Das kreative Rückgrat der Stadt
Düsseldorf ist eine Kunststadt. Das sieht man allerdings…
Ende September eröffnet im Museum Kunstpalast die Ausstellung „PS: Ich liebe Dich.“ Gezeigt werden Sportwagen der 50er bis 70er Jahre, darunter Traumwagen wie der Jaguar E-Type, der Mercedes Benz 300 SL oder der Lamborghini Countach. Ein Gespräch mit den beiden Kuratoren Barbara Til und Dieter Castenow.
Wie passt eine Kunstausstellung über Autos in eine Zeit, in der über Fahrverbote für Diesel und automatisiertes Fahren diskutiert wird?
Barbara Til: Kein Mensch trägt heute noch eine Armbanduhr. Es sei denn als Schmuckstück. Autos können ebensolche Schmuckstücke bzw. Kunstwerke sein. Unsere Intention ist es aber nicht, ein Automobil etwa mit einer Brâncuși-Plastik zu vergleichen. In der Ausstellung werden wir die aufregendsten Sportwagen der 50er- bis 70er-Jahre zeigen, Autos, die ästhetisch-künstlerisch zu den „Ikonen“ der Design- und Technikgeschichte gehören und damit nicht nur große Bedeutung in ihrer Zeit, sondern auch darüber hinaus besaßen. Als Kunsthistorikerin würde ich sie als synästhetische Skulpturen bezeichnen.
Warum gerade diese drei Jahrzehnte?
Dieter Castenow: Weil bei den Nachkriegsfahrzeugen eine extreme Formenvielfalt herrschte. Da gab es noch keine Anforderungen, die durch Aerodynamik, Verbrauch oder Nutzen bestimmt waren. Man hatte einfach Spaß am Auto. Nehmen wir den Lamborghini Countach, der damals von einem 25-Jährigen designt wurde. Dieses Auto können Sie heute noch als Enkel eines Lamborghini Aventador identifizieren. Diese Autos werden wir spannend inszenieren, indem wir einen Kontext zwischen dem Auto und dessen Umfeld, dem Designer oder zur Konstruktion herstellen. Wir zeigen aber nicht nur High-End-Autos. Es kann auch das „Poster-Car“ sein, das größere Bedeutung für eine breitere Öffentlichkeit hatte.
Heißt das, es gab seit den 80er-Jahren keine herausragende Ikonen mehr?
Castenow: Sicher gab es noch herausragende Sportwagen, aber nicht mehr in der Breite und Markenvielfalt. Lamborghini wurde erst von Chrysler und dann von Audi gekauft, was zur Folge hatte, dass sie verkaufsorientierte Modelle bauten. Solch eine Freiheit in der Gestaltung, wie sie in den 60er- und 70er-Jahren vorherrschte, mit all den Exzessen, hat es seitdem nicht mehr gegeben.
Til: In den 80er/90er-Jahren begann das Plattform-Design. Automobilhersteller haben sich aus Kostengründen zusammengetan. Das gilt nicht unbedingt für Sportwagenhersteller, hatte aber auch auf sie Auswirkungen. Sicherheit spielt heute eine wichtige Rolle und bestimmt die Gestaltung mit. Damit möchte ich nicht behaupten, dass alle Wagen aus der früheren Zeit unsicher waren.
Castenow: (lacht)… Naja, schau dir den „De Tomaso Mangusta“ an. Da läuft die Scheibe so nah am Kopf vorbei, dass es vorbei gewesen wäre, wenn man mit 50 km/h auf ein Hindernis geprallt wäre.
Til: Die Besucher sollen spüren, dass man sich in diese Autos nicht einfach hineinsetzen und losfahren konnte. Ich kenne das aus eigener Erfahrung mit dem Alfa Duetto, da muss ich ständig auf den Öldruck achten, mit Zwischengas fahren … Es ist ein ganzheitliches Erlebnis, die Faszination an der Verbindung von Form, Technik, Perfektion und Mensch.
Aber wie lässt sich das in einer Kunstausstellung vermitteln?
Til: Natürlich können sich die Besucher nicht in die Autos setzen. Die Autos werden auch nicht laufen. Aber es gibt andere Möglichkeiten, um das Besondere an den verschiedenen Autos zumindest zum Teil erlebbar zu inszenieren: zum Beispiel, indem wir den „Motor-Sound“ hörbar machen. Wir werden Foto- und Filmmaterialien, ausgewählte Entwurfsstudien und die Biografien der Entwerfer präsentieren, um so die Schönheit, Geschwindigkeit, aber auch Exzentrik, die diese Autos ausmachen, darzustellen. Es wird sich nicht so anfühlen, als ob man selber in dem Auto sitzt. Aber ich glaube, die Emotionen lassen sich trotzdem transportieren.
In der Ausstellung sollen 25 Autos gezeigt werden. Nach welchen Kriterien wählen Sie aus?
Castenow: Wenn Sie den Designaspekt in den Mittelpunkt stellen, dann kommen Sie an bestimmten Modellen nicht vorbei. Die Puristen werden vielleicht meckern und fragen, warum wir zum Beispiel nicht den allerersten Lamborghini Countach zeigen. Aber das dramatischere Auto – mit verbreiterten Kotflügeln, mit verändertem Motor – ist das spätere Auto. Deshalb haben wir Fahrzeuge ausgewählt, die eine große Strahlkraft besitzen oder die für bestimmte Marken eine besondere Bedeutung hatten wie Lancias Zagato „Double Bubble“, der zwei Beulen im Dach hatte, damit die Helme hinein passten.
Til: Natürlich werden wir auch das Ideal des deutschen Sportwagens zeigen, den Porsche 911. Er muss dabei sein, aber jeder kennt ihn. Spannend wird es, ihn zusammen mit dem „Urtyp“ des Porsches zu zeigen, dem sogenannten Berlin-Rom-Wagen von 1938. Die Story dahinter ist, dass Hitler und Mussolini einen Wagen wollten für eine im Herbst 1939 geplante Rallye von Berlin nach Rom. Der Kriegsbeginn machte die Pläne zunichte. Von diesem Typ 64 gibt es nur noch einen Wagen, und wir freuen uns außerordentlich, dass wir ihn zeigen können.
Wie schwer ist es, die Modelle zu bekommen?
Castenow: Schwer. Ich kenne viele Ausstellungsmacher und Sammler. Es gibt eine Menge Leute, die tolle Autos haben. Aber die würden sie nie rausrücken, wenn sie von der Sache nicht überzeugt wären. Und den meisten mussten wir versprechen, dass sie anonym bleiben. Wahrscheinlich hätten wir die Ausstellung zu 80 Prozent mit Fahrzeugen aus der Region bestücken können. Sie glauben gar nicht, was hier im Umkreis von vielleicht 40 Kilometern alles zu finden ist. In den nächsten zwei Stunden könnten im Ehrenhof, vor dem Museum, Autos für über 30 Millionen Euro stehen.
„Ein Auto schafft es immer noch, vieles auf einen Nenner zu bringen: Geschwindigkeit, Gestaltung, Schönheit und Emotionen.“
Und was macht sie museumsreif?
Til: Nennen Sie mir einen Gegenstand, der ausgefeilter, erfindungsreicher gestaltet wurde und obendrein mehr Projektionsfläche bietet sowie gesellschaftliche Relevanz besitzt als das Automobil. Dies spiegelt sich nicht zuletzt in der immer weiter wachsenden Leidenschaft für historische Automobile. Und übrigens: Schon das H-Kennzeichen im Nummernschild zeichnet jedes Auto, dass älter als dreißig Jahre ist, als „kraftfahrzeugtechnisches Kulturgut“ aus.
Trotzdem scheint es, als hätten Autos als Statussymbol ausgedient.
Til: Individualmobilität wird sich verändern, daran gibt es keinen Zweifel. Ich selbst fahre lieber mit dem Fahrrad. Trotzdem beobachte ich, bei den heute um die 30-Jährigen, dass bei ihnen zum Beispiel „Youngtimer“ stark im Kommen sind. Diese junge Generation findet es witzig, sich einen Mercedes von 1981, 1982 oder 1983 zu kaufen. Das Auto hat etwas Identitätsstiftendes. Früher war es cool, eine Ente oder einen R4 zu fahren. Eigentlich weiß jeder, dass Autofahren ökologisch und ökonomisch mehr als fragwürdig ist. Und trotzdem ist es faszinierend, gerade, wenn es sich um „Oldtimer“ handelt.
Aber die Emotionen lassen nach.
Til: Das sehe ich anders. Es müssen eben besondere Autos sein. Ein Auto schafft es immer noch, vieles auf einen Nenner zu bringen: Geschwindigkeit, Gestaltung, Schönheit und Emotionen. Ich habe manchmal Schwierigkeiten, bestimmte Autos auseinanderzuhalten. Durch dieses Plattform-Design sehen die sich alle ähnlich. Außerdem findet man bei neuen Autos selten ein gelungenes Design.
Castenow: Die normalen Autos, die man so kauft, um von A nach B zu kommen, haben emotional wenig zu bieten. Aber wenn sie mit einem Lamborghini Miura durch Düsseldorf fahren, holen die Sieben-, Acht-, Neunjährigen ihre Handys raus. Die kennen weder die Marke noch das Auto, aber die sind völlig aus dem Häuschen. Irgendetwas ist da in uns Menschen angelegt, irgendetwas in den Chromosomen.