Das kreative Rückgrat der Stadt
Düsseldorf ist eine Kunststadt. Das sieht man allerdings…
Das „Theater an der Kö“ feiert seinen 25. Geburtstag. René Heinersdorff, Schauspieler, Autor und Chef der Komödien-Bühne, über Glanzzeiten, Krisen und Perspektiven des Boulevards.
Leichten Sinnes zu sein, sei für einen Komödianten sicher kein Nachteil, sagt René Heinersdorff. Deshalb war die Portion Leichtsinn auch nicht verkehrt, mit der er vor 25 Jahren sein „Theater an der Kö“ eröffnete. Mut brauchte er dazu auch – als junger Schauspieler ohne Intendanten-Erfahrung. Die brachte dafür seine Mutter Barbara Heinersdorff ein. Gemeinsam mit Inge Durek hatte sie das „Theater am Dom“ in Köln zu einer erfolgreichen Boulevardbühne aufgebaut. Ob das auch in Düsseldorf funktionieren könnte, wo seit langem die „Komödie“ die leichte Muse besetzte? „Skeptisch war ich vor allem aus einem anderen Grund“, erinnert sich der Theaterleiter. „Damals produzierte das Fernsehen auf Hochtouren, was für Schauspieler weitaus lukrativer war als die Bühne. Gute Darsteller konnte man für langfristige Verpflichtungen nur schwer bekommen.“
Eines aber war sonnenklar: jetzt oder nie. Die Rahmenbedingungen für ein Theater fielen René Heinersdorff durch den Bau der Schadow-Arkaden gleichsam in den Schoß. Irene Arnold, Tennis-Freundin seiner Mutter und Mitglied einer der Eigner-Familien, trug ihm die Idee an, das Einkaufszentrum mit Kultur zu beleben. Passende Räumlichkeiten im Untergeschoss gab es dafür auch. Und war es nicht enorm reizvoll, sein eigener Herr zu sein? Die Eltern rieten ihm zu. Nur einen Tag vor seinem 30. Geburtstag wurde René Heinersdorff dann tatsächlich Direktor. Eröffnet hat das „Theater an der Kö“ der damalige Ministerpräsident Johannes Rau. „Zum Jubiläum kommt sein Amtsnachfolger Armin Laschet und spricht ein Grußwort“, kündigt René Heinersdorff an. „Das freut mich besonders, denn so schließt sich ein Kreis und wahrt die Parteiengleichheit. Christian Lindner hatte auch schon eine Spielzeit eröffnet.“ Mit sicherem Gespür für Stoffe und Schauspieler steuerte er sein Theater durch Zeiten, die auch mal stürmisch waren. Nicht immer sei es rund gelaufen, räumt er freimütig ein. Nach schwungvollem Auftakt und einigen glorreichen Spielzeiten musste er auch Krisen verkraften. Bis heute bleibt es eine Achterbahnfahrt. Das Programm, obwohl bedachtsam und kundig ausgewählt, birgt immer ein unternehmerisches Risiko. Was kommt beim Publikum an, was nicht? Bleiben allzu viele Stühle leer, wird es bedenklich. Die letzte Saison sei nicht eine der besten gewesen, das Vertrauen in junge deutsche Autoren und ebenso junge Schauspieler nicht immer gerechtfertigt, gibt der Theaterchef zu. Aber zu viel Kalkül sei auch nicht sinnvoll. „Würde ich dauernd zu ergründen versuchen, was die Zuschauer wollen, wäre das für mich das Ende des Theatermachens. Ich kann nur vertreten, woran ich selber glaube und was ich witzig finde. Das hat dann eben eine Mehrheit oder auch nicht.“ Nimmt man die Strukturen des Boulevardtheaters im letzten Vierteljahrhundert unter die Lupe, werden gravierende Unterschiede sichtbar. „Es fehlt an großen Namen“, bestätigt René Heinersdorff. „Früher ging man ins Boulevardtheater, um Harald Juhnke, Günter Pfitzmann, Gunther Philipp, Grit Böttcher oder Karin Eickelbaum zu sehen. Da wusste man, es wird lustig. Es sind wenige nachgekommen, die ihr Metier so perfekt beherrschen wie diese alten Hasen.“ Annette Frier sei so eine, die schon bei ihm in Düsseldorf gespielt hat. Oder Anke Engelke, die er für sein Leben gern engagieren würde. Beide sind allzu sehr beschäftigt, aber irgendwann werde es wohl klappen, hofft er. Mit Jeanette Biedermann habe er jedoch Glück, setzt er hinzu. „Mit ihrem komischen Talent und dem Spaß an der Sache besetzt sie diese Lücke sehr gut. Es ist eine Freude, mit ihr zu spielen.“ Auch wenn das Fernsehen von seiner Strahlkraft eingebüßt hat und heute weitaus weniger gedreht wird – manche Schauspieler setzen nach wie vor darauf. „Viele wollen erst dann ans Theater, wenn ihr Stern sinkt“, hat er beobachtet. „Eine fatale Entscheidung.
Die Generation davor nutzte die Bühne als willkommenes Trainingslager, die suchte und brauchte nach ein paar Filmen den unmittelbaren Kontakt mit dem Publikum.“ Ein entscheidender Knackpunkt für den Boulevard-Erfolg sind mehr denn je gute Stücke. „Die legendären Autoren wie Neil Simon oder Curth Flatow gibt es nicht mehr. Die Jüngeren sind oft zu ambitioniert, zu politisch. Ich habe nichts gegen eine Botschaft. Aber eine Botschaft ohne Unterhaltungswert reicht nicht“, postuliert René Heinersdorff, der vor zwei Jahren auch noch das „Theater im Rathaus“ in Essen übernahm.
Tatsächlich sei es um den schreibenden Nachwuchs recht schwach bestellt, beklagt er. Um dann zu lachen: „Das ist ja meine große Chance!“ Damit spielt er auf seine Erfolge als Bühnenautor an. Sie sichern das finanzielle Überleben des Theaters, „denn eine Geldmaschine war es noch nie. Ein solches Haus kannst Du nur leiten, wenn man es so betreibt wie ich“, sagt er. „Ich benutze es als Forum mit gewisser Selbstausbeutung und freue mich über eine schwarze Null.“ Seine Stücke – die Renner waren „Aufguss“ und „Sei lieb zu meiner Frau“ – laufen seit Jahren an vielen deutschen Theatern. Intendanten in anderen Städten reißen sich jeweils um die Uraufführung. So kam es, dass sein jüngstes Werk „Komplexe Väter“ zuerst am Winterhuder Fährhaus in Hamburg und danach am Schillertheater in Berlin gespielt wurde. Zur „Silberhochzeit“ im „Theater an der Kö“ kehrt es in seinen Heimathafen zurück. Das gut geölte Komödianten-Trio Jochen Busse, Hugo Egon Balder und René Heinersdorff eröffnet mit der raffiniert verschachtelten Geschichte am 13. September die Spielzeit 2019/2020. Eine Woche später wird vor der Vorstellung des Jubiläums gedacht. Außer Ministerpräsident Laschet kommen drei weitere Redner zu Wort: Ulrich Khuon, Intendant des Deutschen Bühnenvereins, der Theaterwissenschaftler Jürgen Schläder und der Hausherr selbst. Als Ehrengäste wurden Schauspieler aus den ersten Produktionen eingeladen. Nach 25 Jahren sei die Frage erlaubt: Wie lange will er sein schweres Geschäft noch betreiben? „Ja, ich habe sehr wohl schon übers Aufhören nachgedacht“, sagt er. „Aber es bisher nie geschafft.“ Das soll er auch mal schön bleiben lassen und seine Theater-Passion weiter pflegen. Seine Aufgaben schätzt er präzise ein: „Ich muss brisante Themen der Zeit aufgreifen und die Stoffe boulevardesk abfedern. Dabei elegant bleiben und am Ende eine Hoffnung erhalten. Und bloß nicht die grässlichen Worte Tiefgang und Anspruch. Tiefgang haben Segelboote und Anspruch haben Ski-Pisten.“ Da hält er es lieber mit dem wissenschaftlichen Ausdruck für den Boulevard: bürgerliches Lachtheater. Auf seinen neuen Spielplan ist René Heinersdorff stolz. „Komplexe Väter“ wird abgelöst durch „Weihnachten auf dem Balkon“ (20. November bis 12. Januar 2020). Danach folgen „Die Neue“, „Extrawurst“ und „Das Abschiedsdinner“ zum Saisonende. „Es ist nicht eine Produktion darunter, die nicht in einer anderen deutschen Großstadt zu sehen ist“, hebt René Heinersdorff hervor. „Damit spielen wir in der Bundesliga. Wir haben Düsseldorf zu einer Geburtsstätte des Boulevards gemacht.“