriegsmoderne entscheidend geprägt – als Gründungsmitglied der Zero-Bewegung ebenso wie als Land-Art-Pionier. Anlässlich seines
90. Geburtstages widmet der Kunstpalast dem Düsseldorfer Künstler eine umfassende Ausstellung, bei der sein Frühwerk im Mittelpunkt steht.
Heinz Mack wurde 1931 in Hessen geboren, studierte an der Düsseldorfer Kunstakademie und bezog 1956 ein Atelier an der Gladbacher Straße 69 in Unterbilk. Hier gründete er 1957 zusammen mit Otto Piene die international bedeutende Zero-Bewegung.
Herr Mack, Licht und Bewegung sind zentrale Elemente Ihres künstlerischen Schaffens. Was fasziniert Sie daran?
Ohne Licht ist kein Leben denkbar, ohne Licht ist auch keine Kunst denkbar. In den 70 Jahren meiner künstlerischen Tätigkeit gibt es kein Werk, in dem ich mich nicht mit Licht beschäftige. Gleichzeitig war und ist es immer meine Absicht, künstlerische Gegenstände in eine immaterielle Erscheinung zu bringen. Hierzu gehört einerseits das Licht, aber auch die Bewegung, die ja ebenfalls ein hoher Ausdruck von Leben ist.
Was bedeutet Ihnen die Ausstellung im Kunstpalast?
Zunächst einmal gilt für diese wie für jede Ausstellung: Dass meine Werke das Licht und das Interesse von Menschen finden, welche sie noch nie gesehen haben. Man darf also mit Überraschungen rechnen. Da es sich um eine von einer Kuratorin gestaltete Ausstellung handelt, bei der ich weder den Charakter bestimmt noch die Werke ausgewählt habe, war auch ich gespannt, in welchen Beziehungen diese Arbeiten zueinander stehen würden.
Was empfinden Sie heute, wenn Sie auf Ihre Anfangsjahre als Künstler zurückblicken?
Nach meinem Studium an der Kunstakademie in Düsseldorf kam es in meinem Fall zu einer Krise. Obwohl ich dort vieles von hoher Qualität gelernt hatte – ich war beispielsweise der beste Aktzeichner der Akademie –, erschien mir das alles nicht mehr wichtig. Ich habe mich radikal bemüht, alles, was ich gelernt hatte, zu vergessen. Stattdessen folgten Experimente und Versuche, das damals dominierende „Informel“ und die „École de Paris“ zu überwinden. Das dauerte seine Weile, bis es dann zur Zero-Evolution kam.
Bei dem Kunstwerk „Mein TV“ handelt es sich um einen kleinen schwarzen Kasten, in dem Licht und Bewegung entstehen. Für den Künstler persönlich ist es eines seiner wichtigen Werke. Mein TV, 1967 Holzkubus, Acrylglas, Glühbirnen, Prismen, Spiegel, elektrisches Zubehör Privatsammlung *
Welche Kunstwerke aus dieser Zeit betrachten Sie selbst als Meilensteine Ihres Schaffens?
Diese Frage kann ich eigentlich gar nicht beantworten, denn mir sind alle Werke gleich recht. In letzter Zeit mache ich jedoch die Erfahrung, dass ich beim Anblick von Werken, die ich vor einem halben Jahr noch als Masterpiece gesehen habe, plötzlich denke: So toll war das auch wieder nicht. Oder auch umgekehrt. Da wechselt auch immer die Empfindung. Ein mir wichtiges Werk, das jetzt auch gezeigt wird, ist „Mein TV“, ein kleiner schwarzer Kasten, in dem Licht und Bewegung entstehen. Später sind natürlich meine Stelen hinzugekommen und die
Lichtreliefs – dieser Begriff ist übrigens meine eigene Wortschöpfung. Daraus folgte dann auch das sogenannte Sahara-Projekt, mein erster Land-Art-Versuch. Kunsthistorische
Doktorarbeiten bestätigen inzwischen, dass ich mit meinen ersten Land-Art-Projekten zumindest in Europa Pionierarbeit geleistet habe. Da mir die Land-Art als Teil meines künstlerischen Werkes wichtig ist, bin ich stolz darauf, dass meine Leistung hier nun auch wissenschaftlich nicht mehr wegzudiskutieren ist.
Zero ging als eine der wichtigsten Avantgarde-Bewegungen nach dem Zweiten Weltkrieg in die Kunstgeschichte ein. Wäre eine solche Bewegung heute noch möglich?
Ein klares Nein, denn solche Dinge geschehen nur, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind. Da spielen Zeit, Ort und historische Verhältnisse eine große Rolle. Nach dem Zweiten Weltkrieg und einer grausamen Diktatur war die Zero-Zeit ein Widerstand gegenüber tödlichem Stillstand, einem Koma, einer Depression. In dieser Schattenwelt bin ich aufgewachsen, einer Welt, in der man in einen dunklen Keller ging oder die Leuchtspuren der Raketen von den Fliegerangriffen am Himmel sah. Zero korrespondierte mit dem Wunsch, sich gegen diese
Schattenwelt zu richten und eine neue Welt zu entdecken. In den Ruinen der Zivilisation konnte sich eine ganz neue Sensibilität entwickeln. Zusammen mit der Raumfahrt war Zero „the beginning of all beginnings“.
Heinz Macks Land-Art – wie hier die „Lichtblumen in der Arktis“ –wird mittlerweile wissenschaftlich als Pionier-Leistung anerkannt. Licht-Blumen in der Arktis, 1976, In-situ-Arbeit in der Diskobucht, Baffin Bay/Grönland Courtesy, Archiv Atelier Heinz Mack*
Welchen Ratschlag würden Sie jungen Künstlern mit auf den Weg geben?
„Bildet Euch!“, ist die erste Parole. Studiert die Kunstwerke, die bereits existieren. Und dann muss man versuchen, etwas zu entdecken, was noch nicht entdeckt worden ist. Das erfordert den Einsatz aller Kräfte sowie ein hohes Maß an Risikobereitschaft und Energie. Wenn man das Alte wiederholt, landet man wieder beim Akademismus, und das ist ja nicht Sinn der Sache.
Warum ist Kunst gerade in Zeiten der Corona-Pandemie und jenseits von Systemrelevanz wichtig?
Eine Gesellschaft ohne Kultur ist eine Gesellschaft ohne Licht, ohne Träume, ohne Vitalität, ohne Freude, ohne Antwort auf die Frage, warum wir auf dieser Welt sind und sterben müssen. Bezogen auf mein eigenes Werk kann ich nur sagen, dass ich nicht auf der Welt bin, um systemrelevant zu arbeiten. Meine Kunst plädiert nach wie vor für die Schönheit, für deren gesamten Reichtum und Tiefe. Damit trete ich in eine strikte Opposition zur gegenwärtigen Kunstszene, in der Schönheit noch immer als nicht opportun gilt. Mein Plädoyer für die Schönheit
gebe ich nicht auf, sie ist Bestandteil meiner Humanitas.
Die aktuelle Ausstellung im Kunstpalast widmet sich vor allem Macks Frühwerk, zu dem auch dieses Werk gehört. Wandrelief für ein Musikzimmer, 1955 Schallplatten, Holz 116 × 80 × 21 cm Archiv Atelier Heinz Mack *
Was verbinden Sie mit dem Werk von Joseph Beuys, der in diesem Jahr sein 100. Lebensjahr vollendet hätte?
Wir hatten auf der Kunstakademie beide Unterricht bei Mataré. Die rein menschlichen Beziehungen zwischen Joseph Beuys und mir waren vollkommen ungetrübt und positiv. Künstlerisch gesehen liegen jedoch zwischen ihm und mir geradezu astronomische Entfernungen. Seine Werke und Demonstrationen sind mir vollkommen fremd geblieben, umgekehrt galt das wohl auch für ihn. Aus dem Nebeneinander unserer gegensätzlichen künstlerischen Absichten und Ziele ist jedoch eine Art Kontrastprogramm entstanden. Die Ausstellung seiner und meiner Werke zur selben Zeit wird daher für die Öffentlichkeit sicherlich interessant.