Das kreative Rückgrat der Stadt
Düsseldorf ist eine Kunststadt. Das sieht man allerdings…
Burghart Klaußner gastiert regelmäßig in Düsseldorf. Derzeit ist er auf der Bühne in Bertolt Brechts „Leben des Galilei“ zu sehen.
Erst „Heisenberg“, dann „Der Kaufmann von Venedig“, jetzt das „Leben des Galilei“: Seit 2016 ist Burghart Klaußner ein regelmäßiger Gast am Schauspielhaus. Und er kommt gern. „Eine Zeit lang hatte das Düsseldorfer Theater einen eher wackeligen Ruf“, sagt er. „Jetzt ist es auf dem Weg zur Weltklasse.“ Großes Lob aus berufenem Mund. Burghart Klaußner gehört zu den profiliertesten deutschen Künstlern. Auf der Bühne, im Film und im Fernsehen hat er mit geschliffenen Charakterstudien nachhaltige Spuren hinterlassen. Im TV-Zweiteiler „Brecht“ von Heinrich Breloer spielte er 2019 die Titelrolle. Als Galileo Galilei machte er sich nun in Lars-Ole Walburgs minimalistischer Inszenierung eine der berühmtesten Brecht-Figuren zu eigen. „Ja, der Brecht lässt mich überhaupt nicht mehr los“, bestätigt Burghart Klaußner. „Unglaublich, wie intensiv man in einen Text eindringen kann. Das geht bei der Vorbereitung auf eine Rolle Tag und Nacht. Warum sagt man das? Wie klingt das? Es ist ein lustvolles Arbeiten, fast eine Art Meditation.“ Weil er so tief in den Kosmos des Dichters eintauchte und dabei auf spannende Zusammenhänge stieß, konzipierte der Schauspieler den literarisch-musikalischen Abend „Fragen Sie mehr über Brecht.“ Die Premiere im Kleinen Haus, geplant für den 17. April, muss aus aktuellem Anlass vorerst leider entfallen.
„Als Schauspieler musst du Dulder und Kämpfer in einer Person sein“
Der Titel geht auf das gleichnamige Buch von Hanns Eisler zurück, in dem der Komponist in scharfzüngigen und witzigen Essays seine Künstlerfreundschaft mit Bertolt Brecht und die gemeinsame Zeit im kalifornischen Exil dokumentierte. Burghart Klaußner bewundert den vielseitigen Intellektuellen Hanns Eisler. Dabei hat er sich selber mit Talenten auf allerlei Gebieten hervorgetan. Mit großem Vergnügen übersetzte er Chansons von Charles Trenet aus dem Französischen. „Ein herrlicher Moment, wenn Sprache anfängt, sich zu binden und zu reimen“, sagt er. Ein Buch hat er auch geschrieben. „Vor dem Anfang“ spielt an einem einzigen Tag, dem 23. April 1943.
Im Gespräch begeistert Burghart Klaußner als brillanter, kluger und humorvoller Erzähler von erstaunlichem Freimut. Denn auch seine Schwächen verschweigt er nicht. „Ich bin aus mehreren Theatern rausgeflogen, weil ich meine Schnauze nicht halten konnte. Und nichts wusste von den Gesetzen in der Theaterwelt. Da ich nicht aus einer Künstlerfamilie stammte, hatte ich ein Defizit.“ Karriere machte er trotzdem. Er spielte an den bedeutendsten Bühnen und unter den renommiertesten Regisseuren des Landes. Zum Film kam er spät, aber dann gewaltig. „Ich interessierte mich anfangs nicht besonders dafür“, sagt er. „Dazu kam, dass die deutsche Filmlandschaft viele Jahre am Boden lag. Das änderte sich erst mit Rainer Werner Fassbinder. Allerdings hätte ich für den Film das Theater aufgeben müssen. Und das wollte ich nicht.“
Bis ihn 1991 die verstörende Rolle als prügelnder Vater in „Kinderspiele“ reizte. Ein kaputter Charakter, den er später in „Das weiße Band“ mit noch subtilerem Terror auf die Spitze trieb. „Die Figur des Pfarrers war mir vertraut“, offenbart er. „Mein eigener Vater trug ähnliche Züge. Auch er glaubte, aus Liebe strafen zu müssen.“ Der Schwarz-Weiß-Film von Michael Haneke wurde für einen „Oscar“ nominiert. „Ja, er hat es weit gebracht, bis nach Hollywood. Ein großes Ereignis, auch für mich. Denn ein solches Drehbuch ist mir nie wieder begegnet.“ Dafür aber andere Rollen, für die der Schauspieler Preise bekam. In „Der Staat gegen Fritz Bauer“ gab er einer historischen Person Gesicht und Profil. Der Jurist Fritz Bauer brachte in den 60er-Jahren die Auschwitz-Prozesse in Gang, gegen alle Widerstände. „Er war jüdisch, homosexuell und links“, zählt Burghart Klaußner auf. „Und Schwabe. Den Dialekt brachte mir meine gute Freundin und geschätzte Kollegin Maren Kroymann bei.“ Auf rein beruflicher Ebene schwärmt er von Caroline Peters. Seine Partnerin in „Heisenberg“ sei lustig und intelligent und ihm schon in der TV-Serie „Mord mit Aussicht“ aufgefallen. Sein erster Gedanke damals: „Donnerwetter, ist das eine tolle Frau!“ Das Zwei-Personen-Stück wird seit 2016 in Düsseldorf aufgeführt und ist inzwischen sogar ans Wiener Burgtheater verkauft worden. Natürlich sei es großartig, dort zu spielen, bestätigt Burghart Klaußner, dem Theater gehöre nun mal seine ganze Leidenschaft. Die Schattenseiten seines Berufes verhehlt er dabei nicht: „Das Leben eines Schauspielers ist wunderschön, aber nicht leicht und geprägt von ununterbrochener Konkurrenz. Du musst Dulder und Kämpfer in einer Person sein. Und sensibel genug, gleichzeitig zu senden und zu empfangen.“