Das kreative Rückgrat der Stadt
Düsseldorf ist eine Kunststadt. Das sieht man allerdings…
Gerald Asamoah spricht offen über seine Karriere, Schicksalsschläge, seine Wurzeln in Ghana und sein großes Engagement für herzkranke Kinder. Die Fußballikone veranstaltet jährlich in Düsseldorf die „Gala der Herzen“, bei der aktuell 100.000 Euro eingenommen wurden.
Um zu erspüren, was Gerald Asamoah ausmacht und warum er alles daran setzt, herzkranken Kindern zu helfen, sucht man ihn am besten dort auf, wo er sich seit vielen Jahren zu Hause fühlt. „Auf Schalke“ also. Fast täglich ist der Ex-Fußballer in seinem Büro anzutreffen.
Dabei blickt er direkt auf den grünen Rasen der Veltins-Arena. Außerdem hat er auch die Fans im Blick, die sich auf dem Gelände in hellen Scharen tummeln – in der Hoffnung, einen Blick auf die Kicker-Stars beim Training zu erhaschen. Betritt Gerald Asamoah die Vereins-Kneipe im Erdgeschoss, wird er sofort umringt und freudig begrüßt: „Hallo, Asa!“ Nein, man hat ihn nicht vergessen in Gelsenkirchen. Von 1999 bis 2010 spielte der Stürmer bei Schalke 04 in der Bundesliga, wurde vier Mal Deutscher Vizemeister, gewann zwei Mal den DfB-Pokal und stand
mit dem deutschen National-Team 2002 im Finale der Weltmeisterschaft. Seine aktive Karriere beendete er in der zweiten Schalker Mannschaft mit einem Abschiedsspiel am 14. November 2015. Seinem Sport blieb er dennoch treu. „Ich habe das Glück, als Manager der U23 eine
junge Mannschaft zusammenstellen zu dürfen und kann meine Erfahrungen weitergeben“, erzählt er. „Das macht mir großen Spaß. Daneben kümmere ich mich um Marketing-Aktivitäten des Vereins und reise viel herum.“
Dies jedoch nicht nur in Sachen Fußball. Seit der Gründung vor zwölf Jahren bestimmt die „Gerald Asamoah Stiftung für herzkranke Kinder“ einen guten Teil seines Lebens. Für sein außergewöhnlich hohes Engagement erhielt er 2018 den Karl Kübel Preis. Wie es überhaupt dazu kam, hängt mit einem persönlichen Schicksalsschlag zusammen, der ihn mit 19 Jahren aus heiterem Himmel ereilte und seine hoffnungsvoll begonnene Karriere jäh ausbremste. Gerald Asamoah war damals Profi bei Hannover 96 und ein vielversprechendes Talent. „Nach einem Spiel hatte ich Schweißausbrüche, fühlte ich mich schwach und ausgelaugt“, berichtet er. Das beunruhigte ihn zunächst nicht. Bis man in der Medizinischen Hochschule Hannover einen angeborenen Herzfehler entdeckte. So schwerwiegend, dass der Lizenzentzug folgte. Damit nahm man ihm alle Perspektiven und beendete sämtliche Karriereträume. Für immer, wie es schien. „Das war hart“, sagt er. „Auch für meine Familie, die ich finanziell unterstützte. Ich schloss dann noch die Mittlere Reife ab und fragte mich jeden Tag, was ich jetzt mit meinen Leben machen kann.“
Doch da keimte auch dieser Funke Hoffnung in ihm. Er ließ nicht locker, suchte einen Spezialisten in den USA auf und kehrte mit der positiven Nachricht zurück, bei entsprechender Vorsicht ein fast normales Leben führen zu können. „Trotzdem waren alle skeptisch, ich selber
auch“, erinnert er sich. „Du musst erstmal in deinen Kopf reinkriegen, dass du einen Defekt am Herzen hast und jederzeit umkippen kannst.“ Er durfte weiterspielen, ein Glück. Doch fortan war der Defibrillator, der bei jedem Spiel und auf jedem Platz vorhanden sein musste, sein
Begleiter. „Ich brauchte ihn nie, aber einem Fitnesstrainer von Schalke hat er das Leben gerettet.“ Seine Verbundenheit mit dem Verein hängt auch mit seiner Dankbarkeit zusammen, die aus dieser Zeit resultiert.
„Er hat mich zu dem gemacht, was ich bin. Hier konnte ich mich geborgen fühlen. Der kürzlich verstorbene Rudi Assauer war eine Art Vaterfigur für mich, er vertraute mir vollkommen. Egal, was du hast, sagte er, ich will dich zu Schalke holen. Seitdem gehöre ich zur Familie.“ Bei seinen Worten schwingen viele Emotionen mit. Besonders, wenn er von seinem tiefen Glauben spricht. „In der Zeit der Unsicherheit und Angst habe ich viel gebetet und dadurch zu Gott gefunden“, erzählt er. Und mehr noch – er legte ein Gelübde ab. „Eine Wette mit Gott. Wenn ich wieder spielen könnte, versprach ich ihm, würde ich Menschen helfen, denen es schlechter geht.“ Gerald Asamoah hielt Wort. Er fand Mitstreiter für sein Projekt, das als kleines Pflänzchen zu wachsen begann und heute ein ganzes Netzwerk umspannt. Jeanne von Walter ist Geschäftsführerin der Stiftung und erklärt die verschiedenen Standbeine: „Wir finanzieren Operationen für herzkranke Kinder aus aller Welt. In ihren Heimatländern hätten sie aufgrund der medizinischen und hygienischen Verhältnisse nur geringe Überlebenschancen, oft fehlt es dort auch an Fachkenntnissen und Equipment. In Deutschland aber können sie meist durch einen Routineeingriff gerettet werden.“ Die Stiftung sorgt für nötige medizinische Geräte an Kliniken im In- und Ausland, etwa eine Waschmaschine für OP-Bestecke in Eritrea oder ein Beatmungsgerät für Frühchen in der Vestischen Kinder- und Jugendklinik Datteln. Ebenfalls organisiert sie Reanimationskurse in Schulen und Sportvereinen.
Für das alles braucht es Spenden. Deshalb auch die jährliche „Gala der Herzen“ der Gerald-Asamoah-Stiftung in Düsseldorf, bei der im Januar 100.000 Euro eingenommen wurden. „Doppelt so viel wie erwartet, das hat mich überwältigt“, kommentiert Asamoah stolz und dankt den vielen ehrenamtlichen Helfern. „Nicht wenige haben eigene Erfahrungen mit einer Krankheit in der Familie und sind schon deshalb mit vollem Herzen dabei“, weiß er. Am glücklichsten machen ihn die Begegnungen mit den Kindern. „Sie vor und nach der Operation zu sehen, zu erleben, wie sie gesund werden und mit einem Lachen auf dich zukommen – das gibt dir so viel Wärme.“ Ein Gespräch mit Gerald Asamoah muss auch zu seiner Herkunft führen. Seine Wurzeln liegen in Ghana, und seine Kindheit war speziell. Die Eltern hatten das Land aus politischen Gründen verlassen und waren nach Deutschland gezogen. Gerald wuchs bei seiner Großmutter auf, kannte die Mutter kaum und den Vater gar nicht. „Mir ging es gut in meinem Dorf“, versichert er. „Was du nicht hast, kannst du auch nicht vermissen. Meine Oma liebte ich sehr, sie hat jeden Tag darum gekämpft, dass wir zu essen hatten. Nachmittags spielte ich Fußball mit meinen Freunden, barfuß oder in Socken, das war uns egal.“
Später besuchte er ein Internat in Accra, wurde dort zur Selbständigkeit erzogen. Mit zwölf Jahren holten ihn die Eltern zu sich nach Hannover, inzwischen war ein Bruder zur Welt gekommen. „Zum ersten Mal bestieg ich ein Flugzeug. Wie aufregend das war! Und dann die ganzen Sachen, ein voller Kühlschrank, ein Fernsehapparat. Leicht fiel mir das Eingewöhnen nicht, ich vermisste meine Freunde. Aber ich war froh, dass wir endlich als Familie leben konnten.“ Die Brücke nach Ghana wurde dennoch nicht abgebrochen. Mit seinem Vater baute und betreibt er dort ein Hotel. In Hannover führten die Eltern einen Afro Shop. Die Kinder – es kamen noch zwei Schwestern dazu – wurden streng in die Pflicht genommen. „Wir mussten im Laden mithelfen und jeden Tag morgens vor der Schule die ganze Wohnung putzen. Ein Mädel die Küche, ein anderes das Bad, ich das Wohnzimmer. Alles sollte blitzblank sein.
Um halb vier Uhr klingelte mein Wecker, weil ich erst noch joggen wollte, meiner Fitness zuliebe.“ Denn da war schon seine Leidenschaft für den Fußball entbrannt. Das nachmittägliche Training im Verein bot eine kleine und bald immer größere Fluchtmöglichkeit für Gerald Asamoah. Sein Talent war nicht zu übersehen, früh zeichnete sich eine Profilaufbahn ab. Er weiß noch genau, wie respektvoll er damals zu den Bundesliga-Größen aufschaute. „Da hat sich die Wahrnehmung geändert“, sagt er und schmunzelt. „Nicht, dass es keinen Respekt mehr gibt. Aber heute sind die Profis schon mit 18, 19 Jahren richtige Stars. Nicht erst mit 30 wie damals.“ Gerald Asamoahs Frau stammt wie er aus Ghana. „Schon unsere Eltern kannten sich“, erzählt er. „Mit Linda kam ich zusammen, als sie in London lebte.“ Das Paar hat drei Kinder, die Familie wohnt in Ratingen. Ausflüge nach Düsseldorf sind daher keine Seltenheit. Sein Urteil fällt schmeichelhaft aus: „Eine schöne Stadt, in der man sehr gut ausgehen und essen kann.“