Das kreative Rückgrat der Stadt
Düsseldorf ist eine Kunststadt. Das sieht man allerdings…
Er besteht nunmehr seit 85 Jahren und ist der bekannteste Heimatverein der Stadt: die Düsseldorfer Jonges! Rund 500 Mitglieder kommen jeden Dienstag im Henkel-Saal des Schlösser Quartier Bohème an der Ratinger Straße zusammen, um sich auszutauschen, interessante Vorträge zu hören und auch, um ein Glas Alt miteinander zu trinken. Das Top Magazin war dabei.
„N’ovend leeve Jonges!“ Die Begrüßung von Baas Wolfgang Rolshoven ist jeden Dienstag dieselbe. Ebenso die Antwort der versammelten Jonges: „N’ovend Baas!“ Obwohl beim größten Heimatverein Deutschlands, den Düsseldorfer Jonges mit seinen über 2700 Mitgliedern, tatsächlich bis heute nur Männer Mitglieder sein können, stimmt die Anrede an manchen Abenden nicht. Denn oft sind auch weibliche Gäste, wie Referenten oder Künstler, zugegen. An diesem Abend sogar ziemlich viele, denn zum ersten Mal bei den Jonges zu hören ist die achtköpfige Mädchenband „Töchter Düsseldorfs“ unter Leitung von Conny Hornemann. Das Ensemble mit Musikerinnen von neun bis 21 Jahren begeisterte die Jonges mit Coverversionen bekannter Hits. Die Organisation der Heimatabende hat Vizebaas Dr. Wolfgang Nieburg.
„Wir bieten unseren Mitgliedern jeden Dienstag ein sehr abwechslungsreiches Programm“, sagt Baas Wolfgang Rolshoven. Neben dem Show-Programm werden auch Referenten aus allen möglichen Wissensgebieten eingeladen. Es gibt jedes Quartal eine Presseschau von Journalisten, Vorträge, wie zum Beispiel von dem Präsidenten der Architektenkammer Ernst Uhing oder von Unternehmern wie Teekanne-Geschäftsfüh-rer Reinhold Schlensok. Auch Podiums-Diskussionen finden statt, wie kürzlich das Jonges-Forum „Smart-City.“ Den Mitgliedern wird für den Jahresbeitrag von 50 Euro also einiges geboten. Die Aufnahmegebühr beträgt einmalig 20 Euro. Wer sich jetzt fragt, welcher moderne junge Mann auf die Idee kommen sollte, in diesen alteingesessenen Männerverein einzutreten, wird überrascht sein. Denn bis auf die Tatsache, dass sich die Jonges das Recht herausnehmen, nur Männer aufzunehmen, kommen an den Dienstagabenden mitnichten nur ältere Herren zusammen, um über vergangene Zeiten zu plaudern. Die Düsseldorfer Jonges freuen sich schon seit längerem über zunehmend jungen Nachwuchs – etwa 120 Neuzugänge kommen pro Jahr dazu. Auch im 85. Jahr seines Bestehens hat der Heimatverein nichts an Aktualität verloren!
Am Anfang eines jeden Quartals werden die Neuaufnahmen am Heimatabend von Schriftführer Sebastian Juli vorgestellt. Rund 30 Männer von Ende 20 bis Mitte 40 drängeln sich zur Aufnahmefeier auf der Bühne des Henkelsaals. Die Neuaufnahmen der Scholljonges bekommen von ihrer Tischgemeinschaft Schultüten überreicht. Ein Neu-Jong hält eine kleine Rede. Alles Leute, die mit beiden Beinen im Leben stehen. Einer von ihnen ist Stephan Dorn, Geschäftsführer vom Gesundheitszentrum medwerk. Er freut sich jetzt, offiziell dazu zugehören: „Ich bin stolz, ein Düsseldorfer zu sein und finde es gerade in der heutigen Zeit wichtig, sich für die Heimat zu engagieren. Auch der Zusammenhalt innerhalb des Vereins gefällt mir sehr. Über 240 Berufe und alle Altersgruppen sind hier vertreten. Die Jonges sind ein großes Netzwerk, haben Einfluss und können in der Stadt etwas bewirken.“ Zwei Paten braucht man, um Mitglied zu werden. „Am besten spricht man einfach zwei Jonges an“, sagt Wolfgang Rolshoven. „Dann muss man nur noch das Anmeldeformular (gibt es auch online auf der Internetseite des Vereins www.duesseldorferjonges.de) entsprechend ausfüllen und der Geschäftstelle übergeben. Danach wird man per Post über die Aufnahme informiert. Das Ganze ist einfach und unkompliziert. Man kann übrigens auch erstmal an einem Dienstagabend bei uns unverbindlich reinschnuppern, ob es einem gefällt.“
Viele Mitglieder sind mittlerweile in der zweiten oder dritten Generation bei den Düsseldorfer Jonges. Sie wurden vom Vater, Onkel oder Großvater für den Verein begeistert. Die meisten Jonges haben sich einer der 51 Tischgemeinschaften angeschlossen. „Das ist aber kein Muss“, sagt der Baas. „Es gibt auch 700 Mitglieder, die keiner Tischgemeinschaft angehören.“ Rund 50 Mal im Jahr treffen sich die Jonges im Henkel-Saal. „Man munkelt, es gehen rund 800 Mitglieder von zu Hause los, aber nur 500 kommen im Henkelsaal an”, sagt Ernst Meuser lachend, mit 90 Jahren das älteste Mitglied des Heimatvereins. Er sitzt beim Jongesabend vorne am Vorstandstisch. Vis-à-vis zum großen hölzernen Präsidentenstuhl, der jeden Dienstag aus einem Nebenraum des Henkelsaals zum Vorstandstisch geschoben wird. Hier darf ausschließlich der Baas der Jonges Platz nehmen. Auf der Innenseite der Rückenlehne unterhalb des Düsseldorfer Stadtwappens mit Anker und Bergischem Löwen stehen alle bisherigen Präsidenten der Jonges mit ihrer Amtszeit ins Holz geschnitzt.
In traurigen Fällen folgen der Begrüßung durch den Baas zwei weitere Rituale: Steht eine brennende Kerze auf dem Vorstandstisch, bedeutet das für die Mitglieder – einer von ihnen ist gestorben. Zum Gedenken läutet auch die alte Heimatglocke, die der frühere Baas Hermann H. Raths 1957 gestiftet hat. Sie hing an der Außenfassade des ehemaligen Vereinsheims der Jonges in der Brauerei Schlösser. Nach Abriss des Schlössersaals wurde sie in einen fahrbaren Glockenstuhl montiert und lagert ebenfalls im Utensilienraum der Jonges im Quartier Bohème. Die Glocke steht aber nicht nur für die Totenehrung, sondern auch für das Leben im Verein, denn in ihr Metall ist graviert: „Ich, die Heimatglocke, rufe die Lebenden und beklage die Toten.“ „In diesem Sinne wollen wir Düsseldorfer Jonges etwas bewegen und die Zukunft gestalten, wir setzen uns für die Heimat ein und fördern viele Projekte – im sozialen, kulturellen und stadtbildpflegerischen Bereich“, sagt Baas Wolfgang Rolshoven. „Hier kommen Leute aus ganz unterschiedlichen Bereichen zusammen, die aber ähnliche Interessen und Wertvorstellungen haben.“
Es ist schon bewegend, wenn am Ende des Abends die Jonges einträchtig ihre Hymne singen. Danach leert sich der Saal recht schnell, denn die meisten gehen noch zusammen auf ein paar Alt in die Kneipen, um im kleinen Kreise weiter zu klönen – auch ein schönes Dienstagabendritual.