Begeistert für Düsseldorf
Warum brauchte es 1989 einen Zusammenschluss wie die…
Petra Horn ist seit 2015 Vorstandsmitglied der SOS-Kinderdörfer weltweit und Vorstandsvorsitzende der Hermann-Gmeiner-Stiftung. Im TOP-Interview erzählt sie, warum sie sich nach 25 Jahren in der Industrie für eine NGO (Nichtregierungsorganisation) entschieden hat und was ihr großer Traum ist.
Top Magazin: Der Vorstand der SOS-Kinderdörfer weltweit besteht aus drei Mitgliedern. Sie sind schwerpunktmäßig für das sogenannte „Leadership Giving“ zuständig. Was sind Ihre Aufgaben?
Petra Horn: Ich verantworte den Bereich, in dem es um persönliche Kontakte zu unseren Partnern und Spendern geht. Dies sind zum Beispiel Partnerschaften mit privaten Förderern, Unternehmen, Stiftungen, Family Offices, also Gesellschaften, die sich um die Verwaltung des privaten Großvermögens von Eigentümerfamilien kümmern. Auch das Thema Nachlass ist in meiner Verantwortung. Es ist ein großer Vertrauensbeweis an unsere Organisation, dass Nachlässe zugunsten der SOS-Kinderdörfer vergeben werden. Zudem gehört das sogenannte „public funding“ zu meinen Aufgaben, also das Beschaffen öffentlicher Gelder für unsere vielen Projekte in den unterschiedlichsten Ländern. Wir betreiben ja schon lange nicht mehr „nur“ Kinderdörfer, sondern arbeiten präventiv. So wollen wir beispielsweise mit unseren Familienstärkungsprogrammen verhindern, dass Familien auseinanderfallen, und helfen ihnen, langfristig ihr Leben aus eigener Kraft zu meistern. Und weil es ganz wichtig ist, mit den uns anvertrauten Geldern sensibel umzugehen und sie so zu verwenden, wie die Spender das wünschen, überzeuge ich mich vor Ort, oftmals auch gemeinsam mit unseren Förderern und Spendern, von der Wirksamkeit der Programme.
Bevor Sie in den Vorstand der SOS-Kinderdörfer weltweit berufen wurden, waren Sie lange in der Industrie tätig, zuletzt als Geschäftsführerin bei EON. Was hat Sie an der Arbeit für eine NGO gereizt?
Für eine NGO zu arbeiten, war zunächst gar nicht unbedingt mein Ziel, aber ich hatte mich nach rund 25 Jahren in der Industrie gefragt, wie sinnvoll meine Arbeit eigentlich ist. Darüber habe ich sehr lange nachgedacht und irgendwann war mir klar, dass ich noch mal etwas ganz anderes machen wollte. Ich habe dann ein Jahr lang eine Auszeit genommen. Zu den SOS-Kinderdörfern weltweit bin ich durch Zufall gekommen, ein Headhunter hatte mich angesprochen – und nach dem ersten Besuch eines Kinderdorfs wusste ich sofort: Das will ich machen. Ich freue mich, dass ich hier meine Kompetenzen und Erfahrungen sinngebend einsetzen kann.
Welche Unterschiede gibt es in der Führung eines Wirtschaftsunternehmens und einer NGO?
Ein wichtiger Unterschied ist sicher, dass die Mitarbeiter einer NGO viel stärker intrinsisch motiviert sind als in der Industrie und ganz andere Ansprüche haben. Sie möchten mitreden und möglichst eigenständig und selbstverantwortlich agieren. Ich versuche, meine Mitarbeiter zu „empowern“, denn je mehr ich ihnen zutraue, desto mehr erreichen wir gemeinsam.
Haben es Frauen in Führungspositionen in einer NGO leichter?
Nein, ich denke, das ist absolut vergleichbar mit einer Führungsposition in der Wirtschaft. Tatsächlich habe ich allerdings deutlich mehr weibliche als männliche Mitarbeiter, denn gerade auf Bereichsleiterebene arbeiten bei den SOS-Kinderdörfern viele Frauen. In der oberen Führungsebene sind es – wie in der Industrie auch – mehr Männer.
Welche Eigenschaften halten Sie für Frauen in Führungspositionen für besonders wichtig?
Leider gehen Frauen nicht immer gut und wertschätzend miteinander um. In diesem Punkt sollten wir von den Männern lernen, denn Männer sind viel eher bereit, sich gegenseitig auf die Schulter zu klopfen. Frauen sollten sich gegenseitig mehr stärken und füreinander einsetzen. Aus meiner persönlichen Erfahrung weiß ich, dass das in den skandinavischen Ländern besser funktioniert als bei uns. Vielleicht ist dort das Konkurrenzdenken unter den Frauen nicht so groß wie hier.
Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?
Ich sehe mich als Sparringspartner meiner Mitarbeiter und versuche immer, ihnen den Rücken frei zu halten und sie zu unterstützen, damit sie so selbstständig wie möglich agieren können.
Können Sie gut delegieren?
Zwar bin ich eigentlich selbst eher der „Machertyp“, habe aber im Lauf der Jahre gelernt, zu delegieren. Hier bei den SOS-Kinderdörfern weltweit haben wir alle ein gemeinsames Ziel vor Augen, nämlich jedem Kind ein liebevolles Zuhause zu geben. Und es gibt viele Wege, ein solches gemeinsames Ziel zu erreichen. Ich erwarte nicht, dass es jeder so macht wie ich. Und weil ich das akzeptiert habe, kann ich heute gut delegieren.
Was war bisher Ihre größte Herausforderung?
In meinem Leben habe ich schon viele Herausforderungen gemeistert, es gibt eigentlich nicht diese eine große. Mein Lebenslauf ist nicht stringent, so habe ich beispielsweise mein Studium erst auf dem zweiten Bildungsweg absolviert – das war auf jeden Fall herausfordernd.
Dann gibt es bestimmt so manchen Erfolg, auf den Sie besonders stolz sind.
Ja, das stimmt. Noch gut erinnere ich mich an meinen ersten großen vertrieblichen Abschluss, da war ich schon ziemlich stolz. Und heute erfüllt es mich immer wieder mit Stolz, wenn ich sehe, wie toll sich die Kinder und Jugendlichen in den unterschiedlichsten Ländern durch unsere Aktivitäten entwickeln, und wie viel Positives wir erreichen können.
Wie gehen Sie mit Niederlagen um?
Wichtig ist für mich, aus Fehlern und Niederlagen zu lernen, um es beim nächsten Mal besser zu machen und dann erfolgreich zu sein. Niederlagen sind oftmals die Grundlage für zukünftigen Erfolg – beide gehören zum Leben dazu.
Der Hauptsitz der SOS-Kinderdörfer weltweit befindet sich in München, Sie arbeiten in Düsseldorf. Spielt die Entfernung bei Ihrer Arbeit manchmal eine Rolle?
Nein, ich pendle zwischen den beiden schönsten deutschen Städten Deutschlands und verbringe jeweils die Hälfte meiner Zeit in Düsseldorf, wo auch mein Lebensmittelpunkt ist, und in München. Das klappt sehr gut.
Der Düsseldorfer Kabarettist Dieter Nuhr setzt sich seit vielen Jahren als Botschafter für die SOS-Kinderdörfer ein. Wie wichtig ist das Engagement Prominenter?
Dieses Engagement ist ungeheuer wichtig für die öffentliche Wahrnehmung. Dieter Nuhr setzt sich seit 13 Jahren für die SOS-Kinderdörfer weltweit ein, er reist auf eigene Kosten in die unterschiedlichen Länder, tritt pro bono bei unseren Veranstaltungen auf und spendet für unsere Projekte. Er ist stets mit dem Herzen dabei, das ist großartig und dafür sind wir sehr dankbar.
Wie entspannen Sie nach einem langen Arbeitstag?
Häufig beim Sport, ich laufe viel und gern. Zudem entspannen mich immer Treffen mit meiner Familie und mit Freunden.
Haben Sie einen Traum, den Sie gern noch verwirklichen möchten?
Eigentlich hat sich mein Lebenstraum bereits erfüllt, denn ich hatte das Privileg, in einer glücklichen Familie aufzuwachsen. Ich durfte lernen und wurde von meinen Eltern immer unterstützt und gefördert. Und natürlich habe ich den Traum, dass die SOS-Kinderdörfer weltweit eines Tages nicht mehr notwendig sind, weil überall Frieden herrscht und es keine Kriege mehr gibt.