Das kreative Rückgrat der Stadt
Düsseldorf ist eine Kunststadt. Das sieht man allerdings…
Designer Thomas Rath über Kreativität, Kraftquellen und Kollektionen
Der edle Showroom an der Kaiserswerther Straße ist die Visitenkarte des Modeschöpfers. Hier informieren sich Einkäufer über die Kollektionen von Thomas Rath, hier finden Order und Abverkauf statt. Die Keimzelle des Unternehmens aber liegt in einem stilvollen Haus am Kaiser-Friedrich-Ring. Mehrere Etagen mit Oberkasseler Rheinblick, in denen der kreative Geist seine Modelle entwirft. Gern unter Hochdruck und ganz anders, als man es sich vielleicht vorstellt. Könnte ihn nicht viel eher das luftige mediterrane Flair auf Mallorca inspirieren, wo er und sein Mann Sandro ihren zweiten Wohnsitz haben und viel Zeit verbringen? „Das Meer rauscht – und du sitzt mit deinem Skizzenblock am Strand und hast die tollsten Einfälle?“, fragt er zurück und lacht. „Eben nicht. Ich brauche die Schnelligkeit. Es ist nicht wie bei einem Maler, der nur ein weißes Blatt vor sich hat. Meine Inspirationen sind sichtbar und greifbar. Wenn sich um mich herum schöne Stoffe türmen, wenn Bänder und Knöpfe und Accessoires sich stapeln – dann erst laufe ich zur Hochform auf.“ Auch seine engsten Mitarbeiter scharen sich bei diesem Entstehungs- Prozess um den großen Tisch. „Das ist immer Teamwork. Wir besprechen die Entwürfe und setzen sie gemeinsam um, von den Schnittmustern bis zu den technischen Details beim Nähen.“ Gerade arbeitet Thomas Rath an seinen Sommerkollektionen für 2020. Die Zeit drängt, bis zum Auftakt der Verkaufsmessen Mitte Juli, dem Termin für die Vororder, müssen alle Musterteile fertig sein.
Wie entwickelt er bei einem so langen Vorlauf das richtige Gespür für die Trends im kommenden Jahr? „Mode ist etwas, was du lebst. Du kennst deine Kunden und weißt, was sie wollen und was nicht“, sagt er. „Eine gute Inspirationsquelle sind immer auch die Stoffe, die ich bei den Messen in Paris, Mailand oder auch München entdecke. Und mal ehrlich, wir erfinden das Rad ja nicht neu“, gibt er freimütig zu. „Die Haute-Couture-Häuser in Paris betrachten ihre spektakulären Modelle zumeist als Anschauungsmaterial. Mit Ausnahme von Chanel, die haben es verstanden, eine verkäufliche Kollektion zu machen“, schränkt er ein. Für ihn aber sei es das oberste Gebot, „tragbare Mode zu entwerfen, in der die Frauen sich wohlfühlen und auf die sie sich immer wieder neu freuen können. Diesen Anspruch versuchen wir zu erfüllen.“
Und das mit gleich drei Linien, die unterschiedliche Bedürfnisse abdecken. Dem stationären Handel bietet Thomas Rath zwei Kollektionen in zwei Preisstrukturen an. Für die superluxuriöse Linie mit Endverbraucherpreisen von 800 bis 1.200 Euro benötigt er die entsprechenden Geschäftspartner, „da muss das ganze hochwertige Umfeld passen“. Für seine Zweitlinie liegt die Schall grenze bei 500 Euro, diese Teile kosten zwischen 198 und 498 Euro. Und dann hat er noch ein drittes Lieblingskind: „THOM by Thomas Rath“, die Kollektion, die er seit fünf Jahren für den Verkaufssender QVC entwirft. Mit Preisen von überwiegend 59 bis 199 Euro erreicht er eine breite Käuferschicht. „Wir haben damit eine Erfolgsgeschichte geschrieben und wurden zur größten Lifestyle-Marke im europäischen Teleshopping“, erzählt er. „Ich bin damals ins kalte Wasser gesprungen und wusste vom ersten Moment an, dass es gut funktioniert. Das Rundum-Paket stimmt perfekt, das hat man nur selten. Dennoch, wir hätten nie daran geglaubt, dass der Erfolg uns dermaßen überrennt.“ Das liegt auch an seinem Verkaufstalent. Mit Feuereifer stellt er sich immer wieder ins Düsseldorfer QVC-Studio und preist Stunde um Stunde mit spürbarer Leidenschaft seine Mode an. Einen ganzen Tag lang. Wie hält er sich bei diesem Marathon bei Laune? „Ich bin ein Mensch, der andere mit seiner Begeisterung anstecken kann“, antwortet er. „Das liegt mir, und das hilft enorm. Klar ist es auch anstrengend, ohne Frage. Man muss halt schauen, dass man frisch bleibt.“ Die Frische schöpft er aus seinem gesunden Lebensstil. „Ich ernähre mich gut, treibe sehr viel Sport und ziehe mich regelmäßig zurück. In diesen Ruhephasen besuche ich keine Veranstaltungen oder Partys. Ich gehe auch nicht essen, sondern koche selbst.“
Jeder denke ja, er sei so extrovertiert, wie er sich auf öffentlichen Bühnen zeige. Das amüsiert ihn bisweilen. Privat, beteuert Thomas Rath, sei er ganz anders. Viel leiser und zurückgenommener. „Ich nehme meinen Beruf sehr ernst und gebe immer 100 Prozent. Das geht nur mit klarem Kopf. Wenn du zu viel machst, wirst du ausgelaugt. Deshalb gönne ich mir immer wieder den bewussten Rückzug, um neue Kraft zu tanken.“ Dass sein Leben eines Tages untrennbar mit der Mode verquickt sein würde, war dem Kölner schon früh klar.An der über mehrere Generationen bestehenden Wurstfabrik seiner Familie zeigte er wenig Interesse. „Mein Vater hat das sofort verstanden“, sagt er. „Er wurde selber ins Unternehmen reingedrängt. Wichtig war ihm nur, dass ich Abitur mache.“ Ein schöngeistiges Elternhaus. Großmutter und Mutter liebten nicht nur extravagante Kleidung, sie pflegten auch einen besonders kultivierten Wohnstil. „Diese Affinität zu allem Schönen hat mich geprägt. Der Funke sprang früh über, ich wollte schon immer in die Mode. Nur nicht studieren. Was ich kann, war Learning by Doing. Auch aus Fehlern habe ich gelernt. Das entspricht meinem Charakter.“ Dabei konnte er sich stets auf seine schnelle Auffassungsgabe verlassen.
„Ich merke mir alles in kürzester Zeit, das entspricht den Gepflogenheiten der Modebranche. Was heute gemacht wird, ist morgen Schnee von gestern. Altes geht, Neues kommt. Das färbt auf dein Leben ab.“ Flugs schlägt er zu seiner Teilnahme bei „Let‘s dance“ einen Bogen. „Ich musste mir dafür komplizierte Choreografien aneignen, aber das ging rubbeldiekatz. Kathrin ist eine großartige Tänzerin und wunderbare Trainerin! Es war mit die schönste Zeit in meinem Leben, ich bin dankbar für die durchgetanzten Schuhe, den Muskelkater und alles, was dazugehört.“ Viele Zuschauer hätten ihn gern noch länger in der Tanz Show gesehen. Nach seinem Ausscheiden wurde dann der Osterurlaub auf seinem geliebten Mallorca etwas verlängert, wo er in Port d‘Andratx einen Store betreibt. „Meine Familie ist seit 40 Jahren auf der Insel ansässig“, sagt er. „Und mein Mann Sandro hat gern immer wieder etwas Neues zu tun. Also eröffneten wir dort unseren Shop, und außer den privaten Motiven gibt es nun auch berufliche Gründe, nach Mallorca zu fliegen.“ Dreh- und Angelpunkt seines Lebens aber bleibt Düsseldorf. Nicht ganz selbstverständlich für einen Kölner. Wie begann es bei ihm? „Es war vor allem die Mode, die mich nach Düsseldorf gelockt hat“, erklärt er. „Ich kam schon in jungen Jahren gern in diese Stadt, die ich seit jeher schick und glamourös fand.
Das hatte Tradition in unserer Familie. Sonntags fuhren wir hin, um vor den geschlossenen Geschäften zu flanieren. Und montags, um einzukaufen, was wir gesehen hatten.“ Nicht zuletzt durch Sandro, der vom Niederrhein stammt, sei es ihm leichtgefallen, in Düsseldorf Wurzeln zu schlagen. „Es ist lebenswert, ästhetisch und von hohem Anspruch. Düsseldorf macht auch alles richtig“, findet er. „Überall, wo gebaut wird, ist es hinterher schön.“ Er übt aber auch Kritik. Viel zu wenig werde dafür getan, das Image als Modestadt aufzupolieren. „Da hat sich Düsseldorf von Berlin leider die Butter vom Brot nehmen lassen“, bedauert Thomas Rath. „Weil die Branche im Wandel und geschrumpft ist, wird es die alten Glanzzeiten nicht mehr geben. Aber man sollte es wenigstens versuchen und bereit sein, etwas zu investieren.“ Die prominent besetzten Mode-Events in Berlin sind attraktiv, keine Frage. Auch für die Presse. Doch die Geschäfte werden nach wie vor in Düsseldorf gemacht, weiß der Designer. Er kann nicht verstehen, warum ein ambitioniert begonnenes Konzept wie die „Platform Fashion“ nicht liebevoller gehegt und gepflegt wurde. „Leider gibt es während der Ordertage keine Modenschau mehr. Ich würde sofort wieder mitmachen. Düsseldorf hätte allen Grund, sich als führende Modemetropole viel selbstbewusster zu feiern.“