Man muss immer wieder beweisen, dass man das Beste aus dem Job macht
Als Geschäftsführerin Human Resources von Vodafone Deutschland ist Bettina Karsch dafür zuständig, die richtige Person am richtigen Platz zur richtigen Zeit einzusetzen – unabhängig vom Geschlecht. Sie gilt als große Befürworterin von Frauen in Führungspositionen und setzt sich für spezifische Talentprogramme ein. Im Top Magazin erzählt die Managerin, was sie an ihrer Aufgabe reizt und welche Erwartungen sie an top ausgebildete weibliche Führungskräfte hat.
Bettina Karsch, Geschäftsführerin Human Resources von Vodafone Deutschland
Top Magazin: Sie haben eine internationale Ausbildung, studierten in den USA an der renommierten Brown University in Providence und machten Ihren Master in Argentinien. Nach Jobs in verschiedenen Städten wie London, Kopenhagen und Madrid arbeiten Sie jetzt als Geschäftsführerin Human Resources bei Vodafone in Düsseldorf. Wie haben Sie von der Auslandserfahrung profitiert?
Bettina Karsch: Durch die häufigen Landes- und damit einhergehenden Kulturwechsel musste ich mich immer wieder in die Gedankenwelt anderer Völker einfühlen. Das bringt automatisch eine hohe Affinität zum Anderssein mit sich und … nebenbei habe ich auch noch vier Sprachen gelernt, was man natürlich gern „mitnimmt“ (lacht!). Dazu fällt mir auch spontan das Stichwort „learning agility“ ein, also die Fähigkeit, sich schnell anzupassen und zu lernen. Ich denke, dass mir genau das sehr in meinem Berufsleben geholfen hat.
Sie haben auch lange in arabischen Ländern gelebt.
Richtig, mein Vater arbeitete für ein deutsches Pharmaunternehmen viele Jahre im Ausland. Ich wurde in der Elfenbeinküste in Afrika geboren. Danach ist meine Familie zunächst nach Madagaskar umgezogen und dann nach Algerien, wo in meiner Jugend ein autoritäres Regime herrschte. In dieser Zeit durften meine drei Schwestern und ich partout nicht allein auf die Straße, das wäre unpassend gewesen. Erst mit 15 Jahren haben wir diesen Kulturkreis verlassen und sind nach Südamerika umgezogen. Die Jugend in fremden Kulturen hat mich schon deutlich geprägt.
Was reizt Sie an Ihrer Aufgabe?
Zu 100 Prozent der Umgang mit Menschen – wie sie denken, wie sie fühlen, wie sie sich verhalten. Und je älter ich werde, desto spannender finde ich es zu beobachten, was sie in ihren Karrieren antreibt. Warum geht der eine mutig nach vorne, warum zögert ein anderer? Der Kontakt mit Menschen und sie zu unterstützen, das ist für mich das A und O in meinem Job.
War das Personalwesen von Anfang an Ihr Ziel?
Nein, überhaupt nicht. In der Schule war ich vor allem in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern gut. Deshalb habe ich an der Brown University in den USA Wirtschaftswissenschaften studiert und nach dem Studium bei der Dresdner Bank gearbeitet. Doch ich habe gemerkt, dass mir das alles zu trocken war. Ich hatte den Wunsch, enger mit Menschen zusammenzuarbeiten und wollte auch meine empathischen Fähigkeiten einsetzen. So ergab es sich quasi von allein, dass ich einen anderen Weg einschlug.
Was ist derzeit die größte Herausforderung?
Wir sind in einer Branche unterwegs, die sich rasant entwickelt. Viele Menschen brauchen aber eine gewisse Konstanz und Routine. Hier die richtige Balance zu finden, und zwar langfristig, das ist eine echte Herausforderung, die aber zugleich viel Spaß macht.
Welche drei wichtigsten Eigenschaften, die Sie mitbringen, haben Ihnen auf dem Weg an die Spitze eines der führenden Kommunikationskonzerne Deutschlands geholfen?
An erster Stelle ganz klar – Lernfähigkeit. Zweitens Resilienz, denn die Leistungs-Anforderungen an der Spitze sind hoch und man muss nicht nur körperlich, sondern auch psychisch widerstandsfähig sein. Das gilt übrigens nicht nur für den Job, sondern auch für die Familie und für sich selbst. Schließlich Authentizität. Diese Eigenschaft ist mir sehr wichtig, denn Personen, die sich verstellen, wirken distanziert und denen hört man nicht gern zu – zumindest geht es mir so.
Vodafone beschäftigt bundesweit derzeit 39 Prozent Frauen, auf der Vorstandsebene sind es 43 Prozent. Dennoch – auf unteren Ebenen ist der Anteil von Frauen in Führungspositionen deutlich geringer. Welche Gründe sehen Sie dafür, dass es bislang zu wenig Frauen in Führungspositionen geschafft haben?
Wenn wir von einem Land wie Deutschland reden, haben wir eine enorme Nachholschuld. Um einen Führungsposten mit einer Frau zu besetzen, muss man auch in der Ebene darunter genug Potenzial haben, damit im Auswahlverfahren der Anteil von Frauen und Männern gleich groß ist. Und genau da liegt das Problem. Deshalb richten wir den Blick auf diese Ebenen und dass sich dort genügend Frauen positionieren. Das ist eine Bringschuld der Unternehmen, aber auch eine absolute Holschuld der Frauen.
Wie meinen Sie das?
In Bewerbungsprozessen muss ich immer wieder Frauen überzeugen, den nächsten Schritt auf der Karriereleiter zu machen. Ich mache ihnen oft in persönlichen Gesprächen Mut. Frauen steigen wegen der Familienplanung natürlich einige Zeit aus, aber sie sollten sich davon nicht entmutigen lassen. Im Gegenteil! Es lässt sich alles organisieren, man muss es aber auch beim Arbeitgeber einfordern und zeigen, dass man weiterkommen möchte. Und ganz nebenbei: Warum übernehmen nicht die Männer die Hälfte der Kindererziehung? Dann könnten beide ihre Karriere gleichermaßen voranbringen.
Die Deutschland-Zentrale von Vodafone hat ihren Sitz in Düsseldorf-Heerdt.
Was muss sich also grundsätzlich ändern, damit top ausgebildete Frauen Spitzenjobs bekommen?
In Deutschland ist ein grundsätzlicher Paradigmenwechsel nötig. Männer und Frauen müssen umdenken. Die Frauen sollten sich mehr zutrauen und einfordern. Und Männer sollten das nicht nur akzeptieren, sondern unterstützen, zum Beispiel in der Kindererziehung. Es ist nicht leicht, aber es geht. Angesichts der aktuellen Situation, nach dem Lockdown während der Corona-Pandemie, sieht man doch, was alles möglich ist. Auf einmal funktioniert Arbeiten im Homeoffice, auf einmal gibt es Video-Konferenzen, die eine Anwesenheit vor Ort in Meetings überflüssig macht. Auf einmal ist vieles digitalisiert, was vorher angeblich nicht machbar war. Warum sollte das nicht beim Thema „Frauen“ auch gehen?
Haben Sie im Laufe Ihres Berufslebens festgestellt, dass Frauen über besondere Stärken oder Schwächen verfügen?
Jeder Mensch hat Stärken und Schwächen, egal welches Geschlecht er hat. Aber es gibt durchaus einige Beispiele, die mir spontan einfallen. Nehmen wir Gehaltsgespräche. Es fragen grundsätzlich häufiger Männer als Frauen nach einer Erhöhung, auch unterjährig. Männer gehen das sehr selbstbewusst an, Frauen sind da zu zurückhaltend. Meine Empfehlung ist, sich auf Gehaltsgespräche gut vorzubereiten, sachlich zu argumentieren und sich nicht zu verstecken.
Welche Rolle spielt Selbstmarketing, und wie kann man das lernen?
Von meinem Chef Hannes Ametsreiter, CEO Vodafone Deutschland, habe ich gelernt: Tue etwas Gutes und sprich darüber. Das sagt aus meiner Sicht schon alles und ist doch ein wunderbarer Tipp, oder?
Wie wichtig ist Networking für die Karriere?
Ungemein wichtig, da haben wir Nachholbedarf. Gerade Frauen-Netzwerke sind durchaus sinnvoll, man unterstützt sich gegenseitig, bekommt Tipps, lernt voneinander und fragt um Rat. Vor allem macht die Arbeit in Netzwerken aber auch viel Spaß.
Wie muss sich die Arbeitskultur in den Unternehmen entwickeln, um bei der anspruchsvollen Generation Y punkten zu können?
Weg von Hierarchien, mehr Modernität und Coolness – das sieht man auch jetzt in der Corona-Zeit: Wie viele Chefs haben Video-Konferenzen mit einem Kind auf dem Schoß gemacht. Das berufliche Miteinander wird menschlicher – und das ist auch gut so. Der Generation Y sind Statussymbole nicht so wichtig, die Work-Life-Balance muss stimmen.
Worauf liegt diesbezüglich bei Vodafone der Fokus?
Das gesamte Setting bei uns ist modern, unprätentiös, locker. Das heißt aber nicht, dass wir nicht hart arbeiten (lacht!). Wir haben in der Deutschland-Zentrale in Düsseldorf schon lange keine geschlossenen Büros mehr, selbst der CEO nicht. Überall auf dem Campus kann flexibel gearbeitet werden: am Schreibtisch, in der Cafeteria, in Thinktanks oder einem der zahlreichen Besprechungsräume. Im gesamten Unternehmen herrscht eine Duz-Kultur. Und natürlich haben wir ein Kita-Angebot, wo aktuell 130 Kinder unserer Mitarbeiter betreut werden, sowie ein Fitness-Studio, das gratis ist – samt Kursen. Ganz zu schweigen von der Homeoffice-Möglichkeit, die bei uns schon seit acht Jahren existiert. Das Gesamtkonzept ist stimmig, und ich glaube schon, dass Vodafone damit bei Bewerbern punkten kann.
Offene Raumstrukturen und eine Vielfalt an unterschiedlichen Arbeitsumgebungen prägen das Bürokonzept bei Vodafone.
Wie motivieren Sie Ihr Team?
Ich bin jemand, der vor Energie sprudelt und habe zudem eine große Leidenschaft für meinen Arbeitgeber und für das, was ich tue. Gestelztes Auftreten ist nicht mein Ding, ich will authentisch und nahbar sein. Und die guten alten Tugenden wie Höflichkeit und Respekt gegenüber anderen sind mir enorm wichtig. Aber eine Führungskraft muss auch delegieren! Kann ich das? Ich glaube schon, denn ich halte mich gern im Hintergrund und lasse mein Team glänzen.
Was war der beste Rat, den Sie im Laufe Ihres Berufslebens bekommen haben?
Das sind so viele. Aber an dieser Stelle nenne ich gern den Rat meiner ersten Chefin: Die, die viel bekommen, müssen auch viel geben. Soll heißen: Chef-Sein ist kein Privileg, sondern eine Dienstleistung. Und man muss immer wieder beweisen, dass man das Beste aus dem Job macht.
Wie würden Sie Ihren Führungsstil bezeichnen?
Dynamisch! Ich habe immer Energie. Das ist auch für meine Mitarbeiter nicht immer leicht (lacht wieder). Mal ehrlich: Auch ich muss an mir arbeiten.
Offene Raumstrukturen und eine Vielfalt an unterschiedlichen Arbeitsumgebungen prägen das Bürokonzept bei Vodafone.
Wie entspannen Sie am besten?
Ich mache regelmäßig Bikram Yoga, 90 Minuten im auf 42 Grad geheizten Raum. Danach bin selbst ich ruhig. Entspannen kann ich aber auch beim Kochen für meine Familie. Ein schönes Abendessen mit meinem Mann und meinen drei Kindern – das hilft immer.
Mit wem würden Sie gern mal einen Abend verbringen?
Mit Barack Obama, ich finde ihn und seine Frau extrem beeindruckend. Ich würde ihm 1000 Fragen stellen.
Gibt es noch einen Traum, den Sie sich erfüllen wollen?
Ich lebe meinen Traum. Ich hoffe sehr, dass es so weitergeht und ich im privilegierten Deutschland leben und arbeiten darf.
Bettina Karsch im Gespräch auf Abstand mit Ulrike ter Glane (Top Magazin)