Das kreative Rückgrat der Stadt
Düsseldorf ist eine Kunststadt. Das sieht man allerdings…
Prinz Martin I. und Venetia Sabine sind zwei waschechte Düsseldorfer, die endlich ihren Traum leben. Sie freuen sich närrisch auf die heiße Phase des Karnevals.
Schon seit Ewigkeiten habe er davon geträumt, eines Tages Prinz zu sein, sagt Martin Meyer. Vor zehn Jahren begann er ernsthaft über seine Bewerbung nachzudenken. Warum es dann aber noch so lange dauerte, hat einen Grund: „Ich wollte das nie ohne eine Venetia tun und wartete geduldig ab, bis ich sie gefunden hatte.“ Als er über einen gemeinsamen Freund Sabine Ilbertz kennenlernte und man sich öfter bei Brauchtumsveranstaltungen traf, nahm die „Operation Prinz“ Gestalt an.
Es passt ins Bild, dass Martin Meyer ihr ausgerechnet am 11.11.2015 beim Karnevalsauftakt im Henkel-Saal von seinem Wunsch erzählte. „Ich war wohl nicht mehr ganz nüchtern“, erinnert sich der selbstständige Generalvertreter der Allianz-Versicherung. „Deshalb verabredeten wir uns einige Tage später zu einem Kaffee. Daraus wurden drei Stunden, in denen wir viel gelacht haben. Und am Ende fragte ich Sabine, ob sie sich vorstellen könnte, mit mir als meine Venetia an Bord zu gehen.“ Er brachte seinen Satz kaum zu Ende, da rief sie schon aus vollem Herzen: „Jaaaaa!“ Offenere Türen hätte der Prinz in spe kaum einrennen können. „Ich bin ein echtes Düsseldorfer Mädchen und dem Brauchtum total verbunden, egal in welche Richtung“, erzählt die Polizeioberkommissarin im Landeskriminalamt. „Eines von beiden wollte ich immer werden – Regimentskönigin oder Venetia.“
Nun hat Düsseldorf ein Prinzenpaar, das in seinem Engagement fürs Brauchtum nur schwer zu toppen ist. Martin Meyer und Sabine Ilbertz stammen aus Familien, in denen Schützentum, Vereine und Karneval eine wichtige Rolle spielten. „Mein Vater war Schütze durch und durch“, bestätigt die Venetia. „Weil er keine Söhne hatte, schleppte er meine Schwester und mich überall mit, auch zum Fußball.“ Sie reitet seit frühester Kindheit, war später in der Reiterstaffel der Polizei. Sabine Ilbertz leitet den Martinszug in der Altstadt, den ihr Schützenverein traditionell organisiert, und durfte als erste Frau dabei mitreiten.
Der Rosenmontagszug kam Jahr für Jahr direkt am elterlichen Geschäft, Samen Böhmann-Ilbertz, am Marktplatz vorbei – auch diese Liebe wurde beizeiten geweckt. „Mit meinen Aktivitäten im Brauchtum decke ich drei Jahreszeiten ab“, kommentiert die Venetia. „Den Sommer mit den Schützen, den Herbst mit St. Martin, den Winter mit dem Karneval.“
Beim Prinzen war es ganz ähnlich. Sein Vater sei ein „Vereinsmeier im besten Sinne“ gewesen, berichtet er. Allerdings im Fußball, nicht bei den Schützen und im Karneval. Aber von ihm habe er das Bedürfnis übernommen, sich auf vielfältige Weise zu engagieren. Das macht der 44-Jährige bei den Weissfräcken, deren Elferrat er angehört. Als Vorstand seines Karnevalsvereins kümmert er sich vor allem um das Sponsoring. Martin Meyer ist Baas beim Heimatverein Derendorfer Jonges, Mitglied der Düsseldorfer Jonges, der Altstadtgemeinschaft, der Alde Düsseldorfer, der Altstädter Bürgergesellschaft und der KG Tills Freunde. Gut vorstellbar, dass seiner Frau Nicole bei diesem Spektrum mitunter viel Verständnis abgerungen werden muss – zumal sie nicht aus dem Rheinland, sondern aus Berlin kommt.
Die Feuertaufe der Prinzenkürung haben die beiden hinter sich. „Das Schreiben meiner Rede fiel mir leicht“, erzählt die Venetia. „Nur war sie mir beim ersten Versuch viel zu lang geraten, sie hätte die halbe Nacht gedauert. Ich musste sie wieder eindampfen.“ Vors närrische Volk zu treten und öffentlich zu sprechen, bereitet beiden herzlich wenig Probleme. Martin Meyer kennt das aus den zahlreichen Vereinen. Auch Sabine Ilbertz redet öfter vor Schützenvereinen oder als Rittmeisterin, „und bei meiner Polizeiarbeit stehe ich jeden Tag vor Mitarbeitern und muss Sachverhalte erklären“. Dennoch ahnt sie, dass dies im Karneval mit ganz anderen Dimensionen und Gefühlen verbunden sein wird, „jedes Mal, wenn die Saaltüren sich öffnen und sich alle Augen erwartungsvoll auf uns richten“.
Jedes Prinzenpaar setzt in seiner Session andere Akzente. „Wir werden nicht singen und nicht tanzen, das passt nicht zu uns“, stellt der Prinz klar. Authentisch sein und die Menschen damit zu gewinnen, das haben sie sich vorgenommen. „Am meisten freue ich mich auf die Unterschiedlichkeit der Veranstaltungen“, sagt er. „Wir fangen beim Lackschuhkarneval an, gehen von dort auf die ganz normale Kneipentour. Wann habe ich das je wieder? Nie mehr im Leben. Deshalb werden wir jeden einzelnen Tag auskosten.“ Venetia Sabine ist gespannt auf die Erfahrung, den Karneval ganz anders zu begehen. „Sonst bin ich mit meinen Mädels oder der Familie losgezogen, jetzt stehe ich im Mittelpunkt. Hoffentlich bekomme ich dadurch die Chance, tolle Menschen kennenzulernen. Im Idealfall könnten sich daraus Freundschaften entwickeln. Das würde mich glücklich machen.“
Welcher Kraftakt ihnen über Wochen abverlangt wird, ficht sie jetzt noch nicht an. „Meine Venetia muss sich darauf weniger vorbereiten als ich, weil sie körperlich fitter ist“, vermutet der Prinz. „Aber wir absolvieren ja keinen Treppenhausmarathon. Wenn wir gesund bleiben, wenig Alkohol trinken und zwischendurch genügend Schlaf bekommen, wird es schon klappen.“ Zu Erholungspausen können sich Prinz und Venetia in die Hofburg im Steigenberger Parkhotel zurückziehen.
Traditionell sammelt jedes Paar im Karneval für gute Zwecke. Martin Meyer und Sabine Ilbertz haben sich für die Stiftung Sterntaler, das Kinderhilfezentrum Eulerstraße und das Café Grenzenlos entschieden. 50 Prozent der Spenden gehen wie immer an die Nachwuchsförderung des Karnevalskomitees. Alles ist bestens vorbereitet, die Session kann beginnen. Hat sich der Prinz denn auch schon an seine Strumpfhosen gewöhnt? Da entfährt ihm ein Seufzer. „Das ist ein spezielles Erlebnis, das kann ich definitiv bestätigen. Ungefähr wie lange Unterhosen, die mag ich auch nicht.“ Seine Venetia springt ihm bei. „Die Frauen werden sich freuen über deine Beine, die werden richtig neidisch sein.“ Erst guckt er skeptisch, dann schwenkt er um. „Na ja, wenn meine Beine auf jeder Bühne für den ersten Lacher sorgen, dann hab ich schon gewonnen.“