Begeistert für Düsseldorf
Warum brauchte es 1989 einen Zusammenschluss wie die…
Die Branche floriert. Kino und Werbung setzen bei ihren Projekten auf das perfekte Umfeld im Rheinland. Auch internationale Produktionen und Hollywood-Stars lassen sich anlocken, nicht zuletzt durch die Aktivitäten der Film- und Medienstiftung NRW.
Viele Düsseldorfer würden große Augen machen, wenn sie wüssten, welcher Nährboden ihre Stadt und ihr Bundesland NRW für Filmemacher darstellt. Dass hier auch viele internationale Produktionen entstanden sind, ist nicht vielen bekannt. Vor einigen Monaten drehte „Oscar“-Preisträger Florian Henckel von Donnersmarck in der Kunstakademie entscheidende Sequenzen seines neuen Films „Werk ohne Autor“. Die Hauptrollen spielen Tom Schilling, Paula Beer und Sebastian Koch, mit dem der Regisseur schon bei „Das Leben der Anderen“ zusammengearbeitet hatte. Sein Regie-Kollege Tom Tykwer holte Hollywood-Stars wie Halle Berry für „Cloud Atlas“ oder Tom Hanks für „Ein Hologramm für den König“ in der Landeshauptstadt vor die Kamera. In den Kölner Studios drehte Sir Ben Kingsley den „Medicus“, und auch der dänische Regisseur Lars von Trier arbeitete mit Stars wie Charlotte Gainsbourg, Uma Thurman und Willem Dafoe schon mehrfach in der Region.
„NRW bietet Filmschaffenden – und gerade auch internationalen Produktionen – optimale Bedingungen“, bestätigt Petra Müller, Geschäftsführerin der Film- und Medienstiftung NRW. „Sie profitieren von erfahrenen Koproduzenten und Kreativen, einer hoch spezialisierten Dienstleistungsbranche und vielfältigsten Drehorten.“ Dabei mischt Düsseldorf munter mit, nicht zuletzt im Fernsehen. Im Frühjahr wurden Medienhafen und Rheinkniebrücke in der ARD-Anwaltserie „Falk“ mit Fritz Karl liebevoll in Szene gesetzt. Weitere Beispiele liefern die Krimiserie „Helen Dorn“ mit Anna Loos (ZDF) oder das Action-Spektakel („Alarm für Cobra 11“ (RTL). Erst im August guckten Location-Scouts die Urdenbacher Kämpe als Schauplatz für das ZDF-Krimidrama „Endlich leben“ aus. Dort hatte das Team mit Schauspielern wie Matthias Brandt, Silke Bodenbender und Manfred Zapatka seine Zelte am Fähranleger aufgeschlagen.
Produziert und gedreht wird im ganzen Land. Aber als Sitz der 1991 gegründeten Filmstiftung NRW spielt Düsseldorf die wichtigste Rolle. „Unsere Kernaufgabe ist die Förderung von Kinofilmen, besonderen Fernsehfilmen und Serien“, sagt Petra Müller. „Seit 2011 sind Games und Web-Inhalte dazugekommen. Darüber hinaus kümmern wir uns um Standortmarketing und Standort entwicklung für das Medienland NRW.“ Die Filmstiftung ist mit einem Fördervolumen von jährlich über 30 Millionen Euro eines der bedeutendsten Förderhäuser in Deutschland und Europa. Die Schwerpunkte liegen bei Arthouse- und Publikumsfilmen, deutsch wie international, fiktional wie dokumentarisch. Gefördert werden Projekte von der Stoffentwicklung über Drehbuch und Produktion bis hin zu Verleih und Vertrieb. Für die Höhe der Fördergelder ist nicht die Zahl der Drehtage in NRW entscheidend. „Maßgeblich ist dabei der sogenannte NRW-Effekt“, erklärt Petra Müller. Das bedeutet: Mindestens das 1,5fache des jeweils gewährten Betrags muss in unserem Bundesland ausgegeben werden. Durch diese Struktur flossen bei mehr als 2.500 geförderten Filmen seit 1991 über eine Milliarde Euro in den Standort. Einer der Gründe dafür, dass NRW sich zu einem der erfolgreichsten Medienstandorte in Europa entwickelt hat.
Doch was gedreht wird, muss auch gut vermarktet werden. Deshalb gibt es jeden Sommer die Filmmesse mit der Vorschau auf die Hits im Herbst. 2018 fand dieses wichtigste Treffen der Branche im Cinestar in Düsseldorf statt. An vier Tagen im August präsentierten 18 der größten Filmverleiher Deutschlands die Höhepunkte der kommenden Saison, die Filmstiftung trat als Partner der Veranstaltung auf.
Befragt nach ihren persönlichen Highlights in ihrer Arbeit, fällt Petra Müller die Auswahl schwer: „Wo soll ich anfangen?“ Zu ihren Favoriten zählen die Cannes-Premiere von „Melancholia“, der Formel-1-Film „Rush“ mit Daniel Brühl und Chris Hemsworth, die „Oscar“-Gala mit dem nominierten Dokumentarfilm „Pina“ von Wim Wenders und ganz sicher „Toni Erdmann“ von Maren Ade, mit zahlreichen Preisen und einer „Oscar“-Nominierung für den besten ausländischen Film bedacht. Auch „Der Staat gegen Fritz Bauer“ hebt Petra Müller heraus, ebenso „Wild“ von Nicolette Krebitz und „Wintermärchen“ von Jan Bonny als radikale Filme zur deutschen Gegenwart. Ein Meilenstein der Fernsehgeschichte ist für sie die 20er-Jahre-Serie „Babylon Berlin“. Gleiches gilt für die Mehrteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“ und „Gladbeck“, den beeindruckenden ARD-Zweiteiler über das Geiseldrama.
Und dann ist da noch „Mustang“, 2016 ebenfalls mit einer „Oscar“-Nominierung und bedeutenden Filmpreisen geadelt. Von diesem so leichtfüßigen wie erschütternden Erstling der jungen türkischen Regisseurin Deniz Gamze Ergüven führt eine Brücke direkt nach Düsseldorf. Produziert wurde das Drama um fünf mutige Schwestern, die man ihrer Freiheit beraubt hat, von Frank Henschke. „Mustang“, in alle Welt verkauft, war der größte Coup des Düsseldorfers, der sich schon während des Studiums an der Filmhochschule Dortmund als Produzent selbständig machte. Verfilmt wurde der Stoff in der Türkei. Aber bei seinem nächsten Projekt verspricht Frank Henschke reichlich Lokalkolorit. Die Transgender-Geschichte „Valeska“ fußt auf einer wahren Begebenheit. Sie spielte sich in Düsseldorf und der Pariser Haute-Couture-Szene der 80er-Jahre ab.
Man brauche in seinem Job Spürsinn und Geduld, sagt Frank Henschke. Manchmal kann es eben lange dauern von der Idee bis zur Realisierung. So auch bei dem Film „Der letzte Schilling“, den er mitproduziert. Florian Siebert, Drehbuchautor, Regisseur und Produzent aus Düsseldorf, entwarf einen düsteren Thriller vor heimischer Kulisse, angelehnt an den Stil des „film noir“. Damit will er seine Heimatstadt in ein neues, spannendes Licht rücken. „Ich habe ein Faible für konsequente Gangsterfilme“, sagt Florian Siebert. Eine Drehbuchförderung für seinen ersten Kinofilm hat er bereits bekommen. Dass sich die Dreharbeiten dann etwas verzögerten, empfindet er als „schwere Prüfung, aber notwendig“. Denn dafür gibt es einen Grund: „Die Welt ist im Wandel und hat sich in drei, vier Jahren dramatisch verändert, nicht zuletzt durch Trump und den Brexit. Diese Dynamik wollen wir einfangen. Uns geht es mit diesem Film auch darum, gesellschaftliche Strömungen zu erspüren und in eine visuelle Ästhetik umzusetzen. Da darf man nicht einfach vorpreschen, das muss fein ausgelotet werden.“
Düsseldorfs attraktive Kulisse wird auch gern für Werbefilme genutzt. Die Industrie blüht. Hunderte von großen und kleinen Produktionsfirmen versprechen sich Chancen durch die Nähe zu bedeutenden ansässigen Unternehmen. Einer, der beim Filmen ganz und gar auf ein heimisches Ambiente setzt, ist Carsten Rusch. Lange arbeitete er als Kameramann beim Fernsehen, ehe er sich 2018 den Traum von der Selbständigkeit erfüllte und seine Firma „kreativfilm“ gründete. „Die wenigsten meiner Kunden sind in Düsseldorf ansässig“, erzählt er. „Trotzdem wünschen sie sich die Stadt als Hintergrund für ihre Kampagnen und Imagefilme.“ Am begehrtesten ist der Medienhafen mit seiner modernen Architektur und der Lage am Rhein. Aber längst hat Carsten Rusch seinen Radius erweitert und findet auch am Hauptbahnhof oder am Flughafen originelle Motive. Am liebsten führt er die Kamera bis heute selber. Für alle anderen Aufgaben kann er auf ein in Jahren gesponnenes Netzwerk von Kreativen zurückgreifen. „Regisseure, Designer, Cutter und Techniker kaufe ich mit höchster Sorgfalt ein“, sagt er. „Die großen Agenturkunden mögen es gern, wenn sie etwas verwöhnt werden.“ Allein im Bereich Fashion Show drehte „kreativfilm“ über 100 Filme, dazu Messefilme für die Gallery Düsseldorf, die CPM in Moskau und die Drupa. Ein weiterer Schwerpunkt sind Internet-Kampagnen und Werbespots für Fernsehen und Kino. „Als Filmschaffender profitiere ich von den einzigartigen Möglichkeiten dieser Stadt“, sagt Carsten Rusch. „In letzter Zeit habe ich den Eindruck gewonnen, dass Leute aus dem Ausland gezielt den Kontakt nach Düsseldorf suchen.“ Carsten Rusch setzte schon Aufträge aus Brasilien, England und Frankreich um. Einer seiner Stammkunden, ein Software-Entwickler, sitzt in Malaysia. „Das bunte Treiben auf dem Düsseldorfer Werbemarkt erweist sich offenbar als ansteckend und hat sich weltweit herumgesprochen“, vermutet er.