Das kreative Rückgrat der Stadt
Düsseldorf ist eine Kunststadt. Das sieht man allerdings…
Bekannte Düsseldorfer erzählen, wie sie zu ihrem Lieblings-Instrument kamen und was es für sie bedeutet.
Das Wunder der schönen Töne
Für viele Kinder ist die Blockflöte die erste Begegnung mit einem Instrument. Manche legen sie gleich wieder entnervt beiseite. Bei anderen wecken die einmal entlockten Töne die Lust auf mehr. So ging es einst auch Thomas Geisel. Nach zwei Jahren Blockflöte schwenkte er als Achtjähriger zur Querflöte um. „Bis zum Abitur erhielt ich Unterricht in der Musikschule in Ellwangen“, erzählt der Oberbürgermeister. „Mit meiner Flötenlehrerin hatte ich nie wieder Kontakt. Doch als ich mein Amt in Düsseldorf antrat, bekam ich einen entzückenden Brief von ihr. Sie fragte mich, ob ich noch spiele. Ich musste ihr gestehen, dass ich eine sehr lange Pause eingelegt hatte.“ Vor der Konfirmation seiner ältesten Tochter Indira (aus erster Ehe) nahm er das Musizieren wieder auf. „Ich machte ihr je ein Geschenk für die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft“, berichtet Thomas Geisel. Für die Gegenwart stand ein Flöten-Duett mit seinem Schwager, professioneller Flötist beim Berliner Radio-Sinfonieorchester. Seitdem musiziert der OB wieder regelmäßig und führte die Tradition eines Weihnachtskonzertes ein, bei dem er mit anderen bekannten Düsseldorfern mitwirkt. Vorletztes Jahr schenkte ihm seine Verwaltungskonferenz Unterricht bei Ruth Legelli, der ersten Flötistin der Düsseldorfer Symphoniker. „Das gemeinsame Musizieren ist eine angenehme Entspannung. Ich betrachte mich als Dilettant auf höherem Niveau.“ Was allerdings Tiefstapelei ist. Er könne nur Klassik, sagt er, das Improvisieren liege ihm nicht. „Von Mozart gibt es wunderbare Stücke für Querflöte. Es ist immer ein kleines Wunder, welche schönen Töne dabei herauskommen.“ Mit seiner Familie erlebt er das auch. Ehefrau Vera spielt Geige, und alle vier Töchter haben zumindest zeitweise ein Instrument gespielt oder tun es noch.
Durchdrehen mit dem Saxophon
Auch Nina Ensmann hat es zunächst mit der Blockflöte versucht. „Das machte mir Spaß, aber dann wollte ich einfach mehr Gas geben“, sagt sie. Die Wahl-Düsseldorferin aus dem Münsterland, erfolgreich als Model, Moderatorin und Schauspielerin, wusste ziemlich schnell, dass es unbedingt ein Saxophon sein sollte. „Ich fand das Instrument toll“, erzählt sie. „Mein Vater war Jazz-Liebhaber, seine Schallplatten durfte ich als Kind nie anfassen. Aber wir haben gern dazu getanzt.“ Auf einem Leihinstrument in der Musikschule probierte sie es mit dem Saxophon aus. „Das ging flott, jede Woche lernten wir ein neues Lied. Zum Glück hatten wir ein freistehendes Haus, betimmt hätte ich die Nachbarn gequält“, sagt sie. Gar so schlecht kann Nina Ensmann aber nicht gewesen sein. Sonst hätte sie ihr Lehrer wohl kaum gefragt, ob sie in der Bigband der Musikschule mitspielen wolle. „Das war verknüpft mit Übungsstunden und Auftritten am Wochenende“, erinnert sie sich. „Ich hab das Saxophon geliebt. Wir spielten Jazz, Songs aus Musicals und ganz moderne Sachen. Lauter funky Arrangements.“
Irgendwann stieg sie vom Tenorsaxophon aufs schwerere Altsaxophon um. Ein eigenes Instrument hatte sie nie, und mit dem Umzug nach Düsseldorf war die musikalische Jugend-Episode erst einmal beendet. Wenn Nina Ensmann heute die Sehnsucht packt, spaziert sie mit Chihuahua-Hündchen Loulou zum Vintage-Saxophon-Laden und leiht sich ein nostalgisches Schätzchen aus den USA aus, etwa ein King Super 20 mit Originalgurt aus den 40er-Jahren. „Saxophon ist eine Leidenschaft“, schwärmt Nina Ensmann. „Der Klang und die Musik, die man damit erzeugen kann, sind einzigartig. Du kannst laut und leise darauf spielen, kannst total durchdrehen, wenn dir danach ist. Ich drücke alle meine Gefühle damit aus.“
Ein kleines Familien-Orchester
Dem Intendanten der Tonhalle und der Düsseldorfer Symphoniker wurde die Musik ganz automatisch erschlossen. Kein Wunder, wenn der Vater Präsident der Hannoverschen Musikhochschule ist und die Mutter Musiklehrerin. „Mit sechs Jahren fing ich mit Geige an“, erzählt Michael Becker. „Dann gab es eine Phase, in der mir Fußballspielen, Fahrrad fahren und Raufen mit den Brüdern wichtiger waren.“ Beim zweiten Versuch mit der Bratsche ging er ernsthaft ans Werk und schloss sein Viola-Studium an der Musikhochschule Düsseldorf mit Diplom ab. Er wollte Orchestermusiker werden – bis ihm sein Interesse für Journalismus in die Quere kam und er das Feld wechselte. Heute kann Michael Becker beides verbinden – die Kommunikation und die Musik. „Bei Konzerten in der Tonhalle bin ich mit ganzem Herzen dabei“, sagt er. „Das ist hochemotional für mich, vor allem, wenn ich sehe, wie viel Spaß die Musiker haben.“ Zur Bratsche greift er nur noch gelegentlich und auf Abruf, etwa bei Familienfeiern. Aber auch im Hause Becker wird hin und wieder musiziert. „Ein kleines Orchester kriegen wir locker zusammen“, sagt er. „Manchmal setze ich mich auch gern ans Klavier. Und als wir neulich beim 80. Geburtstag meines Schwiegervaters spielten, klang es sehr schön.“ Seine Frau Sara ist Pianistin. Zwei der Töchter haben sich jüngst von Cello und Kontrabass auf den Sport verlegt. Aber die dritte Tochter (12) spielt Geige, der Sohn (9) Posaune. Das gemeinsame Spiel habe auch eine erzieherische Komponente: „Kinder üben leichter, wenn die Eltern mitmachen, weil es dann gleich voller klingt.“
Dudelsack für Gänsehaut-Momente
Als Jugendlicher brachte sich Thomas Puppe das Gitarrespielen bei. „Wenn wir dann bei Freizeiten am Lagerfeuer saßen, fand ich das cool. Die alten Songs von Bob Dylan kann ich heute noch.“ Aber das blieb nicht die einzige musikalische Inspiration für den Bäckermeister. Inzwischen wurde die Gitarre vom Dudelsack verdrängt. „Ein Gänsehaut-Instrument“, sagt er. „Ich finde den Sound, wie ihn auch die Rhine Area Pipes & Drums hinkriegen, toll. Oft habe ich rumgefrotzelt und gesagt, ich lerne Dudelsack.“ Bis er beim Wort genommen wurde. Belegschaft und Familie überraschten ihn an Weihnachten mit einem Dudelsack-Kurs. Thomas Puppe war verblüfft, dass er nach der ersten Stunde schon den gefühlvollen Dauerbrenner „Amazing Grace“ beherrschte. Dabei ist die beim Dudelsack erforderliche Koordination von Blasen und Drücken gar nicht leicht. „Sehr anstrengend, speziell für Männer, deren Feinmotorik nicht so perfekt ist“, stellte er fest. „Der Dudelsack ist übrigens keine rein schottische Nummer, den gibt es in allen Kulturen.“ Für Thomas Puppe brachte der Unterricht eine neue Erkenntnis: „Den ganzen Tag habe ich als Chef in der Backstube das Sagen. Auf einmal gibt ein anderer den Ton an. Ein komisches Gefühl, aber klasse.“ Wegen seiner vielen Hobbys und Ehrenämter liegt das Dudelsack-Spiel gerade auf Eis. „Ich will auf jeden Fall weitermachen“, beteuert er. „Eines Tages vielleicht sogar im Karneval, gemeinsam mit einem närrischen Zahnarzt, der auch Dudelsack spielt.“ Immerhin geht seine Hingabe so weit, dass er kürzlich nicht einmal im Spanien-Urlaub auf das Instrument verzichten wollte und sich eine „Schäferpfeife“ ausgeliehen hat.
Die Sinnlichkeit der Geige
Bei der Geschäftsführerin der Rheinoper könnte man eine wohlwollende Neigung zum Dudelsack vermuten: Ihr Mann Douglas ist Schotte. Da lacht Alexandra Stampler-Brown und drückt ihre Geige an sich. Als zartes sechsjähriges Mädchen nahm sie in ihrer Heimat Kapfenberg in der Steiermark Geigenunterricht bei einem ungarischen Lehrer. „Ich übte emsig und machte schnell Fortschritte“, erzählt sie. Schon bald durfte sie im Jugendorchester und mit zehn Jahren bei den Erwachsenen mitspielen. Parallel begann sie mit Klavier. Ihr Lehrer wollte eine Pianistin aus ihr machen, doch sie gab der Geige den Vorzug, trat bei Konzerten auf, gewann Wettbewerbe. „Alle dachten, ich werde Profi-Musikerin“, sagt sie. Auf der Musikhochschule in Wien hätte man sie genommen. Aber das wollte sie nicht mehr. „Ich hatte zu viele Interessen“, begründet Alexandra Stampler-Brown. „Mir gefiel auch nicht, wie die Profis untereinander diskutierten. Das war nicht meine Welt.“ Sie schloss ein Jura-Studium ab, blieb der Musik aber über die Akademische Philharmonie eng verbunden. In Djakarta, wohin sie im Auftrag ihrer Anwaltskanzlei zog, unterrichtete sie Diplomaten-Kinder in einem Streichorchester. „Und ich mit meiner Geige vorneweg. Ich lernte dort auch Cello und Kontrabass.“ Später probierte sie es in einem Ensemble für neue Musik. „Da musste ich absichtlich kratzend spielen“, sagt sie. „Melodien waren das nicht, eher Geräusche.“ Seitdem sie Geschäftsführerin der Rheinoper ist, geriet das eigene Spiel ins Hintertreffen. Aber sie kümmert sich liebevoll um die Instrumente. „Ich drehe meine Runden, schaue nach, was getauscht und ersetzt werden muss.“
Harter Rock zur Entspannung
Als echter Einheimischer geht der bekannte Fernseh-Arzt Doc Esser nicht durch. Trotzdem passt Dr. med. Heinz-Wilhelm Esser in die Sammlung. Neben seiner Kliniktätigkeit in Remscheid führt er mit Professor Burkhard Sievers die Privatpraxis „Cardiomed24“ in Alt-Meererbusch. In seiner Freizeit tourt er mit der Heavy Metal-Band „Gun Barrel“ durchs Land. „Knallharter Rock, schön laut, das perfekte Abreagieren nach der Arbeit“, sagt der Kölner. Er kann aber auch ruhiger, wie die Pop-Jazz-Platte „Someone New“ mit Sängerin Shanai und selbstgeschriebenen Songs und Arrangements beweist. „Ich komme ganz klassisch vom Akkordeon und habe das richtig gut gelernt“, erzählt er und scherzt: „Meine Mama hatte immer Angst, dass aus mir nichts wird. So hätte ich mein Geld wenigstens auf der Straße verdienen können.“ Mit dem Akkordeon nahm es ein jähes Ende, als sich der Leistungsschwimmer bei einem schweren Unfall an einer Glasscheibe die Nerven der linken Hand durchschnitt. „Alle glaubten, sie würde steif bleiben. Das konnte ich nicht akzeptieren. Mit der Schwimmkarriere war es vorbei. Stattdessen kaufte ich mir eine Gitarre, um die Finger zu trainieren.“ Das klappte derart gut, dass er sich der wilden Rockband „Substyle“ anschloss und mit ihr im Raum Köln-Mönchengladbach „alles bespielte, was eine Steckdose hatte“. Die Jungs rockten die Reeperbahn und reisten bis hoch nach Skandinavien. Doch irgendwann war die Luft raus, und Doc Esser konzentrierte sich ganz auf die Medizin. Bis ihn die Lust an der Musik wieder packte. Sie hält an, „Gun Barrel“ produziert gerade ein neues Album. Seine weiße ISP-Gitarre wird also wieder mächtig strapaziert.