Das kreative Rückgrat der Stadt
Düsseldorf ist eine Kunststadt. Das sieht man allerdings…
Auf der Suche nach neuen Impulsen für Kreative gründete Marketing-Stratege Christoph Pietsch „Creative Hive“.
In jungen Jahren ganz weit oben – das ist Christoph Pietsch gelungen. Als Chief Marketing Officer (CMO) verantwortet er das Group Marketing, also die Geschäftsentwicklung und Unternehmenskommunikation der DDB Group in Deutschland. Nach seinem Einstieg Anfang 2017 verpasste sich die Kreativ- und Marketing-Agentur eine erfolgreiche Neupositionierung. „Irgendetwas haben wir da nicht ganz falsch gemacht“, stapelt er tief und lacht. Was ihn aber nicht innehalten lässt. „Wir arbeiten beständig an unserem Portfolio und verbessern unseren Service“, sagt er. „Jedes Unternehmen hat eine große Mission. Unser Ziel ist es, für unsere Kunden die beste Agentur Deutschlands zu sein.“ Dabei hat auch das Abschneiden in Kreativ- und Effektivitätsrankings eine hohe Bedeutung.
Die größte Herausforderung sei es, in diesem sich rasant drehenden Markt eine Konstante aufzubauen. Er lässt wenig Zweifel spüren, dass er dafür der richtige Mann ist. Nicht umsonst wurde er für seine Ideen mehrfach ausgezeichnet und für sein „unkonventionelles Vermarktungsverständnis“ gelobt. „Dahinter steckt immer die Leistung eines Teams“, kommentiert er. Wohl aber brauche man als kreativer Geschäftsentwickler ein bestimmtes Talent. Christoph Pietsch nennt es Jagdinstinkt. Oder spricht, etwas weniger charmant, aber nicht minder treffend, vom Nimmersatt-Syndrom. „Hungrig bleiben“ ist in der Werbeszene die Devise. „Versuchen, der Zeit einen Schritt voraus sein. Ideen, Innovationen und neue Geschäftsmodelle fördern. Markenbedürfnisse erkennen.“ Christoph Pietsch hat sich früh Gedanken zur Düsseldorfer Gesamtwirtschaft und zu industrieübergreifenden Anliegen gemacht. Das Zauberwort heißt Vernetzung. Schon vor einigen Jahren entwickelte er mit seinen Teamkollegen ein Strategiepapier zur Stärkung der Innovationskraft des Standortes Düsseldorf und stellte es bei großen Unternehmen und der EU in Brüssel vor. Daraus wurde im ersten Anlauf nichts. „Falscher Zeitpunkt“, sagt er rückblickend. „Eine wichtige Erkenntniss aus dieser Zeit: Düsseldorfs Unternehmen, Institutionen und Verbände sind umtriebig. Es gibt unzählige lokale und regionale Aktivitäten. Aber kaum ein Format hat die Kraft, über Düsseldorfs Grenzen hinweg gehört zu werden.“
Seine Konsequenz: „Wenn kluge Experten immer in ihrer eigenen Industrie-Blase gefangen bleiben, wird man nicht schlauer. Ich wollte wissen, wodurch wir wirklich bereichert werden, wer uns Impulse für unsere Aufgaben geben kann. Und wie man die beste Vernetzung erreicht.“ Zu einem bereichernden Austausch gehören für ihn auch Unternehmer und Persönlichkeiten aus Technologie, Kunst, Kultur, Medien oder der Wissenschaft. „Wer baut da eigentlich mal eine Plattform, ein Dach?“ fragte sich Christoph Pietsch und machte sich an die Arbeit. Das Ergebnis nennt sich „Creative Hive“ („Hive“ bedeutet Schwarm) und wurde als aktive Community von kreativen Köpfen gegründet. Erst kürzlich hat das exklusive „Creative Entrepreneurship Dinner“ mit 100 Unternehmern, Gründern, Kreativen und Machern aus ganz Deutschland stattgefunden. Das Ziel des Abends: Ideengeber und Querdenker aus Wirtschaft und Gesellschaft zusammenzubringen, um sich gegenseitig zu inspirieren und gemeinsame Projekte zu entwickeln. Christoph Pietsch bringt es auf die Kurzformel: „Zukunft gestalten.“ Am meisten begeisterten nicht nur ihn die Begegnungen mit Menschen außerhalb des eigenen Dunstkreises. „Da kommen Dialoge und Aktivitäten zustande, die es in dieser Qualität und Geschwindigkeit sonst nicht gäbe“, erzählt er. „Ich bin beseelt, wenn mir jemand im Nachgang erzählt, ich habe so viele tolle Leute bei euch kennengelernt. Diese spürbare Kraft der Gemeinschaft wirkt nach.“
Der Marketing-Stratege ist das zentrale Organ von „Creative Hive“, hat aber eine Menge engagierter Mitstreiter. Nur einzelne von etwa 100 Unterstützern zu nennen, wäre ungerecht, wehrt er ab. „Die Liste ist lang, jeder bringt sich auf seine Weise ein.“ Als Unterneh-mensbeispiele führt er die Metro/NX Food, MediaSaturn, E.ON, 3M, Deloitte oder auch junge Entrepreneure wie „Just Spices“, „Lakrids“, „Tonies“, „Welect“, „Humovo“ oder „Yomaro“ an. Ebenso eindeutig gehören für ihn Vertreter der Kunst und Kultur dazu. „Nehmen wir den jungen Künstler Leon Löwentraut. Ein Phänomen mit vergleichbarer Erfolgsgeschichte gibt es nicht. Er ist in der Lage, Kunst, Malerei und seine Form des Ausdrucks für einen neuen Teil der Gesellschaft attraktiv zu machen. Damit gehört auch Leon zu den Veränderungseliten.“
Es wird weitergehen mit „Creative Hive“. Das Netzwerk ist geknüpft, künftig muss sich erweisen, wie stabil es ist. „Gelegentliche Veranstaltungen reichen dafür nicht aus“, betont Christoph Pietsch. „Wir brauchen ganzjährige Verbindungen, unterschiedliche Formate und Themenschwerpunkte mit Happening-Charakter. Es ist richtig, das jetzt zu machen.“ Wer ihn kennt, ist sich sicher: Dieser Mann wird nicht locker lassen und zeigt sportlichen Ehrgeiz. Tatsächlich kam er über den Fußball zu seinem Beruf. Der Krefelder war als Junge ein großer Fan des KFC Uerdingen (damals Bayer Uerdingen), spielte selbst für den Verein und absolvierte sein Schülerpraktikum in der Geschäftsstelle des damaligen ProfiClubs. „Das machte mir so großen Spaß, dass ich ehrenamtlich dabei blieb“, erzählt er. „Dadurch bekam ich Kontakte zu den Sponsoren und lernte, wie bestimmte Dinge organisiert werden.“ Bald leitete er den Hospitality-Bereich und wurde Assistent bei einem Vorstandsmitglied. Nach dem Abitur musste er nicht mehr lange überlegen, wohin die Reise gehen könnte. Denn längst hatte ihn die Lust am Marketing und an Marken gepackt. Seine erste Station war die Ausbildung zum Kaufmann für Marketingkommunikation bei Grey. Zehn Jahre blieb er insgesamt bei der Düsseldorfer Agentur, „das macht in der Reklamewelt glatt drei Leben aus. Alles, was ich kann, habe ich dort gelernt“.
Stufe um Stufe ging es die Karriereleiter hinauf. Mit 29 Jahren gehörte Christoph Pietsch zur Geschäftsführung der Gruppe. Dann kam der Moment, als ihm sein damaliger Chef zum zehnjährigen Jubiläum gratulierte. „Es fühlte sich plötzlich so an, als sei die Zeit für einen Neuanfang gekommen“, sagt er. „Nicht, weil es schlecht war, ganz im Gegenteil. Ich traf diese Entscheidung sehr bewusst für mich selbst.“ Bei DDB ist er CMO für die gesamte Agenturgruppe, die neben Düsseldorf die Standorte Hamburg, Berlin und Wolfsburg (ausschließlich für VW) betreibt. Zu den großen Kunden gehören Henkel, die Telekom, Lufthansa, Volkswagen, Deichmann, IKEA oder die Nürnberger Versicherung. Sein Faible gehört der Medienwelt. „Da ist gerade alles im Umbruch“, weiß er. „Mich interessiert der Umgang mit der Marke als strategisches Instrument. Fast im täglichen Duktus entstehen neue Geschäftsmodelle, was ich extrem spannend finde. Bei den Besten können sich auch andere etablierte Player und Industrien eine Menge abschauen.“
Beim ersten „Creative Entrepreneurship Dinner“ in der „Sturmfreien Bude“ in Düsseldorf trafen sich 100 Unternehmer aus ganz Deutschland. Ziel des Abends: Ideengeber und Querdenker aus Wirtschaft und Gesellschaft zusammenzubringen, um sich gegenseitig zu inspirieren. Dazu wurden Referenten aus vielen Bereichen eingeladen. Nach jedem Gang hat man die Karten wieder gemischt. Neuer Tisch, neues Gericht, neuer Gesprächstoff.