Das kreative Rückgrat der Stadt
Düsseldorf ist eine Kunststadt. Das sieht man allerdings…
Schauspielerin Anna Schudt über ihre Wahlheimat Düsseldorf, ihre Rolle als „Tatort“-Kommissarin und ihr glückliches Familienleben mit Moritz Führmann und drei Söhnen
Gerade bestimmt mal wieder der „Tatort“ den Rhythmus ihres All-tags. Anna Schudt, seit sieben Jahren als Kommissarin Martina Bö-nisch in Dortmund im Einsatz, dreht bis Mitte Mai zwei Episoden der Krimi-Serie hintereinander. Was ungewöhnlich ist, aber seine Vorteile hat. „Sonst wird eine Folge im Frühjahr, eine im Herbst produziert“, erzählt sie. „Für uns Schauspieler ist diese enge Taktierung aber toll. Man geht geballt mit diesen Figuren um und hat danach Freiraum für andere Projekte.“ Die Schauspielerin, verheiratet mit ihrem Kollegen Moritz Führmann aus dem Düsseldorfer Ensemble, weiß noch genau, wie sie sich fühlte, als das Angebot für den „Tatort“ kam. „Oh nein, bloß keine Kommissarin“, hätte sie gedacht, die weniger schönen Erfahrungen bei der Serie „Der Kriminalist“ noch lebhaft im Sinn. „Es schien mir damals, als sei ich nicht gemacht für eine Krimi-Reihe“, sagt sie. „Aber natürlich war mir klar, dass ich dieses Angebot näher betrachten sollte.“
Den Ausschlag für ihre Zusage gaben schließlich ihr Kommissar-Kollege Jörg Hartmann, mit dem sie bereits an der „Schaubühne“ in Berlin gearbeitet hatte, und das schlüssige Konzept: „Alles zusammen hat mich dann doch sehr gelockt.“ Sie wisse immer schon recht früh, wie es weitergehe mit ihrer Figur und kann bei deren Entwicklung auch mitsprechen. „Allerdings geht es dabei nicht immer nach meiner Nase“, gibt sie zu. „Ich hätte schon gern noch andere Kurven drin. Aber wir sind schließlich zu dritt im Ermittler-Team, und jeder soll mit seiner persönlichen Geschichte berücksichtigt werden. Also muss ich mich da etwas zurücknehmen.“ Gedreht wird überwiegend in Köln, was Anna Schudt bedauert: „Ich wäre lieber öfter in Dortmund. Es macht große Freude, dort zu arbeiten, die Leute sind nicht so genervt von den Filmaufnahmen wie in Köln.“ Auf dem Weg zum Drehort genießt sie das Privileg eines Fahrers, wenn auch manchmal mit schlechtem Gewissen. Andererseits ist diese entspannte Zeit im Auto für sie wichtig, „weil sie den perfekten Abstand zwischen meinen beiden Welten schafft. Ich brauche sie, um von meiner Kinder- und Familienwelt in die der Kommissarin zu schlüpfen“.
Anna Schudt hat drei Söhne. Leon (20) stammt aus einer früheren Verbindung, sein Vater Jens-Daniel Herzog ist momentan noch Opernintendant in Dortmund. Fritz (7) und Matti (5) hat sie gemeinsam mit Moritz Führmann. Das Paar lernte sich 2010 auf der Bühne des Düsseldorfer Schauspielhauses kennen, als sie mit der Titelrolle in „Anna Karenina“ gastierte. Nach intensiver Probenzeit, nur auf die Arbeit fokussiert, traf sie beim Verbeugen nach der Premiere, Hand in Hand mit Moritz Führmann, der berühmte Blitz. Seinetwegen zog sie nach Düsseldorf. Anna Schudt wuchs in Konstanz auf und hängt bis heute an der heilen Welt am Bodensee. In München hat sie studiert, ihre Anfänge am Theater gemacht und lange gewohnt. Der erste gemeinsame Führmann-Sohn kam noch in Bayern zur Welt, aber dann wurde das ständige Pendeln lästig. „Ich kannte sonst niemanden in Düsseldorf, doch die Stadt hat es mir
leicht gemacht“, erinnert sie sich. „Heimat, das sind immer die Menschen, mit denen man sich umgibt. Hier kann man es sehr gut aushalten. Genau wie Moritz mag ich die Rheinländer mit ihrer offenen, ehrlichen Art sehr gern.“ Trotzdem, das verhehlt sie nicht, habe es eine ganze Weile gedauert, bis sie sich wirklich heimisch fühlte: „Ich war ja zunächst nur mit Stillen und mit Arbeiten beschäftigt, es gab kaum Gelegenheit, neue Kontakte zu schließen. Das kam erst mit den Kindern und unserem Leben in Oberkassel. Ich fühlte mich noch nirgendwo so integriert wie hier, bin so dankbar, weil ich es so schön finde, für uns und für die Kinder. Ich hoffe, wir können noch recht lange hier bleiben.“
Würde man Anna Schudt nach dem Sahnehäubchen fragen, käme dabei sicher der Wunsch heraus, in ihrer Wahlheimat wieder einmal Theater zu spielen – nach „Anna Karenina“ und „Die Zofen“ in der Intendanten-Ära von Amélie Niermeyer. „Ich habe alles getan, um diesen Weg zu bereiten“, gibt sie freimütig zu. „Das Theater ist meine Heimat, immer und immer. Wenn es hier nicht klappt, dann eben woanders, irgendwann. Und wenn nicht, ist es auch in Ordnung. Ich bin da, wo ich jetzt bin, sehr glücklich.“ Sie blickt durchaus auch kritisch auf die heutigen Gegebenheiten im Theater. Ihr missfällt das oft beobachtete Diktat der Regisseure, denen man auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sei. „Es wäre eine Bereicherung, wenn sie beides zuließen – ihre eigene abstrakte Sicht und das Bestreben der Schauspieler, ihre Figur mit all ihrer Menschlichkeit, ihrer Logik und ihren Abgründen zu erforschen.“
Dieses Ansinnen gelingt ihr beim Fernsehen ganz gut, so auch bei der Verfilmung des Buches der Kölner Komödiantin Gaby Köster, die sich nach einem Schlaganfall mit enormer Disziplin und einer ordentlichen Portion Humor ins Leben zurückkämpfte. Für ihre komplexe Leistung in „Ein Schnupfen hätte auch gereicht“ wurde Anna Schudt als beste Schauspielerin für den „Deutschen Fernsehpreis“ nominiert, ging bei der Verleihung im Januar 2018 aber leer aus. Sie erlebte diesen Abend mit gemischten Gefregelrecht gemein! Wie sollte man da gelassen bleiben? Auf dieses Gefühl der Enttäuschung war ich nicht vorbereitet. Ich habe meiner Kollegin Julia Jentsch die Trophäe ja wirklich gegönnt.“ Sie lacht. „Aber mir noch mehr!“ühlen. „Seltsam“, erzählt sie, „plötzlich war ich einer Konkurrenz-Situation ausgesetzt, um die ich überhaupt nicht gebeten hatte. Ich hatte etwas zu verlieren, und so kam es auch. Nachdem man mir erst das Geschenk der Nominierung gemacht hatte, fand ich das Diese Bemerkung hört sich bei ihr kein bisschen giftig an. Dafür ist Anna Schudt viel zu geerdet. Das hat vor allem mit ihrer stabilen und glücklichen Partnerschaft zu tun. „Für mich ist Moritz der Hauptgewinn“, schwärmt sie. „Wir wissen alles voneinander, beraten und inspirieren uns gegenseitig. Ich habe unfassbar viel von ihm gelernt.“ Und das bei allen Unterschieden. „Er geht die Sachen absolut kalkuliert an, ist fleißig, aktiv und ein totaler Netzwerker“, beschreibt sie ihn. „Ich bin das alles gar nicht. Aber so können wir beide voneinander profitieren. Ich sage ihm, lass mal los, du muss nicht alles unter Kontrolle haben. Und er meint, jetzt steig mal aus dem Sattel, geh auf die Leute zu, mach auf dich aufmerksam.“ Allerdings falle die Harmonie beileibe nicht vom Himmel, dafür müsse man schon etwas tun, „und zwar nicht erst, wenn es zu spät ist“. Anna Schudt vertraute gleich zu Beginn ihrer Beziehung auf eine Eheberaterin, ganz ohne Konflikt. Sie war heilfroh, dass ihr Mann ihr dabei folgte und ihre Ansicht teilte. „Wir waren zu 100 Prozent davon überzeugt, dieses Großprojekt Familie damit besser durchziehen zu können“, sagt sie. „Paare müssen sich heute mehr denn je auf emotionaler Ebene verbinden.“
Eines der Bindeglieder in dieser Künstlerehe sind gemeinsame Lesungen. Mit zwei Thomas-Mann-Programmen gastierten sie mehrmals im Schauspielhaus und anderswo, wollen die Reihe demnächst weiterentwickeln. Und auch mit der Düsseldorf-Verzahnung geht es munter voran. Anna Schudt gehört seit 2017 zu den Opernscouts, ein gemeinsames Projekt der Deutschen Oper am Rhein und der Rheinischen Post. „Ich fühle mich in diesem Kreis sehr wohl, freue mich an den Sichtweisen anderer Leute und staune, wie offen sie auf neue Erfahrungen zugehen“, sagt sie. „Das gefällt mir, weil es so gar nicht abgehoben ist.“