Das kreative Rückgrat der Stadt
Düsseldorf ist eine Kunststadt. Das sieht man allerdings…
Anregende Tanznächte unter freiem Himmel, sinnliche Bewegungen und betörende Musik, die den ganzen Körper erfasst: Vom Tangofieber am Kö-Bogen lassen sich die Düsseldorfer nur gar zu gerne anstecken. Schon zum Auftakt im vorigen Sommer zog das Spektakel alle paar Wochen Scharen von begeisterten Mittänzern an. Und jedes Mal wurden es mehr. In diesem Jahrging das Open-Air-Vergnügen in eine neue Runde und bekam sogar noch Zuwachs. Neben dem Tango Argentino (an jedem letzten Montag im Monat) wird mit Salsa ein weiterer südamerikanischer Tanz zum Leben erweckt und massentauglich umgesetzt. Der von Profis begleitete Spaß (jeweils am vierten Freitag im Monat) verspricht Lebensfreude pur. Sie wissen so gar nichts über Salsa? Dann ist die kostenlose Schnupperstunde vor der Tanznacht der perfekte Einstieg für Anfänger. Damit Sie gleich den richtigen Dreh draufhaben, wenn der Discjockey ab 19 Uhr loslegt. Veranstalter des schwungvollen Events ist die Art-Invest Real Estate als Eigentümer der Kö-Bogen-Immobilien. Das Tanzkonzept hat ein Mann ausgetüftelt, den die Tango-Leidenschaft vor 30 Jahren gepackt hat. Jost Budde war früher Showtänzer. Zuerst weihte er nur Freunde und Bekannte in die Geheimnisse des Tangos ein. Als die Nachfrage stieg, eröffnete er eine eigene Schule und übernahm später den Tangobereich im Tanzhaus NRW. Er kann erklären, warum die Menschen gerade von diesem Tanz so fasziniert sind. „Es ist weniger die Bewegung“, glaubt er. „In unserer digitalen Welt sucht man das Haptische. Beim Tango berührt man sich, ohne zu reden. Man umarmt sich und verschmilzt mit dem Partner. Die Musik verstärkt dieses Bedürfnis noch.“ Die Motive der Tango-Liebhaber seien unterschiedlich, sagt Jost Budde. „Manche haben diesen Tanz irgendwo gesehen und den Wunsch verspürt, das auch zu können. Andere mögen die Stille des Tangos, der so gar keine Partystimmung vermittelt.“ Was dann? „Verbundenheit“, antwortet er. „Sich zu 100 Prozent auf den Augenblick einlassen. Signale senden und verstehen.“ Was er in Kursen von sieben bis 14 Wochen unterrichtet, nennt er den „sozialen Tango“. Wie man eine Show in Hochgeschwindigkeit durchzieht, weiß er selbstverständlich auch und lässt sich darauf ein. Damit hat er auch schon die Tonhalle gefüllt und 2.000 Menschen begeistert. Die saßen dabei auf ihren Stühlen, am Kö-Bogen aber tanzen alle mit und genießen das Phänomen eines außergewöhnlichen Gemeinschaftserlebnisses. Jost Budde erteilt in seiner Schule auch Schnupperstunden, bietet am 30.6./1.7. einen Tango-Workshop an und offeriert nach der Sommerpause neue Kurse. Termine am Kö-Bogen: Tango am 30.7. und 3.9., Salsa am 27.7. und 31.8. (www.tango-duesseldorf.de, www.tangoschuleduesseldorf.de).
Alles in Bewegung – am Kö-Bogen (oben) und beim Tanzwettbewerb mit Roman Frieling am Flughafen (unten).
„Tanzen ist Kult“, versichert Roman Frieling. Er muss es wissen und schöpft aus seiner Erfahrung als Tänzer, Tanzlehrer und TV-Kommentator. Als Juror in der RTL-Show „Let‘s dance“ hat er den Erfolg dieser Sendung hautnah miterlebt. Schon zum neunten Mal lud er Anfang Juni Profis und Prominente aus der Show zu seiner Veranstaltung „TanzTerminal, tanz!“ am Flughafen ein. Dort wetteiferten die besten Latein-Paare aus NRW unter den kritischen Augen von Joachim Llambi um den „Düsseldorf Airport Cup“. Roman Frieling weiß auch, wie schnell die Begeisterung vom bloßen Zuschauen auf eine aktive Beteiligung überschwappt. Deshalb bot er mit seinem Team parallel 19 kostenfreie Kurse für Standard-, Latein und Lifestyle-Tänze an. Brot und Butter verdiene er noch immer mit ganz normalen Kursen für Schüler und Erwachsene. Aber die Extrawünsche nehmen zu, etwa bei den Hochzeitstänzen. Hat er den Paaren früher bei Walzer und Discofox den letzten Schliff gegeben (was er in einer Stunde noch immer macht), sind es nun ganze „Wedding Choreografien“, schön schräg und lustig, die nicht selten in einen Flashmob münden. Dafür werden dann auch gern mal zehn Stunden gebucht, zu denen auch zahlreiche Freunde und Verwandte anrücken. Eine ähnlich starke Entwicklung beobachtet Roman Frieling bei den Abibällen. „Sie erleben eine Renaissance“, sagt er. „Vor 15 Jahren ließen die Abiturienten ihre Eltern nach dem offiziellen Teil zurück, nahmen den Partybus und fuhren in die Disco. Inzwischen gilt der feine Abiball mit Tanz unter Gymnasiasten als besonderes Highlight. Dazu passt der Debütantenball, den er am 30. Juni im Maritim Hotel veranstaltet. „Mit 500 Paaren ist es der größte in Deutschland“, berichtet Roman Frieling. Allen seinen Schülern, auch den älteren, die ihre Kenntnisse auffrischen wollen, gibt er eine Empfehlung: „Entscheidend ist nicht, wie viele Schrittfolgen jemand beherrscht. Es reicht, wenn man beim Tanzen gut aussieht, entspannt ist und dabei noch reden und vielleicht sogar lachen kann.“ Wie das geht, können auch die Leser der Rheinischen Post ausprobieren, wenn sie zum „Tanzcafé“ mit Roman Frieling ins Verlagshaus kommen. Die beliebte Veranstaltung, die sich an Paare und an Singles jeden Alters richtet, wird nach der Sommerpause fortgesetzt. Anmeldung unter www.westticket.de oder Telefon 0211 274000.
Das Angebot in Düsseldorf für Anfänger und Fortgeschrittene ist riesig. Diverse Tanzschulen und das Tanzhaus NRW veranstalten Kurse für nahezu jede Sparte. Selbst die Volkshochschulen mischen mit. Daneben gibt es eine ganze Reihe Einzelkämpfer, die sich spezialisiert haben. Wie Ulrike Dinger. Sie unterrichtet Stepptanz für Erwachsene – im Jazzkeller des Cafés Modigliani. Wer will das lernen? „Menschen, die alte Filme lieben, dort Stepptanz gesehen haben und es selbst mal ausprobieren wollen. Oder auch Schauspieler und Sänger, die beruflich steppen müssen.“ Die Swingmusik schlägt eine Brücke zum Jazz. Wer dann noch Steppschuhe trägt, die am Absatz und an den Zehenspitzen mit Aluminium beschlagen sind, wähnt sich bei dem berühmten Klacken mitten in einer Hollywood-Schnulze. Ulrike Dingers Motto: Keep Tappin´!“ (www.step-tanz.com).
Kaum einer weiß, wie populär der amerikanische Squaredance auch hierzulande ist. In Düsseldorf kann man sich mehreren Gruppen anschließen, so auch der „Square Company“, deren „President“ Stefan Xakoustos ist. „Weil man dazu keinen festen Partner braucht, ist dieser Volkstanz ideal für Einzelpersonen“, sagt er. Jeweils acht Leute tanzen zusammen. „Man muss keine Schritte auswendig lernen, sondern läuft Figuren ab“, erläutert er. „Davon gibt es 69, die der so genannte Caller aufruft.“ Weil sie auf der ganzen Welt normiert sind, kann man sich in jedem Land einer Squaredance-Gruppe anschließen. Bei den „Open Houses“ am 5., 12. und 19. September werden wieder „Appetithappen“ vermittelt, die bisher schon vielen schmeckten, 68 Mitglieder hat die Formation, die gelegentlich auch für Auftritte bei Firmenfesten mit Western-Flair gebucht wird. „Wettbewerbe gibt es bei uns nicht“, sagt Stefan Xakoustos, „uns interessiert nur die Freude am Tanz.“ (www.squarecompany-duesseldorf.de)
In Düsseldorf tut sich der Tanz mit seinen smtlichen Facetten hervor. Das zeigt sich nicht nur bei den Angeboten für Laien. Wir sind eine Tanzstadt, in der die besten Kompagnien der Welt gastieren. Im November kommt die sensationelle Show „Break the Tango“ ins Capitol Theater, eine berückende Verschmelzung von Tradition und Moderne und bildgewaltige Symbiose von Südamerika und Europa (13. bis 17.11., www.capitol-theater.de). Noch davor geht die alle zwei Jahre stattfindende „tanzmesse nrw“ über die Bühne, der wichtigste Branchentreff für internationale Kompagnien. „Man kennt diese Veranstaltung in jedem Winkel der Welt“, sagt der neue Direktor Dieter Jaenicke und meldet voller Stolz, dass 2018 jeder Kontinent mit herausragenden Produktionen vertreten ist. Ein Schwerpunkt ist der „Urban Dance“, entstanden in den Ghettos und Slums von Lateinamerika und Afrika. An den vier Messetagen vom 29. August bis zum 1. September präsentieren 45 Kompanien ihre zumeist neuen Produktionen. Mit China hat die „internationale tanzmesse nrw“ erstmals ein Partnerland bekommen. Die Profis sollen diesmal nicht unter sich bleiben. „Weil das hiesige Publikum ausgesprochen tanzaffin ist, werden einige der größeren Veranstaltungen öffentlich sein“, kündigt Dieter Jaenicke an (www.tanzmesse.com). Zum Schluss sei ein Blick über den Rhein erlaubt, er lohnt sich auch für die tanzbegeisterten Düsseldorfer. In Neuss trumpfen die „Internationalen Tanzwochen“ seit Jahren mit umwerfend tollen Gastspielen auf und laden ein zu Ballett-Reisen um die ganze Welt. Die Feinschmecker-Reihe wird am 5. Oktober mit der Londoner Michael Clark Company eröffnet. Über den Winter folgen Ailey II. aus New York, das Bundesjugendballett Hamburg, das Scottish Dance Theatre Dundee, das Alonzo King Lines Ballet San Francisco und die Paul Taylor Dance Company New York (www.tanzwochen.de). Und muss man Martin Schläpfers fabelhafte Kompagnie aus der Rheinoper noch vorstellen? Das Düsseldorfer Tanz-Ensemble wurde vier Mal in Folge bei einer Kritiker-Umfrage zur „Kompanie des Jahres“ gewählt und zeigte gerade wieder mit dem klassischen Handlungsballett „Schwanensee“ eine neue Facette.