Begeistert für Düsseldorf
Warum brauchte es 1989 einen Zusammenschluss wie die…
Prof. Anja Steinbeck machte eine Bilderbuch-Karriere und wurde 2014 mit 48 Jahren Rektorin der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität (HHU). Im Top-Interview spricht sie darüber, warum ihr die Arbeit so viel Spaß macht, was die Digitalisierung für Lehre und Forschung bedeutet und was sich bei weiblichen Führungskräften im Job ändern muss.
Top Magazin: Was reizt Sie an der Aufgabe, Rektorin einer großen Universität zu sein?
Prof. Anja Steinbeck: Es ist sehr spannend, an der Spitze einer Hochschule zu stehen, weil die Aufgaben so vielfältig sind – angefangen von der Einschätzung des Potentials von Forschungsvorhaben über Personalangelegenheiten und politische Aktivitäten bis zu repräsentativen Aufgaben. Und ich kann sehr viel entscheiden, was ich sehr gerne tue. Letztendlich hat der Standort Düsseldorf auch eine Rolle gespielt. Wir sind vor zwei Jahren von Ratingen nach Oberkassel gezogen – und fühlen uns dort sehr wohl.
Was schätzen Sie an Oberkassel?
Oberkassel ist ein Traum, erst recht jetzt im Sommer. Ich jogge gerne am Rhein, ich bin schnell in der Innenstadt. Überall treffe ich Leute, die ich kenne. Wir fühlen uns richtig wohl dort.
Sie sind Professorin für Jura und haben mit nur 34 Jahren Ihren ersten Lehrstuhl in Köln bekommen. Was ist ihr Erfolgsgeheimnis?
Das ist wirklich ganz einfach. Ich habe vom ersten Tag an große Freude an meinem Studium gehabt. Hinzukommt, dass ich sehr diszipliniert und ehrgeizig bin. Und sehr optimistisch, ich habe mir nie Sorgen um meine berufliche Zukunft gemacht.
Sie haben zwei mittlerweile erwachsene Söhne. Wie haben Sie es geschafft, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen?
Als die Kinder klein waren, habe ich viel zu Hause und teilweise auch am Abend gearbeitet – und das habe ich nicht als Belastung empfunden. Außerdem hatten wir lange Zeit einen Aupair-Jungen, das war grandios. Er hat meinen Mann und mich sehr gut unterstützt.
Professuren an den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen sind zum größten Teil immer noch Männerdomäne. Nur jede vierte Position auf dieser Ebene an den Universitäten und UniKliniken war 2016 mit einer Frau besetzt. Was muss passieren, damit sich das ändert?
Vieles! Ich denke, es gibt noch genügend institutionelle Barrieren. Kindererziehung zum Beispiel ist immer noch überwiegend Aufgabe der Frau, und wir sind noch lange nicht soweit, dass wir das mit Kitas oder flexiblen Arbeitszeiten auffangen können. Auch die „homosoziale Kooptation“ spielt eine Rolle. Menschen neigen dazu, Bewerber einzustellen, die ihnen „sozial ähnlich“ sind. Bei einem männlich besetzten Gremium bedeutet das automatisch, dass ein Mann als Bewerber bessere Chancen hat. Das kann man nur mit gut durchmischten Gremien verhindern. Aber auch die Frauen sollten an sich arbeiten. Sie müssen mehr Mut haben, Herausforderungen anzunehmen. Männer sind da weniger zurückhaltend.
Werden wissenschaftliche Leistungen von Frauen tendenziell stärker hinterfragt als die von Männern?
Dazu ist interessanterweise gerade eine neue Studie herausgekommen. Dabei wurden 20.000 mündliche Jura-Examina ausgewertet. Das Ergebnis: Bei gleicher schriftlicher Vornote schneiden Frauen in der mündlichen Prüfung schlechter ab als Männer und erreichen seltener ein Prädikatsexamen – wenn die Prüfungskommission rein männlich besetzt ist. Sobald eine Frau in der Kommission sitzt, wird dieser Nachteil ausgeglichen.
Wie würden Sie Ihren Führungsstil bezeichnen?
Im Rektorat, wo die wichtigen Entscheidungen getroffen werden, sind wir zu sechst. Ich versuche bei jedem Thema immer erst alle Alternativen mit Argumenten auf den Tisch zu bringen und versuche dann einen Konsens für eine Lösungsmöglichkeit herzustellen. In den 20 Prozent der Fälle, in denen das nicht klappt, habe ich kein Problem, auch schwierige Entscheidungen zu treffen und übernehme selbstverständlich auch die Verantwortung dafür.
Was kann die Uni für die Stadt tun?
Sehr viel. Wir haben über 30.000 Studierende und 4.000 Arbeitnehmer, von denen viele hier leben und einkaufen. Die Studierenden verjüngen das Stadtbild. Von unseren jährlich 3.000 Absolventen bleiben ungefähr 40 Prozent in Düsseldorf. Wir sind also ein ganz wichtiger Pool für junge Talente und den Arbeitsmarkt. Im Bereich der Forschung sind wir Innovationsmotor, häufig auch in Zusammenarbeit mit Unternehmen. Und als Bürgeruniversität suchen wir aktiv den Austausch mit der Gesellschaft, im Haus der Universität am Schadowplatz etwa bietet die HHU allen Düsseldorfern – vom Schüler bis zum Rentner – Einblick in moderne Forschung und lädt zur Diskussion aktueller wissenschaftlicher Entwicklungen ein. Das ist schon ein wichtiger intellektueller Impuls für die Stadt.
Und umgekehrt: Was wünscht sich die Universität von der Stadt?
Ich freue mich über alle Interessierten, die unsere vielen öffentlichen Veranstaltungen besuchen – im Haus der Universität oder auf dem Campus. Darüber hinaus möchte ich an dieser Stelle betonen, dass es bereits Bürger in Düsseldorf gibt, die sich unglaublich für diese Universität einsetzen. Und das wissen auch alle an der HHU sehr zu schätzen. Dazu gehören Unternehmer wie Udo van Meeteren und Patrick Schwarz-Schütte oder auch das Ehepaar Profes. Hannelore und Detlev Riesner. Im letzten Jahr haben außerdem Herr Dr. Christoph Henkel sowie die Stiftungen Konrad-Henkel und Fritz-Henkel einen Lehrstuhl für Sustainability Management gestiftet. Und es gibt noch viele andere Interessierte, die sich mit kleineren Summen engagieren. Aber es wäre toll, wenn es noch mehr Menschen gäbe, die unsere Forschung unterstützen, denn ohne diese Spenden sind wir nur schwer in der Lage, neue Ideen umzusetzen.
„Es gibt einige Menschen in Düsseldorf, die sich unglaublich für diese Universität einsetzen“
Wo steht die Uni Düsseldorf im Vergleich zu anderen deutschen Universitäten?
Das ist eine sehr allgemeine Frage. Mit über 30.000 Studierenden und fünf Fakultäten auf einem Campus bieten wir eine einzigartige Athmosphäre. Die Studienbedingungen sind wirklich sehr gut. In manchen Bereichen sogar spitze: Unsere Juristische Fakultät belegt, was die Studierendenzufriedenheit angeht, Platz zwei in Deutschland. In der Forschung haben wir auch einige Bereiche, in denen wir national oder sogar international führend sind. Hierzu gehören – um nur einige Beispiele zu nennen –die Pflanzenwissenschaften, die Sprachwissenschaften im Hinblick auf Computerlinguistik oder die kardiovaskuläre Forschung. Ein Vergleich ist deswegen nicht leicht. Andere Universitäten haben andere Schwerpunkte. Es ist daher schwierig, Universitäten als Ganzes miteinander zu vergleichen. Man könnte es vielleicht so sagen: Wir spielen zwar noch nicht in der Champions League wie die RWTH Aachen oder die LMU München, aber direkt danach gehören wir schon zu den führenden Universitäten Deutschlands.
Wie wichtig ist ein Exzellenzcluster für die HHU?
Grundsätzlich werden die Universitäten vom Land finanziert. Der Bund kann aber auch Geld in die Hand nehmen, und das tut er beispielsweise im Rahmen der Exzellenzstrategie. Das ist ein Wettbewerb, an dem sich die Universitäten mit ihren Forschungsschwerpunkten bewerben können. Die HHU war und ist mit einem Thema aus der Pflanzenforschung erfolgreich. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen suchen hier nach Wegen, um für eine ständig wachsende Weltbevölkerung eine nachhaltige Versorgung mit pflanzlichen Rohstoffen sicherzustellen. Sie gehen mit anderen Worten der Frage nach, wie eine ideale Nutzpflanze aussehen sollte. Mit diesem Forschungsverbund, unserem Exzellenzcluster CEPLAS, war die HHU bereits erfolgreich. Nun ist die Förderperiode abgelaufen und wir haben uns neu beworben, damit die Forschungsarbeit weitergehen kann. Die Entscheidung fällt im September.
Um wieviel Geld geht es da?
30 Millionen Euro für sechs Jahre. Sie sehen, dass ein Exzellenzcluster extrem wichtig ist. Hinzu kommt: Wir sind auf dem Gebiet der Pflanzenforschung in Deutschland sicherlich führend und das wird so auch international bemerkt.
Digitalisierung ist derzeit ein großes Schlagwort. Wie wird sich dieser Prozess auf die Universität der Zukunft auswirken?
Das ist sicherlich eine der großen Herausforderungen der Zukunft. Wir an der HHU gehen die Thematik aktiv an und machen uns aktuell Gedanken über eine Digitalisierungs-Strategie. Die Fragestellung lautet: Was heißt Digitalisierung an einer Hochschule? Sicherlich werden sich die Lehrmethoden ändern, weil es heute ganz anders als früher möglich ist, mit den Studierenden zu interagieren. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass die HHU immer eine Präsenz-Universität bleiben wird. Die Digitalisierung ermöglicht es hervorragend, auf die zunehmend diverse Studierendenschaft einzugehen. Darüber hinaus werden sich auch die Lehrinhalte der Digitalisierung anpassen müssen. Wir möchten die Studierenden auf die digitale Welt und ihre veränderten Berufsbilder vorbereiten. Das bedeutet die Vermittlung der Kompetenz, mit digitalen Medien umzugehen, und das kann von Fach zu Fach sehr unterschiedlich sein.
Und was bedeutet die Digitalisierung für die Forschung an einer Universität?
Exzellente Forschung ist nur möglich, wenn digitale Methoden entwickelt und beherrscht werden. Auch hier müssen die fachspezifischen Besonderheiten Berücksichtigung finden. Außerdem wird die HHU das Thema Digitalisierung als Forschungsgebiet mit wissenschaftlichen Fragestellungen, die ihr als Volluniversität entsprechen, erschließen. Am Düsseldorfer Institut für Internet und Demokratie (DIID) beispielsweise gehen wir der Frage nach, wie sich die digitale Kommunikation auf die Wahrnehmung gesellschaftlich relevanter Themen auswirkt, wie sie das Handeln von Bürgerinnen und Bürgern und politischen Akteuren beeinflusst und welche Risiken und Gefahren mit Extremismus, Populismus und staatlichen Eingriffen verbunden sind.
Sie haben eine Position, die auch viele Abendtermine mit sich bringt. Bleibt bei allen Aktivitäten noch Zeit fürs Private?
Unter der Woche bin ich sehr viel abends unterwegs. Ich versuche aber am Wochenende keine beruflichen Termine wahrzunehmen. Dafür sitze ich allerdings samstags oder sonntags meist einige Stunden am Schreibtisch. Aber ja, Zeit fürs Private bleibt genug.
Wie können Sie am besten entspannen?
Im Winter in den Bergen beim Skifahren, im Sommer spiele ich gerne Tennis oder fahre Fahrrad. Joggen am Rhein kann man immer gut einschieben, das mache ich manchmal sogar noch vor einem Abendtermin. Ich gehe auch sehr gern mit meinem Mann gut essen.
Mit wem würden Sie gerne mal einen Abend verbringen?
Mit Angela Merkel, weil mich wirklich sehr beeindruckt, was sie seit vielen, vielen Jahren für unser Land tut. Alternativ würde ich aber auch eine Essenseinladung von Kevin Costner nicht ausschlagen.
Prof. Anja Steinbeck im Gespräch mit Ulrike ter Glane (Top Magazin)