Begeistert für Düsseldorf
Warum brauchte es 1989 einen Zusammenschluss wie die…
Hausbesuch auf Burg Satzvey in der Eifel bei Jeannette Gräfin Beissel von Gymnich. Die vielseitige Diplomatentochter ist kaum zu bremsen und arbeitet aktuell an einem neuen Buch über starke Frauen in Nordrhein-Westfalen, das im Oktober erscheint.
Wenn eine starke Frau ein Buch über „Starke Frauen“ schreibt, ist die Wirkung doppelt überzeugend. Für ihre beeindruckende Portraitsammlung hat Jeannette Gräfin Beissel von Gymnich eine lange Reihe von Interviews geführt und dabei überraschende Erfahrungen gemacht: „So unterschiedlich diese Frauen auch sind, die Kommunikation mit ihnen verlief meist völlig unkompliziert. Vielleicht lag es daran, dass ich selber in den Gesprächen offener war“, räumt sie ein und führt zum Vergleich ihr voriges Buch „Männer – Leben, Träume und Passionen“ an. „Mit Frauen fällt es eben doch leichter, Nähe herzustellen. Man verplaudert sich mehr, schweift gelegentlich auch ins Private ab, redet über seine Kinder und findet schnell gemeinsame Interessen. Darum dauerte jedes dieser Interviews auch viel länger.“ Anfang Oktober, rechtzeitig zur Buchmesse, wird der Band „Starke Frauen“, mit Fotos von Claudia Ast, erscheinen. „Ich will anhand der verschiedenen Werdegänge zeigen, was Frauen schaffen können, wie sie mit Schicksalsschlägen, Krisen und Niederlagen umgehen und gestärkt daraus hervorgehen“, erläutert die Autorin ihre Motivation. Jede dieser Frauen hat viel erreicht, wobei das Spektrum der Berufe breit gestreut ist. Darunter sind neben etlichen Unternehmerinnen und Künstlerinnen aus NRW auch einige Damen aus dem Düsseldorfer Raum dabei: Anna Schneider, kreativer Kopf der Goldschmiede Brauksiepe in Essen. Dr. Claudia Milbradt, Rechtsanwältin und Partner bei Clifford Chance Deutschland. Die Künstlerin Dr. Elisabeth Futterlieb, Frauke Feess, Beraterin und Initiatorin des Private Collectors Club oder die Düsseldorfer Bloggerin Petra Dieners.
Im Grunde hätte die Gräfin sich selber zwischen ihre Protagonistinnen einreihen können. Denn kaum eine weiß besser, wie man Herausforderungen beherzt annimmt und erfolgreich meistert. Als junge Ehefrau folgte sie 1984 ihrem Mann auf Burg Satzvey am Rande der Eifel. Dort erwartete sie weder das privilegierte Leben einer Adeligen noch eine abgeschiedene ländliche Idylle. „Ich habe Gäste bedient, wenn es kein Personal gab, Teller abgewaschen und Nägel in die Wand geschlagen“, erinnert sie sich. „Aber auch Konzepte geschrieben, Verhandlungen mit großen Kunden aus dem In- und Ausland geführt und mit meinem Mann auf internationalen Touristikmessen ausgestellt.“ Drei Jahre zuvor hatte Franz-Josef Graf Beissel die Ritterspiele auf der Burg gegründet, die es zu vermarkten galt. „Das war sofort harte Arbeit“, erzählt sie. „Wir reisten als super Team von New York nach Chicago, von London bis Singapur und Hongkong, um auf unsere Projekte aufmerksam zu machen. Internet gab es ja noch nicht.“ Die Verwandten und andere Adelige reagierten mit Skepsis – was die Beissels machten, sei Disneyland, meinten viele. Dennoch blieb das Ehepaar standhaft: „Für uns war es überlebenswichtig, denn damit sicherten wir den Erhalt unseres Besitzes.“ Die Ritterspiele auf Satzvey wurden ein Erfolg und sind es noch immer. „Weil andere anfingen, uns zu kopieren, mussten wir immer wieder etwas Neues erfinden“, erzählt sie. Der Eventkalender ist rund ums Jahr gut bestückt. Nicht nur die Ritterspiele, auch andere Attraktionen wie Halloween mit dem Grusel-Labyrinth und Walking Acts oder der historische Weihnachtsmarkt an allen Advents-Wochenenden locken das Publikum scharenweise an.
Ab 2000 zog sich Jeannette Gräfin Beissel Stück für Stück aus der Veranstaltungs-Leitung zurück. 2011 übertrug ihr Mann die gesamte Organisation auf die Event-Agentur der gemeinsamen Tochter Patricia, einer passionierten Reiterin und Stunt-Frau beim Film. Sohn Max kümmert sich um den Bestand der Außenanlagen und andere Geschäfte der Burg, in der auch ein 12-Zimmer-Hotel untergebracht ist. Romantik-Liebhaber fühlen sich hier wunderbar aufgehoben, zumal im herrschaftlichen Speisesaal gefrühstückt wird. Besonders Amerikaner lieben das historische Gemäuer und lassen sich gelegentlich sogar von der Schlossherrin mit der jahrhundertealten Geschichte des Anwesens vertraut machen. Für Führungen ist sonst der „Master of Household“ verantwortlich, aber für ihre Landsleute aus den USA macht die Gräfin, die amerikanische Wurzeln hat, gern eine Ausnahme.
Es sei damals eine Notwendigkeit gewesen, ihre zahlreichen Aktivitäten zu kanalisieren, sagt sie. Zu viele Verpflichtungen, dazu ein bunter Strauß von Ehrenämtern. Von manchen hat sie sich gelöst, aber die Arbeit in ihrer Stiftung, die es seit 2008 unter ihrem Namen gibt, hält sie weiterhin auf Trab. Als Vorsitzende des Kuratoriums der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung Schumaneck GmbH setzt sich Jeannette Gräfin Beissel außerdem für familienanaloge Heime für Kinder und Jugendliche ein. Gerade kam ein neues gegenüber der Burg dazu. „Ich halte Vorträge und sammle Spenden, die ich schnell wieder für wichtige Zwecke einsetze“, sagt sie. Auch als Mitglied bei den „Friends of the Amerikahaus“ engagiert sie sich weiterhin und bringt interessante Leute zusammen. Netzwerken, das ist ein Stichwort, mit dem Jeannette Gräfin Beissel viel anzufangen weiß. Über Kontakte verfügt sie als Kommunikations-Profi in reichem Maße. Sie bringt sie ein, wo immer es geht, auch als Botschafterin der Kunstmesse „Art Düsseldorf“ und für die „Cologne Fine Art“ in Köln.
Vor allem aber brauchte sie mit den Jahren viel mehr Zeit zum Schreiben, das zunehmend an Bedeutung gewann. „The Story of a Brand – 40 Jahre Engel & Völkers“ war ihre erste Firmen-Biografie. Momentan stellt sie die Biografie „Walter Brune – Sein Leben. Sein Werk“ zusammen. „Der Anfang eines jeden Textes fühlt sich an wie eine Geburt“, sagt sie. „Auch wenn die Leute denken, ein Autor sitzt am Computer und es fließt – Schreiben ist echtes Handwerk.“ Bei Walter Brune sei die Spurensuche bisweilen herausfordernd gewesen. „Ich habe öfters auf dem Boden gehockt und mich durch Kisten mit Fotos gewühlt.“ Ende des Jahres wird auch dieses Buch vollendet sein.
Man sollte ja nicht meinen, dass noch eine weitere Passion Platz hat im Leben der agilen Gräfin. Ist aber so. Zur geistigen Kreativität gesellt sich eine manuelle. Neuerdings entwirft sie originelle Taschen und Slipper aus gefilzter Wolle und hat, wo sie steht und geht, ihr Strickzeug dabei. So entstehen unter dem Label „Heartfelt“ lauter handgefertigte Unikate, leuchtend bunt und fantasievoll mit edlen und witzigen Applikationen verziert. Erhältlich sind die originellen Stücke bei Franzen an der Kö oder in ihrem Online-Shop www.heartfelt.de. Beim Stricken, oft am Abend bei einem guten Hörbuch, kann die Burgherrin vortrefflich entspannen. Außerdem lassen sich damit unliebsame Wartezeiten überbrücken. „Ich bin ein ungeduldiger Mensch“, gibt sie zu. „Leerlauf macht mich nervös, sei es an der Kasse, auf dem Flughafen oder wenn ich neben meinem Mann im Auto sitze. Deshalb das Stricken. Umso schöner, dass auch anderen gefällt, was ich mache.“
So abwechslungsreich wie ihre heutigen Aktivitäten gestaltete sich das ganze Leben der Diplomatentochter mit amerikanischem Vater und Wiener Mutter. Geboren in Bonn, wuchs Jeannette Gräfin Beissel in Edinburgh, Washington und Buenos Aires auf, ihr sympathisch rollendes „r“ ist ihr als Relikt aus Argentinien geblieben. Zeitweise besuchte sie ein von Nonnen geführtes Internat in Sigmaringen, studierte in Frankreich und den USA und ging später in die Werbung. Eine solche Kindheit, geprägt von Abschied und Aufbruch – schwierig oder bereichernd? „Beides“, antwortet sie. „Sie brachte mir eine Vielfalt von Sprachen, Kulturen und Lebensart ein und hat meinen Horizont erweitert.“