Das kreative Rückgrat der Stadt
Düsseldorf ist eine Kunststadt. Das sieht man allerdings…
Es ist nie zu spät, noch einmal eine ganz neue Richtung einzuschlagen. Vier Düsseldorfer, die ihr Leben völlig umkrempelten, und so ihren Traumjob gefunden haben.
Die Karriere verlief wie am Schnürchen: Nach dem Jura-Studium im Turbogang arbeitete Sarah Vonhoegen erfolgreich als Juristin für Steuerrecht unter anderem bei Ernst & Young und
Deloitte, beides weltweit führende Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaften. Doch irgendwie spukte in ihrem Kopf immer die fixe Idee von einer eigenen Naturkosmetik-Linie herum. Ihre eigenen Hautprobleme waren dabei der Treiber. Denn vor rund zehn Jahren geriet ihre Haut aus dem Gleichgewicht und spielte verrückt. „Ich hatte die sogenannte Stewardessen-Krankheit – zu viel Feuchtigkeit durch Überpflegung und ein Zuviel an falschen Inhaltsstoffen“, erklärt die heute 32-Jährige. Nachdem Hautärzte mit ihrem Latein am Ende waren, setzte sie sich selbst mit dem Thema Hautgesundheit auseinander und forschte. Inzwischen hat Sarah Vonhoegen den Berater-Job an den Nagel gehängt, ihren Traum von einer eigenen Firma mit eigenen finanziellen Mitteln verwirklicht und Fühlich Naturkosmetik mit Sitz in Düsseldorf gegründet. Und was stellt sie her? „Reine Naturkosmetik mit modernsten Wirkstoffen und 100 Prozent vegan“, erklärt die Jung-Unternehmerin und frischgebackene Mutter der kleinen Luise. Mit ihren Produkten will die in Düsseldorf-Düsseltal lebende Sarah Vonhoegen raus aus der alternativ angehauchten Tristesse, die den Begriff Naturkosmetik umgibt.
Vonhoegens Geschäftspartner sitzen in der Region rund um Düsseldorf. Am Niederrhein in Kalkar mischt ein Chemiker die selbst entwickelten Formulierungen für das Beauty-Trio, bestehend aus Creme (die Basis bildet Mandelöl), Reiniger und Serum. Und immer, wenn Nachschub gefragt ist, steht auch Sarah Vonhoegen gemeinsam mit dem Wissenschaftler im Labor. Aus Wuppertal kommen die weißen Glasflaschen, aber auch alle anderen Rohstoffe werden von lokalen Partnern bezogen, wodurch lange Transportwege entfallen. Zu kaufen gibt es die Produkte bislang in erster Linie online unter fuehlich.de und seit Dezember im eigenen „Independent Beauty Store“ in Düsseltal an der Herderstraße. Übrigens: In ihrer Freizeit und bei ihren täglichen Spaziergängen hat die 32-Jährige meist auch „Emil“ an ihrer Seite – eine wilde Labrador-Beagle-Mischung.
Der Wunsch nach cosy, aber stylisher Loungewear ist groß wie nie“, sagt Judith Dommermuth, die mit ihrer Kollektion „Juvia“ im eigenen Showroom an der Kaiserswerther Straße vertreten ist.
2013 hat sie das angesagte Modelabel gegründet, das auf bequeme und zugleich schicke Mode spezialisiert ist. Im Grunde Kleidung für die Couch, nur dass man darin auch auf der Straße eine gute Figur macht, und im Homeoffice. „Wenn etwas im modischen Bereich derzeit gefragt ist, dann diese Loungewear“, sagt die Unternehmerin. Erst vor sieben Jahren hat sich die 44-Jährige den Traum von einem Label mit dem Fantasienamen Juvia erfüllt. „Das war damals eine verrückte Zeit“, erinnert sie sich. Sie hatte Betriebswirtschaft studiert. Als Model für Mode-Katalog-Aufnahmen stand sie vor der Kamera. In einer Stewardess-Uniform machte sie Werbung für Air Berlin. Überall, wo der Schriftzug der Airline auftauchte, sah man sie als Typ „nettes Mädchen von nebenan“. Ihren ersten Werbeauftrag hatte sie übrigens bereits mit sechs Jahren – zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Britta für Pfanni-Reibekuchen. „Bei Werbeaufnahmen mit Kindern wurden gerne Zwillinge gesucht – damit diese zwischendurch ausgetauscht werden konnten“, erinnert sie sich. Vor Ausbruch der Pandemie war ich ständig auf Achse, und wenn ich nach Hause kam, war das Erste: raus aus den Klamotten, rein in den gemütlichen Sweater und die bequeme Hose. So nahm die Idee für meine selbst entworfene „Loungewear“ Gestalt an“, erzählt die Ehefrau des Internet-Milliardärs Ralph Dommermuth. „Ich stehe auf Mix und Match, auf Muster und Töne. Und weil Farbe einfach glücklicher macht und jeden zum Strahlen bringt“, setzt die Macherin gern farbenfrohe Akzente. Die Zeit des Lockdowns stellte auch sie vor unerwartete Aufgaben und Herausforderungen, mit denen sie vorher nie gerechnet hatte. „Plötzlich musste ich meine Business-Pläne komplett neu überdenken und anpassen, was mir aber auch die Möglichkeit gegeben hat, mich noch konzentrierter mit meinem Unternehmen zu beschäftigen, als ich das in meinem bisherigen Alltag geschafft habe.“ Die Krise habe geholfen, vieles neu zu durchdenken, auch andere Wege zu gehen.
Mit 40 hat sie sich endlich getraut und ihr altes Leben über Bord geworfen. „Es war ein langer Weg dahin“, sagt Riccarda Kolb. Nach dem Abitur hat sie Jura studiert und wusste schon bald, dass Gesetzesbücher und Fälle zu knacken nicht ihre Metiers sind. Dennoch hat sie ihr zweites Staatsexamen gemacht und ist heute darüber auch froh. „Als Voll-Juristin habe ich ein super Fundament, und man wird oftmals ernster genommen.“ Gearbeitet als Anwältin hat sie nie. Vielmehr machte sie Karriere als Managerin bei Unternehmen wie Yves Saint Laurent und L‘Oréal. Alles lief nach Plan, und die Businessfrau fühlte sich am wohlsten auf der Überholspur. Bis 2011: als der Job ihr zu viel abverlangte und sie krank wurde. „Damals, im Krankenhaus, erinnerte ich mich wieder an die Zeit, als ich vor Jahren in New York meine Ausbildung zur diplomierten Yogalehrerin gemacht habe“, erzählt sie. Im Grunde ihres Herzens wusste Riccarda Kolb, was ihr wirklich guttut und sie wieder fröhlich strahlen lässt. Sie hat ihren Job gekündigt und sich auf ein neues Abenteuer eingelassen. Heute führt sie zusammen mit ihrem Mann und Geschäftspartner, Matthias Szelersky, das Yogastudio „KarmaKarma“ in Düsseldorf-Friedrichstadt, bildet Yogalehrer aus und beschäftigt 15 Lehrer. „Ricci“ – wie sie alle nennen – ist es gelungen, beide Welten miteinander zu verbinden: Die Mutter eines kleinen Sohnes ist zugleich Unternehmerin und Yogalehrerin. Sie ist flexibel, kreativ und offen für Neues. Auf die Schließung des Studios beim ersten Corona-Lockdown im Frühjahr reagierte sie mit einem Streamingdienst für Online-Yoga. „Die Idee spukte schon lange in meinem Kopf herum, aber durch Corona hatte ich endlich die Zeit, mich darum zu kümmern.“ Riccarda Kolb, die zudem internationale Lehrer trainiert, hat sogar erstmals online ausgebildet. „Ich hätte nie gedacht,welche Möglichkeiten die digitalen Plattformen bieten und wie sehr sie unser Studio voranbringen“, sagt sie. Zuversichtlich blickt die 48-Jährige in die Zukunft – das Leben wird „eine Kombination aus dem, was wir waren und dem, was wir jetzt machen.“ Yoga bedeutet ihr mehr als nur Übungen in Verbindung mit der richtigen Atemtechnik; Yoga ist eine Lebenseinstellung, und: „Wir proben auf der Matte für das Leben da draußen“, sagt sie.
Sport begleitet ihn von klein auf. Früher hieß es oft „Satz“, „Spiel“, „Sieg“ oder „Aufschlag“, „Ass“, „Aus“: Erfolgreich spielte Matthias Kaster Tennis und hat es als Profi bis in die zweite Bundesliga geschafft. Sport-Marketing hat der gebürtige Bielefelder studiert und einige Jahre auf Norderney als Tennislehrer gelebt, bevor es ihn nach Düsseldorf zog. Bei Zamek – das 1932 gegründete Unternehmen gehörte zu den Pionieren der Fertiglebensmittel-Hersteller und erfand den Brühwürfel – kümmerte sich der heute 52-Jährige damals um Sponsoring und Werbe-Etats. „Die Fortuna lief im Zamek-Trikot auf, die DEG wurde viele Jahre lang unterstützt und vor allem auch der traditionsreiche Verein TC Benrath, der sechs Mal die Deutsche Meisterschaft im Tennis gewann“, erinnert sich Kaster. Gemeinsam im Trainer-Team hat er die Damen-Mannschaft betreut, zu der auch Barbara Rittner gehörte, heute die erste Bundestrainerin des Deutschen Tennis Bundes sowie Andrea Petkovic (heute unter den Top 20). Als Zamek, deren Werbespruch „Mit Zamek fängt die Mahlzeit an“ in den 70er- und 80er-Jahren fast jeder kannte, in die Schieflage geriet und sein Sponsoring quittierte, hatte sich Matthias Kaster bereits komplett neu orientiert: Nachdem er seine Frau Maren – ein Profi im Modebusiness, die während des Studiums schon auf der Igedo modelte – kennengelernt hatte, entdeckte er auch sein Verkaufstalent für Kleider, Hosen und Pullis. Seitdem ist das Duo privat (beide spielen in der Freizeit beim Tennisclub Grün-Weiß in Oberkassel) und beruflich ein eingespieltes Team. „Mit unserer Agentur bilden wir die Brücke zwischen Produzenten und Handel“, sagt Kaster. Kollektionen verschiedener Marken, darunter die niederländische Marke TKY, hängen perfekt inszeniert an der Stange im Showroom an der Cecilienallee. Der Handelsagent weiß, wie stark sich die Anforderungen der Kunden verändert haben. Erst recht, seitdem die Pandemie das Modegeschäft verhagelt und viele Einzelhändler in die Knie zwingt. Alte Systeme funktionieren nicht mehr. Online und Instagram werden zunehmend wichtiger. „Auch wir als Handelsagentur müssen jede Saison neue Erlebnisse bieten“, heißt es bei Kaster & Kaster.