Das kreative Rückgrat der Stadt
Düsseldorf ist eine Kunststadt. Das sieht man allerdings…
Der neue Direktor Dr. Felix Krämer hat viele Pläne mit dem „Museum Kunstpalast“ und dessen einzigartiger Sammlung. Vor allem soll das Haus am Ehrenhof ein Ort sein, an dem neugierige Menschen sich an Kunst bereichern können.
Durch bodentiefe Fenster flutet von allen Seiten Licht in das Arbeitszimmer von Dr. Felix Krämer. Eigentlich schön, findet er. Wäre da nicht eine kleine Einschränkung: „Man kann aus den umliegenden Gebäuden zu mir hereinschauen. Ein wenig fühle ich mich wie auf einer Bühne, das bringt das Amt wohl mit sich. An diesen Gedanken muss ich mich erst gewöhnen.“ Um den Raum persönlicher zu gestalten, quartierte der neue Leiter im „Museum Kunstpalast“ die vorgefundenen konventionellen Sitzmöbel aus. Um den großen Tisch gruppieren sich jetzt ganz unterschiedliche Designer-Stühle, die er im Depot entdeckte. Darauf nahmen zunächst der Reihe nach seine gut 60 Mitarbeiter Platz. „Ich hatte mir vorher überlegt, was ich mir selber von einem neuen Chef wünschen würde“, sagt er. „Wie sollte er sich im Idealfall präsentieren?“ Am besten geeignet erschien ihm das persönliche Gespräch. Ein Kraftakt, natürlich. „Aber jeder, der hier arbeitet, hat seine Geschichte. Und meist gibt es einen Grund, warum er da ist. Für ein Museum entscheidet man sich.“
Steilvorlage, Herr Dr. Krämer! Also dann: Was hat ihn nach neun erfolgreichen Jahren als Kurator im Frankfurter Städelmuseum nach Düsseldorf gelockt? „Ich war Kurator mit großer Leidenschaft, lange Zeit konnte ich mir keine schönere Aufgabe vorstellen“, antwortet er. „Doch dann merkte ich, dass die Herausforderungen geringer wurden. Ich aber mag Herausforderungen, ich mag es, Dinge zu bewegen.“ Selbst bei der Planung der Matisse-Bonnard-Ausstellung, mit der er den Frankfurtern ein grandioses Abschiedsgeschenk machte, sei er nicht sonderlich nervös gewesen. Ein Signal, dass der anstehende Wechsel richtig war. Seit Oktober ist er nun im Amt und nach Susanne Gaensheimer (Kunstsammlung NRW) der zweite hochgeachtete Kunstexperte, der binnen weniger Monate vom Main an den Rhein zog – mit Ehefrau, einem Sohn und zwei Töchtern.
„Das Museum darf nicht nur Kunstpalast heißen, es muss auch einer werden“
Düsseldorf ist ihm seit früher Jugend vertraut und mit positiven Erinnerungen verknüpft. Von hier stammt sein Vater, der renommierte Fotograf Volker Krämer. Hübsche Randnotiz: Bekannt wurde er durch den „Stern“, doch zuvor war er der erste festangestellte Fotograf der „Rheinischen Post“. Der Museumsleiter hebt Düsseldorfs starke Künstlerschaft hervor, bemängelt aber auch: „Die Stadt macht in punkto Kunst zu wenig aus sich.“ Das will er ändern. Zunächst seien allerdings dringende Erneuerungen im Haus nötig, damit das Museum seine Potenz voll ausschöpfen könne. Dazu gehören die Belebung der aus Statikgründen brachliegenden Belvedere-Fläche zwischen den Gebäuden, die lange verschleppte Digitalisierung und die Aufwertung der Gastronomie.
Gemäß der 100-Tage-Regel nach Antritt werde er im Januar seine Pläne vorstellen, kündigt Krämer an. Allein das zwinge ihn dazu, ein gewisses Tempo vorzulegen. „Da bin ich schon auch ehrgeizig.“ Seine Zielsetzung: „Das Programm wird hoffentlich eine internationale Strahlkraft haben, aber auch den Ort bedenken. Regional ist nicht gleich provinziell. Es gibt wenige Städte, die wie Düsseldorf auf ihre eigene Geschichte und Sammlung gucken und trotzdem eine internationale Perspektive haben können.“ Ausstellungen bloß einkaufen und übernehmen – nein. Selber machen und Impulse setzen – ja. Man könne im „Museum Kunstpalast“ viele Schätze aus dem Dunkel der Depots heben, davon ist er überzeugt. Auch Bilder des „Jungen Rheinlands“ sollen demnächst wieder gewürdigt werden. Mit der Kunstaka-demie wird bereits das spannende Projekt „Das Rembrandt-Experiment“ vorbereitet. Und schon jetzt freut er sich auf ein Highlight im Herbst 2018, wenn Werke von Walter Ophey (1882-1930) ans Licht geholt werden. „Ein Maler und Grafiker, der lange nicht mehr beachtet wurde. Unser Bestand weist 3000 Arbeiten von ihm auf, ein großartiges Werk.“
Bilder und Fotos umgaben ihn seit eh und je, damit wuchs er in Hamburg auf. Schon als Teenager fuhr Felix Krämer zu Ausstellungen von Beuys, Richter und Baselitz. „Das war mein Einstieg in die Kunst.“ Seine Berufswünsche schwankten lange: „Ich wollte Autodesigner werden, Architekt, Journalist, Jurist. Oder eben Fotograf, wie mein Vater. Doch dann wandte ich mich der Kunstgeschichte zu.“ Geblieben ist die Affinität zur Fotokunst: „Eine Fotografie erfordert manchmal sogar einen genaueren Blick als ein Gemälde, weil es einen durch den vermeintlich authentischeren Charakter auf eine falsche Fährte führen kann.“
Gegen die Einteilung der Kunst in allzu enge Schubladen wehrt er sich. „Ich tue mich schwer mit Grenzziehungen, sie sind etwas Anachronistisches.“ Solange der Betrachter sein Vergnügen daran habe, sei sogar gegen ein bisschen Kitsch nichts einzuwenden. „Geschmack ist etwas Emotionales, es ist nicht meine Aufgabe, jemandem zu erklären, dass ein Werk minderwertig ist“, sagt Felix Krämer. „Wir sind als Museum dazu da, Angebote für neugierige Menschen zu machen, kommen aber natürlich nicht daran vorbei, Entscheidungen zu treffen. Ich bevorzuge dabei eine Mischung aus Leidenschaft und kühlem Kopf.“