Das kreative Rückgrat der Stadt
Düsseldorf ist eine Kunststadt. Das sieht man allerdings…
Fortuna steigt in die Fußball-Bundesliga auf. Axel Bellinghausen kann sein Glück kaum in Worte fassen und ist Trainer Friedhelm Funkel, der ihn von heute auf morgen zum Co-Tainer machte, extrem dankbar.
Axel Bellinghausen hat 20 Jahre nach seinem ersten Spiel im Trikot von Fortuna Düsseldorf den Aufstieg in die Fußball-Bundesliga geschafft. Und das im ersten Jahr als Co-Trainer. Zu verdanken hat er das ausgerechnet dem FC Bayern München. Eine Geschichte wie aus einem Hollywood-Film. Vielleicht nur ein bisschen unrealistischer. Denn vor einem Jahr, da hat in Düsseldorf wohl niemand wirklich daran geglaubt, dass die Fortuna im Mai 2018 in die Bundesliga aufsteigt. Hinter dem Team lag eine durchwachsene Saison: Über 200 Tage kein Heimsieg in der Esprit-Arena, der Klassenerhalt gelang rechnerisch erst am letzten Spieltag. Und nur ein Jahr später steht Düsseldorf kopf! Tausende feiern vor dem Rathaus den Bundesliga-Aufstieg, die Toten Hosen schmettern „An Tagen wie diesen“ und Axel Bellinghausen steht mit der Meisterschale unter dem Arm da und genießt. Er saugt sie auf: die Eindrücke, Geräusche und Sprechchöre, die Fans, das Fahnenmeer und jeden einzelnen Glückwunsch. Es ist sein Moment. Der größte Erfolg mit seiner Fortuna! „Phänomenal“, sagt der 35-Jährige und grinst.
Düsseldorf, daraus hat Axel – Spitzname „Bello“ – nie ein Geheimnis gemacht, ist seine große Liebe. Eine Liebe über Umwege. Geboren in Siegburg, dann fünf Jahre in der Jugend von Bayer Leverkusen und 1998 schließlich der Wechsel nach Düsseldorf. „Es hat ein bisschen gedauert, bis die Stadt mich überzeugt hat“, sagt Bellinghausen heute, „aber dann hat sie mich richtig gekriegt.“ Den Rhein kannte Bellinghausen auch von Zuhause, die Altstadt von einem Schulausflug auf den Spuren von Heinrich Heine. Aber sonst? „Ich war 15 und bin von meinen Eltern zum Training gefahren worden“, erinnert er sich, „entweder zum Flinger Broich oder zum Rheinstadion. Das waren die beiden einzigen Orte, die ich in Düsseldorf damals gekannt habe.“ Er habe sich erst in Fortuna verliebt und dann in die Stadt.
Eine Liebe, die noch größer wurde, als er weggezogen war. Nach seinem Wechsel nach Kaiserslautern hat er dort das Autokennzeichen KL-D für Düsseldorf bestellt, und in Augsburg ging er sogar noch einen Schritt weiter. Da folgte auf das A für Augsburg FD 1895. Als Bekenntnis zu seiner Heimat. „Als ich damit zum Training kam, musste ich sogar bei Manager Andreas Rettig vorsprechen“, erzählt Bellinghausen und schmunzelt. „Ich habe dann geantwortet, dass das Kennzeichen A-FC 1907 mit Gründungsjahr des FC Augsburg ja schon vom Präsidenten benutzt würde. Dann war das Nummernschild kein Thema mehr. Denn Bellinghausen gab sein Statement zum Verein immer auf dem Platz ab: Einsatz, Kampf, Leidenschaft und Integrität. Seine Stärke war der unbedingte Wille, niemals aufzugeben. Ganz egal, welches Trikot er gerade trug.
Den letzten Aufstieg der Fortuna 2012 in die Bundesliga verfolgte Bellinghausen von der Tribüne als Fan. Erst danach wechselte er von Augsburg zurück nach Düsseldorf. Das wochenlange Gezerre vor dem DFB-Sportgericht nach dem verfrühten Platzsturm gegen Hertha BSC Berlin hatte damals auch seine Aufstiegsfreude getrübt. Und gerade deshalb freut er sich, dass diesmal alles glatt lief. „Ich bin so froh, dass die Leute hier einfach mal einen vernünftigen Aufstieg geschenkt bekommen und feiern können. Wenn du das jetzt siehst, genau das ist uns vor sechs Jahren versagt geblieben. Und das jetzt war sogar eine Party mit Anlauf!“ Seine Abschiedsparty.
Früh hatte sich Axel Bellinghausen entschieden, das 2018 Schluss ist mit Fußball. Das Karriereende mit 35, danach ein Anschlussjob im Umfeld der zweiten Mannschaft. So war es geplant, als der Mittelfeldspieler im Mai 2017 seinen Vertrag bei der Fortuna ein letztes Mal um ein Jahr verlängert hatte. „Ich wollte selbst den Schlussstrich ziehen“, erklärt Bellinghausen, „ich wollte nie, dass das ein Arzt entscheidet, dass ich nicht mehr spielen kann.“ Saisonziel damals: Platz fünf oder sechs. Doch dann kommt alles anders. Dank Carlo Ancelotti, Jupp Heynckes und dem FC Bayern München. Im Oktober kaufen die Bayern den Fortuna-Co-Trainer Peter Hermann für 1,75 Millionen Euro aus dem laufenden Vertrag heraus. Und Chefcoach Friedhelm Funkel trifft eine ungewöhnliche Entscheidung. Er ersetzt den vielleicht erfahrensten „Co“ Deutschlands durch einen Frischling, der eigentlich nie Trainer werden wollte. „Es ist unglaublich, dass Friedhelm Funkel überhaupt auf die Idee kommt, mich zum Co-Trainer zu machen“, sagt Bellinghausen acht Monate später, „dafür werde ich ihm mein Leben lang dankbar sein.“
Gemeinsam mit Thomas Kleine füllt Bellinghausen die Lücke, die Peter Hermann hinterlassen hat. Im ersten Spiel mit den beiden neuen Co-Trainern holt Fortuna ein 2:0 in Bielefeld, danach ein 1:0 gegen Darmstadt und setzt sich so an der Tabellenspitze fest. Einstand geglückt. Doch Bellinghausen kann es immer noch nicht fassen: „Du gehst in die ersten Wochen als Co-Trainer und stellst plötzlich fest: Du hast gar keine Ahnung, was du hier eigentlich machst.“ Zum Beispiel beim Training. „Wenn Thomas mir gesagt hatte, ich soll das Spielfeld aufbauen, dann war das erst zu groß, dann zu klein und dann wieder zu groß. Als Spieler machst du dir über so etwas niemals Gedanken.“ Und Spieler war auch eigentlich das, was Bellinghausen immer sein wollte.
Den Trainerjob, den hatte er nie gewollt. Aber acht Monate später hat er sich daran gewöhnt. Der Job macht Spaß, und jeden Tag lernt er dazu: „Wenn du eines von Friedhelm Funkel lernen kann, dann Gelassenheit. Er strahlt auch in wilden Zeiten Ruhe aus.“ Eine Qualität, die Fortuna im Aufstiegsrennen einige Rückschläge hat überstehen lassen. Im Moment sammelt Bellinghausen Stunden auf dem DFB-Stützpunkt in Garath, um seinen ersten Trainerschein zu machen: DFB-Elite-Jugend-Lizenz heißt der. Danach käme die A-Lizenz und dann irgendwann der Fußball-Lehrer. Den braucht man, um Bundesliga-Trainer zu werden. Doch daran mag Axel Bellinghausen noch nicht denken. „Zwischen jeder Lizenz muss ein Jahr Pause sein. Deshalb mache ich mir darüber noch gar keine Gedanken.“
Ohnehin ist jetzt erst einmal Urlaub angesagt und da rückt Fußball in den Hintergrund. Gemeinsam mit Frau Silvana geht’s im Sommer ans Nordkap. In der übrigen Zeit stehen Spaziergänge mit Hund Chuck auf dem Plan oder Belling erledigt Kleinigkeiten im Haus, die während der Saison liegengeblieben sind. Apropos, Haus: Das ist vielleicht der einzige Makel in der Vita des Düsseldorf-Liebhabers. Das Haus steht nur kurz hinter der Stadtgrenze, in Erkrath-Unterfeldhaus. Bellinghausen: „Da habe ich wenigstens die Vorwahl 0211. Nur für das ‚D‘ auf dem Nummernschild hat es leider nicht mehr gereicht.“