Das kreative Rückgrat der Stadt
Düsseldorf ist eine Kunststadt. Das sieht man allerdings…
Werner M. Dornscheidt, CEO der Messe Düsseldorf, spricht im Interview mit dem Top Magazin darüber, warum Erfolge im Ausland so wichtig für die Stadt sind und wieso er sich besonders auf die Olympischen Spiele in Tokio freut.
Top Magazin: Sie kommen gerade aus dem Urlaub zurück. Wo waren Sie?
Werner M. Dornscheidt: Urlaub ist gut, ich war gerade drei Tage in Holland. Diese kleinen
Auszeiten genieße ich immer sehr. Wir fahren seit 35 Jahren gerne für ein Wochenende
nach Cadzand, das ist in der Nähe von Knokke. Man ist schnell da und kann sich ein
bisschen frischen Wind um die Nase wehen lassen.
Generell: lieber Europa oder Fernreise?
Urlaub mache ich grundsätzlich nur in Europa, am liebsten in Deutschland. Im Sommer
fahren meine Frau und ich gerne an die Nord- oder Ostsee, und im Winter ist der Tegernsee
gesetzt.
Die Messe Düsseldorf zieht es in die Ferne. Wie sind Sie dort aufgestellt?
Sehr gut. Insgesamt ist die Messe Düsseldorf in 141 Ländern vertreten. Wir haben
allein sieben eigene Tochtergesellschaften: in den USA, Russland, Indien, Singapur,
Hongkong, China und Japan. Weltweit organisieren wir rund 70 eigene Messen, Beteiligungen
und Auftragsveranstaltungen. Bei den internationalen Eigenveranstaltungen handelt es sich meist um regionale Ableger unserer großen Weltleitmessen in Düsseldorf. Im Oktober veranstalten wir in Düsseldorf beispielsweise die weltgrößte Kunststoffmesse K: Dann kommen hier auf
unserem Gelände alle Akteure der Branche zusammen. Darüber hinaus machen wir
weltweit zehn Schwesterveranstaltungen. Der Grund liegt auf der Hand, unsere Aussteller
würden sowieso auch in diese Märkte gehen, und ehe die Messen durch andere
Veranstalter organisiert werden, machen wir das lieber selbst.
Warum suchen Sie Ihr Glück im Ausland? Ist das gut für den Standort?
Absolute Spitze! Wenn man im Ausland nicht aktiv ist, ist die Attraktivität der Messen in
Deutschland nicht so hoch. Je bekannter sie weltweit sind, umso größer ist auch die Beachtung
der Messen in Düsseldorf.
Wieviel Arbeitszeit verbringen Sie im Ausland?
Früher war ich insgesamt rund neun Monate im Ausland, da war ich ausschließlich
für die Messen weltweit verantwortlich. Seitdem ich Geschäftsführer der Messe
Düsseldorf bin, gibt es viele Aktivitäten im Ausland, die direkt mit der Messe Düsseldorf
zusammenhängen. Wir machen zum Beispiel 55 internationale Pressekonferenzen
allein für die Druckmesse Drupa. Ähnlich sieht es bei unseren anderen Weltleitmessen
aus. Da sind wir permanent unterwegs.
Sie entwickeln neue Messen in Südostasien, Südamerika, dem Nahen Osten und Afrika. Wieso wachsen Sie vor allem in diesen Märkten?
Das sind die traditionellen Wachstumsmärkte. In all diesen Regionen herrscht ein
hoher Bedarf an Investitionen in Industrie und Infrastruktur. Mit unseren Auslandsmessen
schaffen wir Plattformen vor Ort, auf denen Akteure verschiedener Branchen
zusammenkommen und gemeinsam die Entwicklung der Volkswirtschaften vorantreiben.
Afrika wird irgendwann boomen, davon bin ich fest überzeugt.
Der ägyptische Präsident hat für eine Neuveranstaltung die Schirmherrschaft übernommen: Im Dezember wird in Kairo die Pacprocess Middle East Africa stattfinden, ein Ableger
der weltgrößten Verpackungsmesse Interpack. Wie kommt die Messe Düsseldorf zu dieser Ehre?
Ägypten ist das Tor zu Afrika und dem Nahen Osten und will eine führende Rolle in
der Region einnehmen. Dabei setzt das Land auf tragfähige und durchdachte Messekonzepte,
um die Wirtschaft zu fördern. Durch Marktforschung haben wir festgestellt, dass
es dort keine vergleichbare Verpackungsmesse gibt – dafür aber eine wirklich erfolgreiche
Food-Messe in Kairo. Und dazu passt eine Verpackungsmesse doch sensationell gut. Besonders punkten konnten wir mit unserer Initiative „Save Food“, die wir 2011 mit der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen ins Leben gerufen haben.
Ziel ist, die weltweite Lebensmittelverschwendung mit den Mitteln der Wirtschaft
zu bekämpfen– durch bessere Verpackung, Lagerung und Transport. Die Aussteller
bringen hierfür das nötige Know-how mit. Bei jeder interpack gibt es ein „Save Food“-
Meeting, um die Akteure zu vernetzen, und einen eigenen Messebereich, in dem sie zukunftsträchtige Lösungen vorstellen. Über diese Aktion haben wir mehr als 1.000 Unternehmen überzeugen können, uns zu unterstützen. Und das bringt uns überall auf der Welt weiter. Das Projekt hat auch den ägyptischen Handelsminister Amr Nassar, der übrigens sehr deutschfreundlich ist, überzeugt. Wir haben uns getroffen, und dann waren wir uns sehr schnell einig.
Sie starten im Herbst 2019 eine beispiellose „MesseRallye“. Was sind die Umsatzbringer und was heißt das für Düsseldorf?
Das Messegeschäft in Düsseldorf unterliegt zyklischen Schwankungen. Auch im eher
ruhigen Veranstaltungsjahr 2018 haben wir mit vier Prozent über Plan gewirtschaftet
und mit einem Umsatz von 260 Millionen Euro eine starke Performance gezeigt. Das
können wir aber noch toppen. Vor uns liegt bis Mitte 2 020 eine Zeit mit besonders vielen
Ausstellungen. Von August bis Juni 2020 veranstalten wir in Düsseldorf 21 Eigenveranstaltungen,
auf denen wir rund 1,6 Millionen Besucher und 35.000 Aussteller begrüßen, die eine Fläche von mehr als 1,3 Millionen Quadratmetern belegen werden. Eine große Herausforderung, der wir uns
gern stellen. Die 50. Boot und die 25. Pro-Wein sind schon gelaufen und erzielten Bestmarken. Wir bereiten uns nun unter anderem auf die K vor, den Caravan Salon und die Tour Natur, die Medica, die Interpack und die Drupa im nächsten Jahr. Aussteller und Besucher lassen jährlich rund 1,29 Milliarden Euro in Düsseldorf. Hotellerie und Gastronomie profitieren, genauso wie Taxifahrer
und Flughafen sowie selbstverständlich der Handel, zu Messezeiten boomt die City. Wir schaffen rund 13.000 Arbeitsplätze in der Stadt und der Region. Alles zusammen ist als Wirtschaftsfaktor nicht zu unterschätzen.
Düsseldorf ist JapanStadt; in Tokio haben Sie eine eigene Tochtergesellschaft. Mit welchen Argumenten locken Sie japanische Unternehmen nach Düsseldorf?
Wir locken sie mit unseren 23 Weltleitmessen und deren Ablegern in aller Welt. Im vergangenen Jahr gewann die Messe Düsseldorf 373 Aussteller aus Japan für eine Teilnahme an Veranstaltungen der Messe Düsseldorf Guppe. Mit 294 stellten die meisten von ihnen in Düsseldorf aus. Hier treffen sie alle Akteure ihrer Branche und genießen die Services und Infrastruktur eines hochmodernen Messegeländes – nur zehn Minuten von der Innenstadt entfernt. Nicht zuletzt punkten wir gerade bei Japanern mit der Stadt Düsseldorf selbst. 1955 kam Mitsubishi als erstes japanisches Unternehmen an den Rhein, heute haben sich in der Region Düsseldorf mehr als 400 japanische Firmen angesiedelt. Mehr als 7.000 Japaner leben in der Stadt. Zahlreiche japanische Organisationen, Restaurants, Supermärkte und Freizeitoasen wie der japanische Garten sind überzeugende Argumente.
In Tokio finden nächstes Jahr auch die Olympischen und Paralympischen Spiele statt. Seit 2000 organisieren Sie für die Deutsche Sport Marketing das Deutsche Haus. Verraten Sie uns schon
etwas über Tokio 2020?
Wir haben eine wunderbare Location für das Deutsche Haus in Tokio gefunden. Ich
war selbst vor Ort und bin begeistert. In dem Einkaufszentrum „Aqua City“, zentral
gelegen in der Tokyo Bay Zone, wird uns die komplette fünfte Etage zur Verfügung gestellt.
Von der grandiosen Terrasse mit Pool haben Besucher und Sportler eine fantastische
Aussicht auf die Skyline von Tokio. Im Radius von weniger als drei Kilometern
befinden sich unter anderem die Stadien für Tennis, Turnen, Klettern und Basketball.
Im Deutschen Haus kommen Vertreter aus Wirtschaft, Sport, Medien, Gesellschaft
und Politik zusammen, um gemeinsam zu feiern und zu netzwerken. Dafür ist es der
perfekte Ort. Ich persönlich freue mich übrigens am meisten auf die paralympischen
Wettkämpfe. Der Sportsgeist und das Gemeinschaftsgefühl unter den Athleten sind
sehr beeindruckend und extrem emotional.
Der Countdown läuft: Noch ein Jahr, dann verabschieden Sie sich mit dem größten Bauprojekt in Ihrer Geschichte, der Neuen Messe Süd, als MesseChef.
Der neue Eingang Süd mit multifunktionaler Messe- und Eventlocation hat in der Tat das Potenzial, ein wirkliches Highlight für Düsseldorf zu werden, sowohl architektonisch
als auch funktional. Die 12.027 Quadratmeter große Halle 1 wird bis zu 10.000
Menschen Platz bieten. Hinzu kommen im ersten Obergeschoss sechs verglaste Konferenzräume
à 200 Quadratmeter für je 198 Personen. Einer der neuen Konferenzräume ragt ins Foyer des neuen Eingangs Süd, das 2.112 Quadratmeter an Veranstaltungsfläche bietet. Ab Herbst 2019 ist die Location durchgängig gebucht. Insgesamt 140 Millionen Euro fließen in dieses Projekt – alles
subventionsfrei. Darauf kann man schon stolz sein. So richtig kann ich mir noch
nicht vorstellen, wie es wird, wenn 2020 bei der Messe Schluss ist. Ich werde sicherlich
nicht ganz auören zu arbeiten. Als Honorarkonsul von Mexiko etwa bleibe ich auch
weiter ehrenamtlich tätig und werde obendrein ein Büro hier im Haus haben, da ich
diese Funktion auch für und im Interesse des Messeunternehmens fortführe.